Schwäbischer Handelschef zu Karstadt-Aus: "Szenario Leerstand wäre fatal"
Das Karstadt-Aus hat Andreas Gärtner vom Handelsverband Schwaben überrascht. Er spricht über Auswirkungen auf Augsburg – und Perspektiven der Mitarbeiter.
Herr Gärtner, die Nachricht, dass die Augsburger Filiale von Galeria Karstadt Kaufhof im August geschlossen werden soll, kam für viele überraschend. Auch für Sie?
Andreas Gärtner: Ja, und ich kann die Entscheidung auch nicht zu 100 Prozent nachvollziehen. Stadtgröße und Einzugsgebiet von Augsburg sind interessant, die Rahmenbedingungen gut. Diese Entscheidung ist sehr hart – vor allem für die Mitarbeiter, aber auch für Stadt und Handel in Augsburg. Ganz aufgeben darf man die Hoffnung nicht, alle Gespräche zu diesem Thema sind wahrscheinlich noch nicht geführt. Aber man muss auch realistisch sein.
Ist ein solches Ende mit Schrecken nicht besser als ein Schrecken ohne Ende? Das Modell Warenhaus steht schon länger auf dem Prüfstand, finanzielle Nöte prägen die Branche seit Jahren.
Gärtner: Fakt ist: Der extreme Frequenzbringer aus dem Umland, wie es vielleicht vor 20 Jahren der Fall war, ist Galeria schon länger nicht mehr. Aber natürlich ist das Haus nach wie vor ein sehr wichtiger Faktor für die Innenstadt, gerade in dieser exponierten Lage.
Wie viel Chance, wie viel Risiko liegt in der Entwicklung eines so großen wie exponierten Gebäudes?
Gärtner: Es ist natürlich nicht einfach, solch große Flächen zeitgemäß zu belegen. Dass sie nach Karstadt Galeria Kaufhof auf dieselbe Weise genutzt werden – also Handel über mehrere Etagen – ist eher unwahrscheinlich. Umso mehr wird es darauf ankommen, dass der Immobilieneigentümer ein Nutzungskonzept entwickelt, das mittel- und langfristig ein attraktiver Anziehungspunkt in der Stadt ist.
Wie kann und soll das gelingen?
Gärtner: Ich hoffe, dass der Eigentümer dazu schon einen Plan in der Schublade hat. Natürlich ist das kein Wunschkonzert, die Lösungen müssen genehmigungsfähig sein, aber vorstellbar wäre vieles. Ich gehe davon aus, dass Handel im Erdgeschoss bleiben wird, vielleicht auch in Keller und erstem Stock. Im Bereich darüber ist die Frage, wie entwickelbar diese Flächen sind. Vielleicht mit Wohnen, vielleicht mit Freizeit, vielleicht mit städtischen Einrichtungen? Möglich sind unterschiedlichste Nutzungskonzepte. Aber in einer solchen Innenstadt-Lage geht es meist nicht ohne Kompromisse. Und natürlich ist in diesen Fällen immer auch die Frage, wie viel der Eigentümer investieren kann und will.
Die Nachricht der Schließung hat auch im Innenstadt-Handel Unruhe und Sorgen befeuert. Von welchen Auswirkungen gehen Sie aus?
Gärtner: Es ist ganz entscheidend, dass kein Domino-Effekt entsteht. Je früher umsetzbare Konzepte am Start sind – vielleicht noch nicht sofort umgesetzt, aber immerhin kommuniziert –, desto besser. Was auf keinen Fall eintreten darf, ist ein neuer "Fall Woolworth". Das Szenario Leerstand wäre fatal und für das ganze Umfeld extrem schwierig zu kompensieren. Eine schnelle Lösung wäre wünschenswert.
Ist absehbar, wie es mit dem Aldi-Supermarkt im Keller weitergeht?
Gärtner: Das ist eine der Fragen, die es nun zu beantworten gilt. Fest steht: Aldi ist ein Gewinn für die Innenstadt – so, wie auch die anderen Supermärkte.
In der Augsburger Galeria Karstadt Kaufhof-Filiale sind 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Welche Perspektiven haben sie?
Gärtner: Ob der Sozialplan und das Überführen in eine Transfergesellschaft so kommen wie angekündigt, muss man abwarten. Im Grundsatz ist der Arbeitsmarkt im Handel aufnahmefähig. Wir haben nach wie vor die Situation, dass wir quer durch alle Branchen nicht alle Stellen besetzen können. Der höchste Bedarf besteht im Lebensmittelhandel. Die Perspektive, im Handel wieder unterzukommen, ist also definitiv da. Allerdings: Wer neu in einem Unternehmen einsteigt, bekommt vielleicht nicht dasselbe Angebot wie nach 20 Jahren bei Galeria Karstadt. Das ist hart, allerdings sind auch sehr viele Unternehmen massiv am Kämpfen.
