Schreie, Beleidigungen, Drohungen: Das erleben Mitarbeiterinnen in Arztpraxen
Die Beschäftigten in Augsburger Haus- und Kinderarztpraxen werden beschimpft, bis Tränen fließen - vor allem, wenn es um Impfungen geht. Was sie sich wünschen.
In der anhaltenden Corona-Pandemie scheinen manche Menschen die einfachsten Regeln des Anstandes zu vergessen. Vor allem in Arztpraxen wird der Ton der Patientinnen und Patienten rauer. Da werde geschrien, beleidigt und gedroht, bis bei den Frauen an der Anmeldung die Tränen fließen, berichten Ärzte. Während die medizinischen Fachangestellten (MFA) in der Praxis Überstunden und Wochenenddienste schieben, um die Ärzte bei der Impfkampagne zu unterstützen, haben viele Patienten keine freundliches Wort für sie übrig. "Es fehlt an Respekt und Wertschätzung", sagt der ärztliche Leiter des Augsburger Impfzentrums, Dr. Andreas Schneider, der das Problem in seiner Arztpraxis regelmäßig miterleben muss.
"Es ist einfach der Hammer, was sich manche Menschen gegenüber den MFAs rausnehmen", ärgert sich der Mediziner. Das Problem trete in Wellen auf - immer, wenn das Interesse an einer Corona-Impfung besonders hoch sei, riefen Menschen an, die glaubten, mit Beleidigungen bei den Empfangsdamen etwas erreichen zu können. "Erst vor Kurzem bin ich in meine Praxis gekommen, und eine meiner Mitarbeiterinnen saß mit Tränen in den Augen da, weil sie ein Patient am Telefon so angegangen ist", berichtet er. Fast immer handle es sich um neue Patienten, die dringend einen Impftermin wollten und nicht akzeptieren könnten, "dass der Impfstoff gerade nur für unsere Bestandspatienten reicht", sagt der Arzt.
Bei den eigenen Patienten komme es auch vor, dass sie sich danebenbenehmen - aber erheblich seltener. "In unserer Praxis brauchen wir einen vernünftigen Umgangston - wer das nicht versteht, muss sich einen anderen Arzt suchen", sagt er bestimmt. Allerdings bekomme er nicht immer mit, wenn sich jemand in der Praxis gegenüber den Mitarbeiterinnen ungebührlich verhalte.
"Oft ist ein Patient bei mir lammfromm, und ich erfahre erst im Nachhinein, dass er unmittelbar zuvor eine Mitarbeiterin angeschnauzt hat", so der Arzt. Das Beispiel sei kein Einzelfall, so Schneider. Ein Arztkollege aus Dillingen habe vor Kurzem gleich vier Kündigungen auf dem Tisch gehabt, weil seine medizinischen Fachangestellten die Unverschämtheiten der Patienten nicht mehr aushalten wollten.
Quarantäne, Impftermin, Testergebnis: Gründe für Beschwerden gibt es viele
Das Problem ist nicht auf Hausarztpraxen beschränkt. Auch beim Kinderarzt bekommen die Damen am Telefon einiges zu hören. "Wir sind eigentlich an allem schuld", sagt MFA Vanessa Hartauer aus einer Pferseer Kinderarztpraxis. "Die Leute beschimpfen uns wegen der Quarantäne-Regeln, wegen ihres Testergebnisses oder wenn sie im Impfzentrum keinen Termin bekommen haben." Seit zwei Jahren gäben sie und ihre Kolleginnen ihr Bestes, aber so ein Verhalten gehe irgendwann an die Substanz.
"Ich habe manchmal das Gefühl, die Menschen nehmen gar nicht wahr, was wir in den Arztpraxen jeden Tag leisten", sagt die Frau. An fast keinem anderen Arbeitsplatz komme man so direkt mit Corona-Patienten in Kontakt, das gelte für Allgemeinarzt-Praxen genauso wie für Kinderärzte. Seit Beginn der Impfkampagne opferten auch die MFAs ihre freien Nachmittage und Samstage, um an der Seite der Ärzte zu impfen. "Ich hatte seit über einem Jahr keinen freien Nachmittag mehr", berichtet Hartauer. "Wir alle lieben unseren Job und sind wirklich gerne für die Patienten da - aber etwas Wertschätzung würde uns auch guttun", sagt sie - und nennt ein weiteres Anliegen.
Für Medizinische Fachangestellte gibt es keinen Corona-Bonus
Unfair findet sie, dass die Mitarbeiterinnen in den Arztpraxen keinen Corona-Bonus bekommen. "Es leisten viele Menschen in den Kliniken und an anderen Stellen gerade einen tollen Job in der Pandemie und sollen natürlich den Corona-Bonus als Anerkennung bekommen", findet sie. Aber warum ausgerechnet die MFAs davon ausgeschlossen sind, will ihr nicht in den Kopf. "Wir leisten seit Beginn der Pandemie eine enorme Mehrarbeit - warum also gilt der Bonus nicht auch für uns?" fragt sie.
Viele Ärzte, wie auch ihre Chefin, die Kinder- und Jugendärztin Anke Steuerer, bezahlen ihrem Personal einen Bonus aus der eigenen Tasche. Das gehe in Ordnung, sagt Steuerer, aber ändere nichts daran, dass die MFAs offenbar in der Politik keine Lobby haben. "Der Corona-Bonus ist eine Anerkennung der Politik für besondere Anstrengungen in der Corona-Krise - und den haben die MFAs auf jeden Fall verdient", unterstützt sie die Forderung ihrer Mitarbeiterinnen. Vonseiten des Kinderärzte-Verbandes habe man sich schon wiederholt bei der Politik für eine Einbeziehung der MFAs in den Bonus eingesetzt - bislang ohne Erfolg.
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Sowohl "Damen am Empfang" und von MFA rein in der weiblichen Form zu sprechen ist sexistisch - in beide Richtungen. Weder ist Empfangspersonal immer rein weiblich, noch sind MFA immer Frauen (so z. B. bei unserem Kinderarzt). Unabhängig davon kann ich das Verhalten mancher Patienten einfach immer weniger nachvollziehen.