Diese Augsburgerinnen helfen in (fast) allen Lebenslagen
Wann habe ich Anspruch auf eine Haushaltshilfe? Was, wenn die Rente nicht fürs Pflegeheim reicht? Die Plattform Betanet aus Augsburg hilft weiter.
Genaue Zahlen gibt es nicht, aber Experten rechneten zuletzt damit, dass jeder 30. Corona-Erkrankte mit Langzeitfolgen zu kämpfen haben könnte. Diese können unterschiedlicher Natur sein, jüngere Betroffene klagen häufig über dauerhafte Erschöpfungszustände, die es teils unmöglich machen, einer geregelten Arbeit nachzugehen. Diese Menschen suchen Hilfe, vor allem medizinische - aber es stellen sich auch Fragen nach dem Anspruch auf Sozialleistungen wie Entgeltfortzahlung oder Erwerbsminderungsrente. Weil das Thema noch jung ist, ist es schwierig, sich zu orientieren, welche Hilfen infrage kommen und wie sie Betroffene erhalten. Sechs Frauen aus Augsburg versuchen deshalb diese Menschen zu unterstützen - mit der Online-Plattform Betanet. Bis zu 20.000 Aufrufe hat die Seite täglich, doch es geht es nicht nur um Post-Covid.
Es gibt breit gefächerte sozialrechtliche Informationen - unter anderem was zu tun ist, wenn man sich die Pflege nicht mehr leisten kann oder der Grad der Behinderung falsch eingestuft worden ist. Seit 20 Jahren bietet die Augsburger Einrichtung ihre Hilfe an, Anna Yankers ist seit über zehn Jahren eine der Autorinnen im Betanet. Sie treibt es an, Menschen im Dschungel von Gesetzen und Vorgaben eine Orientierung zu geben und sie im Umgang mit ihren Problemen zu unterstützen. "Unsere Sozialgesetzbücher, in denen die Dinge rund um die Krankenversicherung, das Arbeitslosen- oder Bürgergeld oder auch die Pflege geregelt sind, stehen nicht für sich alleine. Sie sind zum Teil eng miteinander verbunden. Hier den Überblick über alle Regelungen und gesetzliche Vorgaben zu behalten, ist für Betroffene und selbst für Ärzte oder manche Beratungsstelle nicht einfach möglich", so Yankers. Das sechsköpfige Team von Betanet habe es sich daher zu Aufgabe gemacht, zu unterstützen. Neben Yankers, einer studierten Betriebswirtin und Sozialrechtlerin, sind deshalb fünf weitere Frauen an Bord - Sozialpädagoginnen, eine ehemalige Pflegedienstleiterin einer Palliativeinrichtung und eine Juristin mit Spezialgebiet Sozialrecht.
Betanet hilft bei Fragen rund ums Sozialrecht
Betanet ist eine gemeinnützige Einrichtung des Beta-Instituts, die sich über Sponsoring, Spenden und den Verkauf ausgewählter Inhalte unter anderem an Firmen aus dem Gesundheitsbereich, Verlage oder Beratungsplattformen finanziert. Das gemeinnützige Institut wurde vom Augsburger Pharma-Unternehmen Betapharm gegründet, agiere aber komplett unabhängig und alle Inhalte orientierten sich ausschließlich an aktuellen medizinischen Leitlinien und seien werbefrei.
"Das ist uns wichtig", betont Yankers. Das Portal und die Mitarbeiterinnen dahinter könnten zudem keine Rechtsberatung liefern, sondern lediglich Informationen bereitstellen und weiterführende Hilfsangebote benennen. Betanet klärt Fragen zu finanziellen Leistungen der Kranken-, Pflege-, Renten- und Unfallversicherung und wo man diese beantragen kann. Juristin Luisa Milazzo unterstützt bei nötigen Widersprüchen zu verweigerten Leistungen - mit Vordrucken oder Formulierungshilfen. Beispielsweise dann, wenn der Pflegegrad zu niedrig angesetzt worden ist.
Betanet sei eine der größten Datenbanken rund um das Sozialrecht im deutschsprachigen Raum, schätzt Janina Del Giudice ein. Sie ist eine der Mitarbeiterinnen und war zuvor in der Sozialberatung einer ambulanten Rehaeinrichtung tätig. "Hier hatte ich eine halbe Stunde, um in den individuellen Fall der Patienten einzusteigen. Das reicht einfach nicht", erzählt sie. Bei Betanet könne sich das Team ohne Druck kümmern, dazu werde interdisziplinär gearbeitet, das Wissen ständig erweitert. Daher werde Betanet auch von Ärzten, Apothekern und Beratungsstellen genutzt.
Augsburger Plattform Betanet soll für mehr Gerechtigkeit sorgen
An manchen Tagen mache es sie wütend, dass Menschen nicht zu ihrem Recht kämen, weil sie schlicht nicht wüssten, wie sie sich helfen könnten, sagt Yankers. "Unsere Juristin hat von einem Fall erzählt, bei dem eine Frau verhungert ist, weil sie Sorge hatte, dass ihre Kinder bezahlen müssten, wenn sie ins Pflegeheim geht." Zwar sei dies ein Extrembeispiel, aber die Zahl der Menschen, die Angst hätten, ihre Pflege nicht mehr bezahlen zu können, sei zuletzt deutlich gestiegen. "Daher sind wir um jeden Fall froh, wo wir aufzeigen können, welche Möglichkeiten es trotzdem gibt, versorgt zu werden", sagt Yankers. Mit Betanet, so hoffen sie und ihre Kolleginnen, könnten sie einen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit leisten.
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