Ein Überholmanöver bei Lauingen bringt ihn vor Gericht
Ein heute 20-Jähriger überholt und übersieht bei Veitriedhausen ein entgegenkommendes Auto. Jetzt muss er sich vor dem Dillinger Amtsgericht verantworten.
Ein 19-Jähriger ist mit seinem Auto auf der Straße von Veitriedhausen Richtung Lauingen unterwegs. Es ist der Morgen des 7. Juli 2023, kurz vor 8 Uhr. Die kurvige Strecke kennt er gut, denn er fährt sie fast täglich. An diesem Tag ist er etwas spät dran. Gleichzeitig fährt ein Landwirt mit seinem Traktor samt Anhänger vor ihm in die gleiche Richtung, das verlangsamt ihn. Er versucht, auf der Gegenfahrbahn der unübersichtlichen Straße entgegenkommenden Verkehr zu erkennen, der Weg scheint für ihn frei zu sein. Also setzt er zum Überholen an – und sieht sich einem entgegenkommenden Auto gegenüber. Dessen Fahrer reagiert gerade noch so, lenkt seinen Golf in die Leitplanke und wird schwer verletzt. Der Berufsschüler weicht nach rechts aus, rammt das landwirtschaftliche Gespann, das er überholen wollte, und wird dabei ebenfalls schwer verletzt. Jetzt sitzt er auf der Anklagebank des Dillinger Amtsgerichts. Der Vorwurf: grob rechtswidriges und rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr mit fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger Körperverletzung.
Dass er den Unfall verursacht hat, räumt der heute 20-Jährige direkt zu Beginn der Verhandlung ein. Nicht jedoch, dass er rechtswidrig und rücksichtslos gehandelt haben soll. Auf der Strecke gebe es kein Überholverbot, stellt sein Rechtsanwalt heraus, zudem sagt der Beschuldigte, er habe rechts vom Gespann die Straße weitläufig einsehen können. "Sonst wäre ich niemals zum Überholen rausgefahren." Doch, dass sich dahinter bereits ein Auto befunden hat, konnte er nicht sehen. Die Folge seines Handelns bedauere er.
Der Angeklagte sucht den Kontakt zum Geschädigten
Nach dem Unfall habe er schnellstmöglich den Kontakt zum Geschädigten gesucht, sagt der Angeklagte. Er habe eine Telefonnummer bekommen, Anrufe bleiben jedoch unbeantwortet. Als er dem Geschädigten einen Brief schickt, meldet der sich schließlich telefonisch, wie der 34-Jährige bestätigt. Die Versicherung habe den Schaden relativ zügig reguliert, trotzdem trug der Geschädigte schwere Verletzungen davon. Er wurde im Auto eingeklemmt, erlitt unter anderem Quetschungen, ein Schädel-Hirn-Trauma und Brandmale vom Sicherheitsgurt. Nach einem Tag sei er zwar aus dem Krankenhaus entlassen worden, war aber einen Monat lang krankgeschrieben und bekam Medikamente gegen die Schmerzen.
Eine Polizistin, die damals vor Ort war, merkt bei ihrer Vernehmung an, dass die Sichtweite maximal 50 Meter betragen haben könne. Zudem sei in dieser Zeit das Gras hochgewachsen gewesen, das sei bei der Nachstellung des Unfallhergangs mit einem polizeieigenen Lkw aufgefallen. "Er hätte das Auto nicht sehen können", sagt sie überzeugt. Richterin Andrea Eisenbarth findet es ebenfalls "verwunderlich, dass es dort kein Überholverbot gibt". Die Staatsanwältin fordert in ihrem Plädoyer für den Angeklagten die Teilnahme an Verkehrsunterricht, 600 Euro Geldstrafe und eine Führerscheinsperre von sechs Monaten. Ihrer Meinung nach träfen die Vorwürfe aus der Anklageschrift zu. Der Verteidiger des Angeklagten beharrt darauf, dass Rechtswidrigkeit sowie Rücksichtslosigkeit in diesem Fall nicht zutreffen.
Richterin: "Das Verhalten war definitiv grob rechtswidrig."
In ihrer Urteilsbegründung erklärt Richterin Eisenbarth: "Grob rechtswidrig war Ihr Verhalten definitiv", aber Rücksichtslosigkeit könne sie dem Angeklagten nicht nachweisen. Denn: "Ich glaube nicht, dass Ihnen egal war, was mit den anderen Verkehrsteilnehmern ist." Ein großer Pluspunkt für den Angeklagten sei gewesen, dass er sich direkt nach dem Zustand des Geschädigten erkunden wollte. Zudem hatte er bis dato keine Eintragungen im Bundeszentralregister. Er muss im Juni am Verkehrsunterricht der Polizei Dillingen teilnehmen, 600 Euro an die Kreisverkehrswacht Dillingen zahlen und drei Monate lang seinen Führerschein abgeben. Und wird in Zukunft länger überlegen, ob er wirklich überholen möchte.
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Vor allem natürlich sein Auto! - Interessant, dass das Auto bei Ihnen an erster Stelle zu stehen scheint....
Der arme junge Mann! Jetzt muss er seinen Führerschein drei Monate lang abgeben- dabei musste er doch nur schnell zur Arbeit. War es denn überhaupt seine Schuld, immerhin gab es kein Überholverbot an der Stelle - ok, man konnte nur 50 m weit sehen, aber auf diese Entfernung war doch alles frei!
Da kann man ihm doch keinen Vorwurf machen. Und hat er nicht vorbildlich gehandelt, indem er versucht hat, zu dem Unfallopfer Kontakt aufzunehmen?
Freispruch wäre angebracht gewesen!
Das ist wohl nicht Ihr Ernst?
Wenn das Ihr Ernst ist möchte ich mit Ihnen und Ihrem Rechtsverständnis bitte nie etwas zu tun haben. Und bitte nehmen Sie nicht am Straßenverkehr teil. Es gibt nämlich auch noch andere Menschen. Die haben ein Recht auf ihr Eigentum (also ihr Auto) und auf Ihre körperliche Unversehrtheit!
Wenn das Ironie ist, ist die in diesem Fall komplett fehl am Platze.
In beiden Fällen ist es ein Hohn auf das Unfallopfer, welcher sein Auto und seine Gesundheit eingebüßt hat.
Genau - das Auto steht bei Ihnen, liebe Helga W., ja wohl eindeutig an erster Stelle!