Bahn in der Region: Über viele Strecken ist Gras gewachsen
Die Region Schwaben und Oberbayern ist voller Bahnstrecken, über die mittlerweile längst das Gras gewachsen ist. Von Joachim Bomhard
Von der Großmutter wurde immer erzählt, dass sie vor über 100 Jahren - aus der mecklenburgischen Heimat kommend - über Nürnberg, Gunzenhausen und Nördlingen erstmals zu ihren künftigen Schwiegereltern nach Augsburg gefahren sei. Das war der seit 1849 übliche Weg auf der historischen Ludwig-Nord-Süd-Bahn von Hof bis Lindau und zeugt von der ursprünglichen Bedeutung des Bahnknotens Nördlingen.
Der schleichende Niedergang begann hier bereits 1906, als die Technologie so weit fortgeschritten war, dass die Bahn mit ihren nun stärkeren Lokomotiven die fränkisch-schwäbische Alb zwischen Treuchtlingen und Donauwörth auf einer schon früher geplanten Strecke überqueren konnte. In fünf Richtungen konnte man einst von Nördlingen aus mit der Eisenbahn fahren: zuerst nach Nürnberg und Augsburg, später über Aalen nach Stuttgart (ab 1863), über Dinkelsbühl nach Feuchtwangen und Dombühl (durchgehend ab 1881) und ins nahe Wemding (1903).
Der Knoten ist heute ein Durchgangsbahnhof zwischen Aalen und Donauwörth. Sowohl auf der einstigen Hauptstrecke nach Gunzenhausen als auch nach Feuchtwangen - auf beiden Strecken wurde der reguläre Personenverkehr 1985 eingestellt - fahren noch Museumszüge. Für die Wemdinger Bahn, deren Aus nach 78 Jahren 1981 besiegelt wurde, gibt es immer wieder mal ergebnislose Überlegungen für eine touristische Nutzung. Im Wemdinger Ried gehört sie ohnehin schon den Naturschützern.
Was diese drei stillgelegten Strecken gemeinsam haben: Hier liegen noch die Schienen. Anderswo wurden sie beseitigt, um die Trasse als bequemen Radweg zu nutzen. Das bot sich an, weil die Bahn ja keine größeren Steigungen überwinden konnte. Schöne Beispiele hierfür sind die 1899 eröffnete und bereits 1963 stillgelegte Bahnstrecke von Marktoberdorf nach Lechbruck im Ostallgäu und die "Weldenbahn" von Augsburg nach Welden, auf der die Züge von 1903 bis zum 21. Januar 1986 verkehrten.
Häufig verschwanden die letzten stählernen Spuren einer stillgelegten Strecke auch erst Jahrzehnte nach der Stilllegung, wie etwa die knapp neun Kilometer zwischen Gundelfingen (Donautalbahn) und Sontheim/Brenz an der "Brenzbahn Ulm-Aalen", wo schon 1956 Feierabend war. Nicht nur alte Landkarten, sondern auch Satellitenbilder machen es aber möglich, dem Trassenverlauf heute noch zu folgen, obwohl Gras darüber gewachsen ist - etwa zwischen Dillingen, Neresheim und Aalen, wo 1906 bis 1972 die Schmalspur-"Härtsfeldbahn" verkehrte. Ähnlich ist es zwischen Kaufbeuren und Schongau oder von Kempten aus nach Isny. Häufig verweisen auch verwaiste Bahnhofstraßen in einem Dorf oder einsame Brücken ohne Funktion auf die frühere Eisenbahngeschichte.
Zwei Strecken blieben in ihrer aus heutiger Sicht relativ kurzen Zeit des Bestehens Rumpfstücke: Dinkelscherben-Thannhausen (Personenverkehr 1894 bis 1966) und Pfaffenhausen-Kirchheim/Schwaben (1909 bis 1960). Überlegungen nach dem Ersten Weltkrieg, auch Thannhausen und Kirchheim im Mindeltal miteinander zu verbinden, zerschlugen sich spätestens 1923 mit der Inflation.
Traum von der Wiederbelebung der Staudenbahn
Eine Besonderheit in der Region ist sicherlich die Staudenbahn durch Augsburgs Westliche Wälder von Gessertshausen über Markt Wald nach Türkheim. Hier hat die damalige Bundesbahn 1991 den Personenverkehr eingestellt. Doch überall liegen noch die Gleise. Wegen Baufälligkeit darf zwischen Ettringen und Markt Wald heute kein Zug fahren. Aber zumindest zwischen Gessertshausen und Langenneufnach ist der Zug nicht endgültig abgefahren. Noch immer wird hin und her gerechnet, ob es auf wirtschaftlicher Basis möglich ist, neben Güterzügen regelmäßig Personenzüge fahren zu lassen. Es wäre die erste Wiederbelebung zwischen dem Allgäu und dem Nördlinger Ries. Von Joachim Bomhard
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