Diese Tagesstätte hilft psychisch Kranken bei der Rückkehr in den Alltag
Wie läuft die Arbeit mit psychisch Kranken? Ein Besuch in der Tagesstätte der Caritas in Landsberg gibt einen Einblick in die Arbeit, die dort geleistet wird.
Eine psychische Erkrankung muss keine Sackgasse sein. Einrichtungen wie die Tagesstätte für psychische Gesundheit der Caritas Landsberg geben Tagesstruktur, ermöglichen soziale Kontakte und bieten mit dem Zuverdienstmodell Erkrankten eine sanfte Vorbereitung auf den Wiedereinstieg ins Berufsleben. Während Therapieplätze rar sind, gibt es bei der Tagesstätte noch freie Plätze.
Im wintergartenähnlichen Esszimmer hat sich eine Runde Kartenspieler bei einer Tasse Kaffee eingefunden. Nebenan in der Küche warten frisch eingekaufte Zutaten darauf, unter Anleitung von Marianne Wörle zu einem Mittagessen verarbeitet zu werden. Im „Sockenraum“ wird gerade meditiert; an anderen Tagen findet hier Yoga statt, Gymnastik oder Qigong. Gegenüber in der Nähstube sitzt Claudia F. (Namen von der Redaktion geändert) und häkelt - zu Weihnachten entstehen Sterne, unterm Jahr Bauernhoftiere oder Obst. Die 60-Jährige ist im Juni 2022 zur Tagesstätte gekommen, hat hier Anschluss gefunden und verdient sich über das Zuverdienstmodell etwas dazu. Ihre Handarbeiten werden an verkaufsoffenen Vormittagen im Caritaszentrum oder im Laden der Herzogsägmühle in Peiting verkauft.
Ausgerechnet während des Corona-Lockdowns zog F. nach Landsberg, konnte lange keinen Anschluss finden und war zudem stark belastet durch einen Burnout sowie die lebensbedrohlichen Erkrankungen von zwei ihrer Kinder. „Ich konnte zu Hause schlecht mit mir allein sein“, erzählt F., die inzwischen Erwerbsminderungsrente bezieht, im Gespräch mit unserer Redaktion. Den Weg zur Tagesstätte in der Lechstraße fand sie jedoch lange nicht: „Ich dachte, das sei nur etwas für Menschen mit schweren psychischen Störungen.“
Die Einrichtung steht für alle Menschen mit psychischen Erkrankungen offen
Ein häufiges Vorurteil, wie Mariella Mathia, Leiterin der Tagesstätte, bestätigt. Dabei stehe die Einrichtung für alle Menschen mit psychischen Erkrankungen offen, ohne ärztliche Überweisung, ohne Kosten, ohne Anmeldung. Einzige Bedingung: ein Erstgespräch, in dem geklärt wird, ob die Tagesstätte tatsächlich das ist, was der Interessent braucht. Die meisten Besucher seien chronisch erkrankt, für viele sei die Tagesstätte ein Zufluchtsort, so Mathia. Zwar gibt es in der Tagesstätte ein vielfältiges Angebot mit Basteln, Bewegung, Musik, Mittagessen oder Frühstück, Ausflügen und Festen und für die Menschen im Zuverdienst kreative oder auch handwerkliche Arbeiten. Grundlage der Einrichtung ist jedoch die Begegnung zwischen Mitarbeitenden und Besuchern auf Augenhöhe und ein Zusammenleben ähnlich einer Wohngemeinschaft. „Wir duzen uns alle, und jeder übernimmt einen kleinen Teil der anfallenden Aufgaben im Haushalt“, erklärt Mathia.
Psychisch Erkrankte schaffen es oft nicht, ihren Tag zu strukturieren. Kommen sie während einer Akutphase ins Krankenhaus und werden nach Besserung entlassen, verschlimmert sich zu Hause die Krankheit oft, was zu erneutem Krankenhausaufenthalt führt. ‚Drehtürpatienten‘ werden diese Erkrankten deshalb genannt. „Regelmäßige Besuche in der Tagesstätte können diese Rückfälle hinauszögern oder vermeiden. Das ist nicht nur für die Betroffenen besser, sondern entlastet auch die Krankenhäuser und das Gesundheitssystem“, so Mathia. Die Tagesstätte existiert seit 2001, früher war sie im sogenannten Doktorbauerhaus am Bayertor angesiedelt. 2021 zog sie in das neue Caritasgebäude in der Lechstraße um, hat nun deutlich mehr Platz und kann noch Besucher aufnehmen. Derzeit liegt die Altersspanne der Besucher bei 27 bis 85 Jahren mit einem Schwerpunkt bei den 45- bis 65-Jährigen. Doch kämen immer mehr Jüngere, zeigt Mathia Veränderungen auf. „Immer mehr auch junge Menschen können die Stressfaktoren unserer Zeit nicht mehr kompensieren.“
Einen Zwang, sich für ein Angebot zu entscheiden, gibt es nicht
Zu den jungen Besuchern gehört der 28-jährige Raphael S. (Namen von der Redaktion geändert). S. hat schon einiges hinter sich – Angststörungen, Depressionen, Aufenthalte in Reha-Einrichtungen, Unterbringung in einer betreuten Wohngruppe der Herzogsägmühle. „Nach der Reha hat sich mein Leben leer angefühlt. Ich hatte keinen Auftrag. Ich bin hierher gekommen, um etwas zu tun zu haben“, berichtet S., der sich an drei Tagen der Woche bei der Zubereitung des gemeinschaftlichen Mittagessens einbringt. Einen Zwang, sich für ein Angebot zu entscheiden, gibt es nicht. Besucher können auch einfach nur kommen und vom warmherzigen, hilfsbereiten Miteinander, auch unter den Betroffenen, profitieren.
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