Das klingt, als sei die Unsicherheit allgemein groß.
Gärtner: Das stimmt – gerade, wenn jetzt ein so großes Unternehmen wegzubrechen droht. Für die betroffenen Mitarbeiter ist das am tragischsten, aber auch Händler in der Nähe haben Sorge, dass ihnen Frequenz wegbricht. Es geht auch um die Stadt insgesamt als Einkaufsstandort. Trotzdem gilt es, zuversichtlich zu bleiben – und ich sehe auch Anlass dazu. Augsburg ist und bleibt attraktiv.
Zur Person: Andreas Gärtner ist seit 2019 Bezirksgeschäftsführer des Handelsverbands Schwaben.
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In der Vergangenheit war immer wieder davon die Rede, dass der Standort sicher und erhalten werden soll. Soweit aus Pressemitteilungen zu erkennen war, sollte die Verkaufsfläche verkleinert und damit die Miete reduziert werden. In dem früheren Lotto- und Totoverkaufsraum sind derzeit Umbau- und Änderungsarbeiten erkennbar. Von keiner Seite wurden die nachvollziehbaren Gründe für die Schließung der Augsburger Filiale erklärt und veröffentlicht. Die jetzige Handhabung ist meiner Meinung nach nicht erklär- und nachvollziehbar.
nun, in allen Artikeln zum Thema spricht man vom Eigentümer, Investor, neuen Plänen usw.
An keiner Stelle wurde bis dato genannt wer denn nun der tatsächliche Eigentümer der Immobilie ist? Sollte es so wie an anderen Standorten sein das die Immobilie einer Firma der insolventen Benko-Group gehört, dann könnte es mit einer Immobilienentwicklung dauern....!?
In anderen Veröffentlichungen zu diesem Thema wurden gerade die hohen Mieten als k.o.-Kriterium benannt. Da stellt sich mir wieder die Frage wie das Eigentümer-Konstrukt ist , wohin die Gelder fließen und wer hier welche Interessen hat - Folge der Spur des Geldes!
In etlichen Artikeln war als Eigentümer die Fa. SOLIDAS (Sitz in Gersthofen) genannt. Dieser Firma gehört auch das Schwaben-Center, wo nichts voran geht.
Solidas hat das Karstadt Gebäude 2020 gekauft.
Spektulation: Der von Karstadt sicher geforderte langfristige Mietvertrag war nicht mit den Einkaufs- und Finanzierungskonditionen in Übereinstimmung zu bekommen. Nur ein Masochist würde sich aktuell eine völlige Neukonzeption eines solchen Gebäudes freiwillig ans Bein binden.
Der stockende Projektverlauf beim Schwabencenter wurde schon genannt.
Dann gibt es noch das Projekt im Bahnpark, bei welchem der Partner Gerch in die Insolvenz ging.
https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/augsburg-investor-insolvent-wie-geht-es-am-alten-bahngelaende-weiter-id67658951.html
Und in Oberhausen hat Solidas auch noch einen Rest neben potenten Partner behalten:
https://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/augsburg-650-neue-wohnungen-in-oberhausen-firma-solidas-verraet-details-id67422301.html
Da sorgt bpd absehbar für ein breites Angebot - dazu parallel etwas zu machen? - alles sehr spannend...
Danke für die Links ...
Irgendwie habe ich das komische Gefühl das dieses noch gar nicht so lange exisiterende "Familienunternehmen" das gleiche Geschäftsmodell hat wie der insolvente Benko - bei niedrigsten Zinsen fremdfinanziert mit schnellem Wachstum imme rneue Investoren anlocken usw.
Das man für die Umsetzung der Projekte dann aber auch eine Menge know-how, viele, viele Fach-Handwerker und vor allem weitere Finanzierungsrunden braucht um dann irgendwann überhaupt Geld zu verdienen, wirtd in Zeiten von höheren Zinsen und Fachkräftemangel immer schwieriger.
Auch wenn ich den Ankerpunkt in der Augsburger Innenstadt vermissen werde, so würde ich nicht ein müden Cent aus der Staatskasse (sprich meine Steuern) oder staatliche Bürgschaften an dieses private Unternehmen geben. Man kann nicht am Staat und der Regierung herummäkeln das dieser einem unternehmerisch im Weg steht um in der Krise dann doch nach dem Staat und Steuergeldern zu rufen.
Wie ein guter Kapitän - entweder als letzter von Bord oder erhobenen Hauptes mit dem Schiff untergehen.