Er kleidete Italien in Noten
Augsburg/Kempten Sonntagabend, die letzten Bilder der "Tatort"-Folge "A gmahde Wiesn": Die Kamera fährt hoch, und es erklingt die "Schützenliesel". Ein passendes Stück zum Oktoberfest, bereits 55 Jahre alt. Geschrieben hat es Gerhard Winkler, einer der wohl einflussreichsten Komponisten aus der Zeit des klassischen deutschen Schlagers. Heute, vor 30 Jahren, war Winkler im Alter von 71 Jahren in Kempten gestorben - nach zwei schweren Lungenentzündungen.
"Als mein Mann die Schützenliesel schrieb, wollte er das Lied nicht mit seinem Namen zeichnen", erzählte am Montag seine Witwe Traudl Winkler. Die 85-Jährige, die noch immer in Kempten lebt, erklärt das so: "Da er Berliner war, glaubte er, man würde dem Winkler eine bayerische Polka nicht abnehmen. Und so wurde als Komponist ein "Ben Bern" angegeben.
Die meisten seiner zahlreichen Erfolge aber gingen als unsterbliche Winkler-Melodien in die Geschichte der unterhaltenden Musik ein. Kein Wunder, dass es inzwischen in Kempten auch einen Gerhard-Winkler-Weg gibt. Mit über tausend datierten Werken und über 300 musikalischen Entwürfen gehörte Winkler zu den Produktivsten seiner Branche. Ihn als Schlager-König zu bezeichnen, wäre nach Traudl Winklers Ansicht aber nur die halbe Wahrheit. Schließlich schrieb ihr Mann auch Orchestersuiten, Instrumentalwerke und Operetten - wie "Der Fürst von Monterosso", uraufgeführt 1960 in Augsburg.
Allerdings: 1943 schrieb Winkler ein Lied, das auf immer mit seinem Namen und dem des Sängers Rudi Schuricke verbunden ist. Es hieß "Caprifischer", und man hörte es, wenn man mit dem Boot zu der italienischen Mittelmeerinsel rüberfuhr. So mancher Alleinunterhalter erfreut noch heute die deutschen Gäste im Adria-Hotel mit der roten Sonne, die im Meer versinkt. Bereits 1936 komponierte Winkler "O mia bella Napoli", vier Jahre später das "Chianti-Lied", zu dem Ralph Maria Siegel, der Vater des Musikproduzenten Ralph Siegel, den Text beisteuerte. Damals wurden die Hits noch vorwiegend als Notenblätter verkauft - mit hübschen zeitgenössischen Illustrationen auf dem Deckblatt (siehe nebenstehendes "Chianti"-Bild). Der Weinschlager half dem Urlauber später sprachlich auf die Sprünge, wenn er in Italien Rebensaft bestellen wollte: Es hieß Kianti und nicht Tschianti.
Mit Winkler-Melodien über den Brenner
Ob "Frühling in Sorrent" oder "Wenn in Florenz die Rosen blühen" - die Deutschen hatten durch die Winkler-Melodien ein romantisches Italien-Bild vor Augen, als sie mit Lloyd und Isetta nach dem Krieg über den Brenner tuckerten.
"Eigentlich ist es die Vielseitigkeit der Kompositionen, die die Arbeit meines Vaters auszeichnet", meint Hans-Andreas Winkler (55), der in Potsdam das Gerhard-Winkler-Musikarchiv pflegt. Der Beweis: 164 unterschiedliche Titel wurden 2006 in Deutschland von Tanzkapellen und Alleinunterhaltern live aufgeführt. Für das nächste Jahr kündigt Winkler jun. eine CD mit Tangos und Seemannsliedern an.
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