"Das Potenzial für Allergien ist riesig"
Filigran rankt sich eine exotische Pflanze in heimischen Gärten, die zur tückischen Plage für Allergiker werden könnte: die Ambrosia. Das beifußähnliche Gewächs aus Nordamerika beunruhigt Gesundheitsexperten und Allergologen.
Von Barbara Feneberg, Freising. Filigran rankt sich eine exotische Pflanze in heimischen Gärten, die zur tückischen Plage für Allergiker werden könnte: die Ambrosia.
Erst kürzlich wurden in Augsburg und Umgebung in einer Säuberungsaktion zahlreiche Pflanzen vernichtet. Das beifußähnliche Gewächs aus Nordamerika beunruhigt Gesundheitsexperten und Allergologen. Zu Recht - sagt Klaus Gehring von der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising. Er leitet die Arbeitsgruppe für Herbologie und Unkrautkontrolle.
Herr Gehring, was ist denn an der Ambrosia so gefährlich?
Gehring: Die Pollen der Ambrosia sind nicht nur hochallergen, sondern - und das ist das Gemeine daran - sie können Allergien auslösen. Es kann gut sein, dass Sie in Ungarn - wo die Pflanze sehr verbreitet ist - beim Zelten zwei Wochen zwischen Ambrosia-Pflanzen schlafen und nach dem Urlaub allergisch auf Pollen reagieren. Keine andere Pflanze hat so ein riesiges Allergiepotenzial wie Ambrosia. Im schlimmsten Fall erkranken Sie an Asthma.
Die Pflanze stammt eigentlich aus Nordamerika. Wie hat sie es geschafft, auch bei uns Wurzeln zu schlagen?
Gehring: Es ist der klassische Weg des globalisierten Warenverkehrs. In der Nachkriegszeit kamen Ambrosia-Samen im Saatgut von Sonnenblumen und Maispflanzen nach Osteuropa. Dort wuchert die Pflanze bis heute als Unkraut auf den Feldern. Die Samen werden unter anderem zu Vogelfutter verarbeitet und der Ambrosia-Samen ist untergemischt. Es gibt keine Qualitätsstandards, die eine Filterung verlangen - und das wäre zudem sehr schwierig. Der Vogelbesitzer kippt beim Säubern des Käfigs die Reste des Futters ins Gras. Und schon ist es passiert.
Das heißt, Vogelbesitzer sind Schuld an der Ambrosia-Invasion?
Gehring: Nein, das habe ich überspitzt formuliert. Jedes Kind weiß, dass Vogelfutter eine Fundgrube für exotische Pflanzen ist. Das habe ich als Bub selber ausprobiert. Die Ambrosia-Samen kommen über verschiedene Wege: Pollenflug, in Gartenerde oder er hängt ganz profan irgendwo an einem Laster. Nur haben wir jetzt eine neue Dimension erreicht: Keine andere Pflanze breitet sich derzeit so stark aus wie Ambrosia. Da müssen wir etwas tun.
Und was genau tun Sie?
Gehring: Wir sind seit Anfang des Jahres dabei zu dokumentieren, wo Ambrosia-Bestände in Bayern großflächig vorkommen. Wir wissen, dass die Pflanze seit mindestens fünf Jahren bereits in Deutschland wächst. Und wahrscheinlich werden wir sie auch nicht mehr los.
Das heißt, es gibt keine wirksame Methode die Pflanze zu vernichten?
Gehring: Aus meiner fachlichen Sicht ist eine Bekämpfung hoffnungslos. Ich kenne das Ausrottungsprogramm in der Schweiz. Dort kämpft man seit Jahren gegen Ambrosia und das erfolglos. Sobald sich die Pflanze einmal vermehrt hat, ist eine vollständige Vernichtung unmöglich. Wir können nur versuchen, den Zeitpunkt hinauszuzögern, an dem wir uns eingestehen müssen, dass sich Ambrosia flächendeckend in Deutschland angesiedelt hat.
Aber was mache ich denn, wenn ich Ambrosia in meinem Garten entdecke?
Gehring: Erstmal sollten Sie sich nicht über die neue, exotische Pflanze vor der Terrasse freuen, sondern alles mit Stiel und Wurzeln ausreißen. Und am besten, bevor das Gewächs blüht.
Hat die Klimaveränderung dazu beigetragen, dass sich die Ambrosia in unseren Gefilden wohlfühlt?
Gehring: Wenn Sie so wollen. Ambrosia ist eine wärmeliebende Pflanze. Sie kann lange Phasen mit hohen Temperaturen überstehen. Zudem ist sie langlebig und ihr Samen überlebt gut 40 Jahre im Boden.
Gibt es noch andere Pflanzen, die sich - sozusagen im Zuge der Globalisierung - bei uns ansiedeln?
Gehring: Schon allein im Vogelfutter steckt ja alles mögliche drin, denken Sie nur an Klatschmohn oder Cannabis.
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