Katz-und-Maus-Spiel mit dem Leser
1300 Wörter am Tag, alle halbe Jahr ein Buch: Die Bestsellerautorin Ursula Poznanski will Jugendliche mit ihren Thrillern unterhalten. Und sie auch zum Nachdenken anregen
Ursula Poznanski liebt es, dieses Katz-und-Maus-Spiel, das sie mit dem Leser treibt: ihn auf falsche Fährten zu führen, die Handlung in vielen Wendungen am Laufen zu halten, Nebenfiguren auf einmal mehr Gewicht zu geben und den Unterschied zwischen Sein und Schein verschwinden zu lassen.
Und die 48-Jährige liebt es, sich dabei auch ein wenig selbst zu überraschen. „Es ist wie ein Wettbewerb zwischen dem Leser und mir: Schaffe ich es, ihn aufs Glatteis zu führen?“, führt die Wiener Autorin fast ein wenig amüsiert aus – und wirft ihre langen Haare über die Schulter.
Poznanski, eine der erfolgreichsten Jugendautorinnen im deutschsprachigen Raum, war gerade wieder auf Lesereise. Ulm, Marktoberdorf, Schwabmünchen hat die Österreicherin unter anderem angesteuert, in Buchhandlungen und Schulaulen gelesen und dabei erzählt, wie ihre Bücher entstehen. 16 Thriller sind inzwischen erschienen, in erster Linie für Jugendliche, einige auch für Erwachsene. Etwa 800000-mal hat sich ihr 2010 erschienenes Debüt „Erebos“ bis heute verkauft und ihr den Jugendliteraturpreis der Jugendjury eingebracht. Poznanskis Bücher werden sogar von denen gelesen, die als Problemgruppe unter den Lesern gelten, den heranwachsenden Jungen zwischen 14 und 16 Jahren.
Die Erklärung dafür: Poznanskis Erzählstil ist atemlos-fesselnd, ihre Sprache ohne Schnörkel, aber nicht lapidar, ihre Themen sind brandaktuell. Meist widmen sie sich technischen Entwicklungen, setzen sich mit digitalen Errungenschaften wie Computerspielen, Fitness-Armbändern, Datenbrillen, Drohnen und deren zwiespältigem Gebrauch auseinander.
Über Themen stolpert Poznanski täglich, etwa wenn sie in der Zeitung liest, dass Amazon in entlegenen Gebieten der USA Drohnen einsetzen möchte, die die Adressaten über das Handy orten, bevor sie die Päckchen zustellen. „Wenn Drohnen Handys orten können, dann kann man damit bestimmt auch noch etwas anderes anstellen als Päckchen ausliefern“, dachte sich Poznanski, und damit war die Idee für ihren zuletzt erschienenen Thriller „Elanus“ geboren. Die Wirklichkeit und ihre Möglichkeiten denkt sie gern noch ein wenig weiter.
Immer geht es in ihren Büchern um die Manipulierbarkeit durch Technik. „Wie setzt jemand diesen technischen Fortschritt ein, um ein Ziel zu verfolgen“ – das interessiert Ursula Poznanski. Als Botschaft möchte sie das jedoch nicht verstanden wissen; den Anspruch zu belehren hat sie nicht. Sie will unterhalten, „schließlich darf ich jemanden, der zu so dicken Büchern greift, nicht langweilen.“ Dennoch verbindet sie den spannenden Plot mit eindringlichen Szenen und Charakteren sehr geschickt und unaufdringlich mit einer weiteren Ebene, die zur Auseinandersetzung einlädt. Auseinandersetzung über wissenschaftliche Ethik, über die Gruppendynamik in Cliquen, über Machtmissbrauch, über Freundschaft. Zum Nachdenken zwingen will sie niemand, bei Jugendlichen trifft sie damit einen Nerv.
Wie es ist, mit Büchern zu leben, kennt Ursula Poznanski nicht erst, seit sie selbst welche schreibt. Alles aus den Regalen der Eltern habe sie verschlungen, „von Thomas Mann bis ,Angelique‘. ,Der Graf von Monte Christo‘ sogar zehnmal“. Geschichten hat sie sich schon in der Jugend gern ausgedacht und aufgeschrieben – allerdings fehlte da noch der lange Atem: „Nach 20 Seiten wusste ich nicht mehr weiter“, erzählt sie. Deshalb begann sie erst einmal zu studieren, was die Wiener Uni so anbot: Japanologie, Rechtswissenschaft, Publizistik, Theaterwissenschaft. Einen Abschluss hat sie in keinem der Fächer gemacht. Dafür begann sie, als freie Medizinjournalistin zu arbeiten. Erst mit der Geburt ihres Sohnes wandte sie sich dann dem literarischen Schreiben zu. Zwischen Hausarbeit, Kinderbetreuung und Medizinartikeln entstanden ihre ersten Kinderbücher mit Laptop auf dem Küchentisch.
Mittlerweile ist die Familie aus der Wiener Mietwohnung in ein Haus umgezogen, dort gibt es unter dem Dach nun auch ein eigenes Arbeitszimmer für die Autorin. Nach Arbeit sieht es aber trotzdem nicht aus, wenn Ursula Poznanski ihre Bücher schreibt. Mit dem Laptop auf den Knien lümmelt sie gern auf dem Sofa und tippt ihre Geschichten herunter. 1300 Wörter nimmt sie sich täglich vor – egal ob sie diese wie aus Stein meißeln muss oder sie ihr aus den Fingern fliegen. Alle halbe Jahr hat sie einen ihrer 400-Seiten-Wälzer fertig. Im August erscheint „Aquila“. Wie sie ihre Leser da wohl aufs Glatteis führt?
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