Im Allgäu lodern auch heute wieder die Funkenfeuer
Das erste Wochenende nach Fasching hat für das Allgäu eine große Bedeutung: Fast jeder Ort veranstaltet Funkenfeuer. Was hinter dem Brauch steckt, erklärt ein Heimatforscher.
Im Allgäu, da gibt es sie noch: die Hexenverbrennung. Dabei handelt es sich aber um keine Märchenwesen, die zaubern können, sondern vielmehr um lebensgroße Puppen aus Stroh. Bei den Allgäuer Funkenfeuern werden alljährlich am ersten Wochenende nach Fasching Feuer entzündet. Warum dieser heidnische Brauch besonders im christlich geprägten Allgäu aufrecht gehalten wird, erklärt der Heimatforscher Berthold Büchele.
Herr Büchele, am Wochenende finden im Allgäu wieder viele Funkenfeuer statt. Woher kommt dieser Brauch?
Berthold Büchele: Auf was das Funkenfeuer zurückgeht, da gibt es verschiedene Theorien. Zum einen könnte es einen Bezug zu keltischen Opferfeiern haben, zum anderen gab es auch germanische Bräuche, bei denen Menschen verbrannt wurden. Auf diese Weise huldigte man dem Fruchtbarkeitskult. Die Kirche versuchte diese heidnischen Bräuche zu unterbinden, da sie als gotteslästerlich gesehen wurden. Darüber gibt es interessante Berichte aus Synoden im fünften und sechsten Jahrhundert.
Wie hat sich die Tradition dann weiterentwickelt?
Büchele: Das Funkenfeuer wurde zu einem Fruchtbarkeitsritus. Das Feuer wurde entzündet, um das Böse von der Ernte fernzuhalten. Das Böse ist in diesem Fall der Winter, der auf diese Weise ausgetrieben werden soll.
Warum werden gerade Hexen-Puppen verbrannt?
Büchele: Als Kind hat man immer zu uns gesagt, dass sei die Hexe. Wenn man die Strohpuppe verbrennt, verbrennt man auch das Böse. Da passt es gut zusammen, dass im Allgäu die letzte als „Hexe“ verurteilte Frau in Deutschland verbrannt wurde. Das war im Jahr 1745.
Warum finden die Funkenfeuer gerade im Allgäu statt?
Büchele: Wie bei vielen Bräuchen gilt: Je näher an den Bergen, desto eher werden Traditionen bewahrt. Das liegt vor allem daran, dass die Gebiete früher weiter weg von der Zivilisation waren.
Gibt es dann auch Funkenfeuer außerhalb des Allgäus?
Büchele: In der Schweiz und in Vorarlberg werden ebenfalls Funken entfacht.
Ist es nicht kurios, dass gerade im christlich geprägten Allgäu so ein heidnischer Brauch wach gehalten wird?
Büchele: Tatsache ist, dass es im Allgäu ein seltsames Nebeneinander von christlichen und heidnischen Bräuchen gibt. Hier werden noch Traditionen bewahrt, die anderswo verloren gegangen sind. Auch bei der Mundart ist dies zu beobachten.
Für jemanden, der diesen Brauch nicht kennt: Wie läuft ein Funkenfeuer ab?
Büchele: In unserem Dorf sammeln Jugendliche schon Wochen vorher Reisig und Holz. Da kommen ganze Wagenladungen zusammen. Auch im Gemeindeblättchen steht, dass die Christbäume nicht entsorgt, sondern für das Feuer bereitgestellt werden sollen. Am Funkensonntag wird dann aus Holzpaletten ein Gerüst gebaut. Um dieses werden Bretter und Reisig geschichtet. So entsteht ein Scheiterhaufen mit rund fünf bis sechs Metern Höhe und einem Durchmesser von in etwa zehn Metern. Beim Aufstellen wird ein Hohlraum gelassen. In diesem wird dann das Feuer entzündet.
Was ist das Faszinierende an dem Funkenfeuer?
Büchele: Es entsteht ein wahnsinniges Feuer. Das ist schon sehr eindrucksvoll. Gerade für Kinder ist das ein großes Spektakel.
Wissen denn die Menschen noch, welcher tiefere Sinn hinter diesem Brauchtum steht?
Büchele: Für viele ist es sicherlich nur noch eine Gaudi oder sie sehen es als nettes Fest. Da besteht schon die Gefahr, dass das Funkenfeuer wie so viele andere Bräuche ausgehöhlt wird. Aber bei uns ist der Brauchtum noch sehr lebendig.
Das passiert beim Funkenfeuer:
Wo am Sonntag Funkenfeuer zu sehen sind:
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19:00 Uhr Bad Hindelang
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19:00 Uhr Blaichach/Bihlerdorf
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18:00 Uhr Bolsterlang Hörnerbahn (Talstation)
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18:00 Uhr Buchenberg, am Feuerwehrhaus
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19:00 Uhr Burgberg, Weinberghöhe
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19:00 Uhr Gestratz
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19:00 Uhr Fischen/Langenwang
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18:30 Uhr Haldenwang
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18:30 Uhr Hegge/Waltenhofen
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20:00 Uhr Jungholz
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18:00 Uhr Lindenberg/Kellershub
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18:30 Uhr Marktoberdorf
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18:00 Uhr Obermaiselstein
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19:00 Uhr Ofterschwang, in Tiefenberg, Hüttenberg und Sigishofen
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19:30 Uhr Oy-Mittelberg
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19:00 Uhr Rettenberg
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19:00 Uhr Wertach
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19:00 Uhr Wolfertschwenden/Niederdorfer Straße beim Bauhof
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