Sophia Brommer singt zugunsten von pipistrellus pipistrellus
Das gab's noch nie in der Geschichte der Christenheit: Der Fledermaus-Benefiz-Abend in Heilig Kreuz mit Sektempfang und einer in Augsburg bekannten Opernsängerin.
Dass dieser Abend vor dem Altar in evangelisch Heilig Kreuz allerlei Berührungsängste gegenüber Sachfremden in der Glaubensverkündigung gehabt hätte, kann nun wirklich nicht behauptet werden. Er besaß keine Berührungsangst gegenüber der Operette und einem Wiener Freuden-Etablissement; er besaß keine Berührungsangst gegenüber einer Kurtisane der Lebestadt Paris; er besaß auch keine Berührungsangst gegenüber Glücksspiel, Sektausschank, Spendeneintreibung sowie gelegentlich phrasenhafter Emphase. Und er mied dezidiert Berührungsangst gegenüber seinem Kern, der einst in unseren Breiten mit dem Gottseibeiuns in Verbindung gebracht wurde, dem selbst in der Bibel bedrohliche Eigenarten zugeschrieben sind – siehe Wikipedia.
Dieser Kern aber war die Fledermaus, die hoch droben von Heilig Kreuz haust, genauer: die Zwergfledermaus, präzise: pipistrellus pipistrellus aus der Familie der Glattnasen. Rund 200 dieser Tierchen umflattern nächtens den Turm – erst 2021 entdeckt und seitdem natürlich offiziell schützenswert. Dies aber kostet Geld aus der Kirchenkasse. Und um dort etwaigem Mangel abzuhelfen, geschah nun das, was geboten ist: ein Fundraising-, Benefiz-, Wohltätigkeitsabend zugunsten pipistrellus pipistrellus. Das gab Pfarrer Ratz selbstredend Anlass zu einigen liebevoll-ironischen Anmerkungen: Gleichsam über Nacht sei die Gemeinde im Jahr 2021 – bei ansonsten allgemein sinkenden Kirchenmitgliedszahlen – um 200 Seelen reicher geworden; und er sei sich hinreichend sicher, dass es in der ganzen Christengeschichte noch nie solch einen Fledermausabend in einem Gotteshaus gegeben habe.
Benefizaktion für Schutz der Fledermäuse im Kirchturm Heilig Kreuz
Wir möchten es ungeprüft glauben – und auch die nun faktisch notwendige Ausdehnung der Seelsorge von Heilig Kreuz. Vielleicht ist da auch gar nicht so viel zu leisten, wie manch einer denkt. Denn wer genau hinhörte bei dem ausführlichen Fledermaus-Referat von Anika Lustig (Koordinationsstelle für Fledermausschutz Südbayern), der erfuhr auch, dass das – neben den Flughunden – einzige fliegende Säugetier ein außerordentlich soziales Wesen ist: Unabhängig von Verwandtschaftsverhältnissen helfe es sich gegenseitig. Womit sich zweifelsohne die Interessen von Gläubigen und Fledermäusen treffen.
Wie viel wert aber ist ein Benefiz-Abend ohne Musik, Verlosung und Sektempfang? Er ist allenfalls die Hälfte wert. Hinsichtlich des ersten Punkts jedenfalls animierte eine Künstlerin zur Übernahme von Fledermaus-Patenschaften à 50, 100 sowie unbegrenztem Euro-Nennwert, die in Augsburg schon vielfach Begeisterung erntete – seinerzeit am Theater, wo sie etliche Mittelpunktsrollen sang: die Mimi, die Donna Anna, die Susanna. Ihr Name: Sophia Brommer, als Gemeindemitglied noch immer in Augsburg wohnend, aber viel in auswärtigen Opernhäusern gastierend. Nach der durch Stephan Kaller dichterisch vorwärtsgetriebenen ersten Chopin-Polonaise sang sie mit Aplomb die Gounod-Arie "Je veux vive" (quasi als Interessensvertreterin der Heilig-Kreuz-Fledermäuse) sowie dramatisch attackenreich und virtuos Violettas Arie "È strano ..." aus Verdis "Traviata". Nun erschallten Bravo-Rufe aus den Kirchenbänken. Das Publikum war deutlich animiert.
Freilich durfte Straußens "Fledermaus" an diesem Abend nicht fehlen. Doch Sophia Brommer sang – begleitet von Stephan Kaller – nicht "Die Fledermaus hat's verschuldet, tralalalala, was wir heut erduldet". Sondern sie sang den Czárdás "Klänge der Heimat" und – sehr einfühlsam – zur Zugabe "O mio babbino caro" aus Puccinis "Gianni Schicchi". Alles zusammen genommen: eine Patenschaft wert.
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