Warum Ingolstadt wegen Audi und VW in schräge Finanzlage gerät
Die Millionen von VW bleiben für die Stadt Ingolstadt aus. Das hat Auswirkungen auf geplante Großprojekte.
Die Situation ist beinahe grotesk: Einerseits meldet Audi jeden Monat nach wie vor neue Absatzrekorde und investiert viele Millionen Euro in den weiteren Ausbau des Mutterstandortes; andererseits ist die Stadt eben wegen Volkswagen und Audi jetzt in eine extrem schräge Finanzlage geraten.
Volkswagen überweist die Steuer für Audi nach Ingolstadt. Wie viel das ist, darüber gibt es mit Hinweis auf das Steuergeheimnis keine offiziellen Angaben. Aber es müssen in den vergangenen Jahren jeweils gut über 50 Millionen Euro gewesen sein. Nach dem Abgasskandal und der jüngsten Gewinnwarnung von Volkswagen steht nach den Angaben von Finanzbürgermeister Albert Wittmann aktuell fest, dass die Stadt bis mindestens 2017 gar keine Gewerbesteuer von Volkswagen erhalten wird. Das reißt ein Riesenloch. Großprojekte, wie die 100 Millionen Euro teure Generalsanierung des Stadttheaters oder das neue Museum für Konkrete Kunst und Design müssen voraussichtlich verschoben werden.
Nicht angesetzt werden soll der Rotstift bei den dringendsten Vorhaben, darunter fünf neue Schulen und zehn weitere Kindertagesstätten. Die Anforderungen durch die massive Bevölkerungsentwicklung könnten sonst nicht erfüllt werden, sagt der Kämmerer.
Der Finanzbürgermeister geht jetzt ans Eingemachte und greift die Rücklagen an. Das sind immerhin 350 Millionen Euro. Doch selbst diese Summe wird laut Wittmann bald aufgebraucht sein: Nur das aktuelle und das kommende Haushaltsjahr könnten damit finanziert werden. Danach müsse man wohl oder übel Kredite aufnehmen. Bis dato ist die Stadt schuldenfrei.
Die Balkendiagramme in den nun radikal abgeänderten Finanzplanungspapieren zeigen den Ernst der Lage auf einen Blick: Die Stadt erwartet in diesem Jahr demnach nur 70 Millionen Euro Gewerbesteuer. 2015 waren es noch 110 Millionen, obwohl Volkswagen da im letzten Quartal schon nichts mehr überwiesen hat. Einen besseren Vergleich bietet der Blick auf die Jahre davor: 2014 flossen noch 197 Millionen Euro und in 2013 waren es gar 245 Millionen. Und jetzt lediglich 70 Millionen. „Schreiben sie bitte nicht mehr, dass Ingolstadt eine reiche Stadt ist – das ist nun Vergangenheit“, sagte Wittmann diese Woche vor den Medien.
Auch die Bürger werden es in ihrem Geldbeutel merken, dass die Millionen von Volkswagen ausbleiben: Alle Gebühren werden jetzt überprüft. Die Stadt hat über Jahre Kindergärten, Musikschulen und Vereine mit viel Steuergeld unterstützt. Das soll nun Vergangenheit sein. Weil die Gebühren teils lange Zeit nicht angepasst wurden, sind in manchen Bereichen jetzt deutliche Sprünge nach oben nötig. Beispielsweise bei den Kindertagesstätten, wo man die Sätze um durchschnittlich 16 Prozent anheben möchte. Das hat bereits einen Sturm von Elternprotesten ausgelöst. Schwacher Trost: Die 33000 Beschäftigen von Audi verdienen nach wie vor überdurchschnittlich gut.
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