Der Kampf gegen den Schnee schmiedet die Menschen zusammen
Deggendorf (dpa/lby) - Mit einer riesigen Kraftleistung haben die Menschen das Schneechaos in Ostbayern in den Griff bekommen. Nachdem kaum noch neuer Schnee fiel, entspannte sich am Wochenende die Lage in Niederbayern und der Oberpfalz zunehmend. Die Räumarbeiten auf den Dächern und in den Straßen müssten an diesem Montag nur noch in deutlich reduziertem Umfang fortgesetzt werden, kündigten die Krisenstäbe an. In vielen Gebieten steht nun Aufräumen auf dem Programm.
Bei den Einsätzen in den sechs Landkreisen, die Katastrophenalarm ausgerufen hatten, mühten sich weit mehr als 10_000 Feuerwehrleute, Bundeswehrsoldaten, Polizisten, Helfer des Technischen Hilfswerks und des Roten Kreuzes sowie Freiwillige bis zur Erschöpfung. Die Helfer schafften es meist rechtzeitig, die mehr als 1000 einsturzgefährdeten Häuser von den mitunter zwei Meter hohen Schneeschichten zu befreien.
Allerdings fielen dennoch etliche Scheunen und Lagerhallen unter der schweren Last in sich zusammen. Immer wieder mussten Menschen ihre Wohnungen verlassen und vorübergehend in Notunterkünften unterkommen. Auch für die Helfer war es gefährlich: Zwei Menschen starben nach Stürzen vom Dach, andere wurden teils schwer verletzt.
Gelobt wurden bei dem Einsatz von allen Seiten das Engagement und die reibungslose Kooperation. "Das ist großartig, wie das hier abläuft", sagte Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) bei einem Besuch im Krisengebiet am Samstag. "Die Zusammenarbeit klappt 1 a", bestätigte der Deggendorfer Kreisbrandrat Leopold Schmid.
So führte das Schneechaos auch zu einem Helfer-Tourismus. Einsatzkräfte aus fast allen Landesteilen machten sich auf den Weg in die Krisenregion. Auf den Autobahnen gab es lange Fahrzeugkolonnen von Feuerwehren aus dem Kreis Nürnberger Land oder dem Raum Dachau. "Das ist eine bayernweite Hilfsaktion, anders wäre es gar nicht möglich", erklärt Schmid.
Sogar aus anderen Bundesländern fuhren Spezialisten in den Bayerischen Wald. Aus Hessen und Thüringen kamen Schneefräsen, um die gigantischen weißen Berge von den Fahrbahnen schaffen. Gut ausgebaute Straßen waren wegen des Ausnahmewetters zu nur noch einspurigen Verbindungen geworden. An den Rändern lag so viel Schnee, dass keine zwei Autos mehr aneinander vorbei passten. Bürger wurden aufgefordert, auf Privatfahrten zu verzichten, damit die Wege für die Helfer frei bleiben. Mit Baggern und Traktoren wurde die weiße Last weggeschafft, so entstanden fünf bis sechs Meter hohe Schneehalden.
Hubert Roth und seinen beiden Söhnen wurde es bei den tagelangen Schneefällen besonders mulmig. Die drei waren auf einem abgelegenen Gehöft in Grafling fünf Tage lang von der Außenwelt abgeschnitten. "Als es am Dienstag anfing zu schneien, habe ich noch schnell eingekauft, damit wir nicht hungern und darben müssen", berichtet Roth. Danach sei es auch zu Fuß nicht mehr möglich gewesen, den Bauernhof zu verlassen.
Erst am Sonntag wurde die Straße von der Bundeswehr mit einem Radlader geräumt. Da die Vorräte zu Neige gingen, sei es höchste Zeit gewesen, berichtete Roth. Nun hofft der 56-Jährige, dass seine Scheunen die Schneelast weiter aushalten. Ein Räumen der Dächer sei viel zu gefährlich, sagt Roth und betrachtet den einsetzenden leichten Schneefall skeptisch. "Jetzt zählt jede Flocke."
Doch nach dem großen Kriseneinsatz bleiben auch viele Fragen: So ist unklar, warum die vielen Gebäudebesitzer nicht schon nach der Einsturzkatastrophe von Bad Reichenhall, bei der Anfang Januar 15 Menschen starben, den seit November auf den Dächern liegenden Schnee weggeschafft haben. "Damit hat wahrscheinlich keiner gerechnet, dass es noch so schlimm wird", meint Einsatzleiter Schmid.
Auch Ministerpräsident Stoiber zeigte Verständnis für die Hauseigentümer. Wegen der ungewöhnlichen Wetterlage sei der neu gefallene Schnee immer wieder auf den Gebäuden festgefroren und nicht heruntergerutscht. "Die letzten 20 bis 25 Jahre hatten wir keinen so harten Winter", betonte der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU).
Dennoch könnte die Serie von Gebäudeeinstürzen in den vergangenen Wochen Folgen haben. Eine von der Staatsregierung eingesetzte Arbeitsgruppe von Experten soll die Fälle begutachten und Lösungen vorschlagen. "Wir werden mit großer Geschwindigkeit die Ursachen ermitteln und daraus die Konsequenzen ziehen", versprach Beckstein.
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