Gutachten: Dillinger nicht verhandlungsfähig
Einem 89-Jährigen aus Dillingen soll in Rom wegen Kriegsverbrechen der Prozess gemacht werden. Beim Auftakt aber wird der Angeklagte gar nicht anwesend sein.
Dillingen/Rom Für die deutsche Justiz war der Fall vor drei Jahren erledigt. Sie stellte das Verfahren gegen einen 89-jährigen Dillinger wegen einer angeblichen Beteiligung an der Erschießung italienischer Soldaten während des Zweiten Weltkrieges ein. Über 65 Jahre nach dem Massaker von Kephallonia rollt nun die italienische Justiz den Fall wieder auf. Ab morgen beginnt, wie berichtet, vor dem Militärgericht in Rom eine Vorverhandlung, in der geprüft wird, ob ein Tatverdacht für die Eröffnung des Hauptverfahrens besteht.
Der Dillinger wird nicht persönlich anwesend sein. Er kann es offensichtlich auch gar nicht. Seinem Strafverteidiger Georg Zengerle liegt ein aktuelles psychiatrisches Gutachten über den 89-jährigen Mann vor. Er wird betreut und leidet an "einer fortgeschrittenen, ausgeprägten und irreversiblen demenziellen Erkrankung", heißt es in dem Schreiben. "Laut dem Gutachten ist er nicht verhandlungsfähig", so Zengerle.
Deshalb könne nach Ansicht der Verteidigung der Prozess nicht stattfinden. Eine menschenwürdige und rechtsstaatliche Verhandlung sei nicht möglich. Zengerle: "Mein Mandant wäre nur noch ein Objekt des Verfahrens; er könnte die Informationen weder verarbeiten noch dazu Stellung beziehen." Ein weiterer strittiger Punkt ist für Zengerle der späte Zeitpunkt des Verfahrens. "Die meisten Entlastungs- und Zeitzeugen sind bereits gestorben." Seinem Mandanten werde vorgeworfen, an der Erschießung italienischer Soldaten, insbesondere an der Erschießung des Generals Antonio Gandin, beteiligt gewesen zu sein. Gandin leitete im September 1943 die Division Acqui, eine mit 12 000 Soldaten besetzte Infanteriedivision.
Eine Strafbarkeit seines Mandanten käme, so Zengerle, wegen der extrem lange zurückliegenden Ereignisse heute nur dann noch in Betracht, wenn dessen Verhalten im juristischen Sinne als Beteiligung am Mord zu bewerten wäre. Gerade dies sieht der Verteidiger jedoch als nicht erwiesen an. "In dieser Form kann das meinem Mandanten nicht vorgeworfen werden", sagt er.
Familie leidet unter der Justiz
Zengerle rechnet damit, dass die italienische Justiz nach dem morgigen Termin ein eigenes Gutachten in Auftrag geben wird. Auch wenn der 89-Jährige von dem Prozess nichts mehr mitbekommt, würde seine Familie sehr unter der erneuten Prüfung der Justiz leiden. Sie betont, dass er nie Kommandant des 98. Gebirgsjägerregiments gewesen sei, sondern lediglich Befehle zu empfangen, auszuführen und gegebenenfalls weiterzuleiten gehabt habe.
Nachdem die Klärung dieser und anderer Fälle aus politischen Gründen zunächst zurückgestellt worden und dann in Vergessenheit geraten war, wird der Fall in Italien heute mit großem Medieninteresse verfolgt. Vor allem hatten auch die Nachfahren erschossener Offiziere auf eine Aufarbeitung der Geschehnisse aus dem Jahr 1943 gedrängt.
Die Diskussion ist geschlossen.