Trotz Klimakrise: Bis zu 300.000 Bäume in Bayern gefällt
Bäume sind ein wichtiger Faktor im Kampf gegen überhitzte Städte. Dennoch wurden in Bayern in den vergangenen zehn Jahren Zigtausende abgeholzt. Der Bund Naturschutz hat nun klare Forderungen.
Bayern ächzt unter den derzeitig heißen Temperaturen. Gerade in größeren Städten, wo eng an eng gebaut wird, steht die warme Luft zwischen den oft mehrstöckigen Häuserreihen. Wie der Bund Naturschutz nun in einer Pressemitteilung erklärt hat, dürfte sich die Temperatur in Städten durch die zunehmende Nachverdichtung und die damit verbundene Flächenversiegelung immer mehr aufheizen. Der Klimawandel werde diese Situation in den kommenden Jahren zusätzlich verschärfen und das Leben dort immer unerträglicher machen, heißt es weiter. Wer Abkühlung sucht, tut also gut daran, sich in einem Park unter einen schattenspendenden Baum zu setzen.
Wie wichtig gerade Bäume für das Mikroklima in einer Stadt sind, weiß Christopher Busch, Baumexperte beim Bund Naturschutz. Ihm zufolge liefert eine beispielsweise 60-jährige Linde eine Kühlleistung von 20.000 Kilowattstunden. Das entspreche circa 140 Kühlschränken oder drei bis vier Klimaanlagen für den Hausgebrauch. Da verwundert es, dass in den vergangenen zehn Jahren in den 15 größten bayerischen Städten und den Hauptstädten der Regierungsbezirke mindestens 165.500 Bäume gefällt worden sind.
Allein in München wurden in den vergangenen Jahren rund 100.000 Bäume gefällt
Da die Städte teilweise wegen einer fehlenden Erfassung nur sehr lückenhaftes Datenmaterial zu Baumfällungen liefern konnten, geht der Bund Naturschutz von einer weitaus höheren Dunkelziffer aus. Demnach seien 250.000 bis 300.000 Schattenspender abgeholzt worden. Spitzenreiter ist hier München mit knapp 100.000 gefällten Bäumen, gefolgt von Nürnberg mit knapp 18.000 und Würzburg mit gut 10.500. Vor allem Letztere sticht heraus, da sie nur die achtgrößte der vom Bund Naturschutz befragten Städte ist.
Diese Zahlen berücksichtigen allerdings nicht, dass in den vergangenen zehn Jahren auch Bäume nachgepflanzt worden sind. Wird die Anzahl der neu eingesetzten Pflanzen von den rund 300.000 gefällten Bäumen abgezogen, dann bleiben 45.000 bis 50.000 Bäume, die im Zeitraum von 2011 bis 2021 rein rechnerisch abgeholzt worden sind. Dabei sind Nachpflanzaktionen mit einem Problem verbunden: "Alte Bäume haben den Boden schon ganz anders erschlossen. Es dauert, bis nachgepflanzte Bäume ihre volle Wirkung entfalten", sagt Baumexperte Busch.
Bund Naturschutz-Chef Mergner: "Lebensumstände nicht mehr tragbar"
Richard Mergner, der Bund-Naturschutz-Vorsitzende, findet für die ganze Situation drastischere Worte: "Wir haben in unseren Städten Lebensumstände, die nicht mehr tragbar sind, gerade für ältere Menschen." Daher fordert er von der Bayerischen Staatsregierung, eine verpflichtende Baumverordnung in den bayerischen Kommunen einzuführen, die meisten größeren Städte hätten eine solche bereits. Darüber hinaus fände der Bund-Naturschutz-Vorsitzende ein Baumkataster sinnvoll. Somit könnte festgestellt werden, wo alle Bäume einer Stadt stehen und wann sie zum Beispiel gewässert werden müssen. Zudem fordert er eine Änderung der Bayerischen Bauordnung, denn: "Hier in Bayern sind Bäume immer noch die Leidtragenden."
Grundlos werden Bäume aber meist nicht abgeholzt, wie ein Blick nach Augsburg zeigt. Immer wieder gab es in der Fuggerstadt Ärger über geplante und dann zum Teil auch durchgeführte Fällungen. Ein Beispiel dafür sind die Abholzungen im Augsburger Stadtwald. Die Empörung war groß, aber viele Eschen konnten wegen eines tödlichen Pilzes nicht stehen bleiben. Gleichzeitig wurden aber auch gesunde Pflanzen in deren Umfeld gefällt. Forstamtschef Kirchner sprach damals von "unvermeidlichen Kollateralschäden".
Wie Reiner Erben, Umweltreferent der Stadt Augsburg, unserer Redaktion des Weiteren mitteilte, sollen von November 2022 bis März 2023 circa 400 neue Bäume gepflanzt werden. Größere Fällmaßnahmen seien in Augsburg überdies derzeit nicht geplant.
Die Diskussion ist geschlossen.