
Unvergessene Fälle, die Bild-Zeitung und ein kühler Kopf: der Polizeichef in Rain sagt Servus

Plus Ralf Schurius hat die Polizeiinspektion Rain verlassen. Zum Abschied wirft der ehemalige PI-Leiter einen Blick zurück. Warum es in der Tillystadt so schön war.

"Schön war's! Und ich hab die Zeit in Rain sehr genossen!" Als sich Erster Polizeihauptkommissar Ralf Schurius jetzt in den Ruhestand verabschiedet und nach 43 Dienstjahren Rückschau hält, tut er das mit einem sehr positiven Fazit. Dennoch hat es natürlich immer wieder auch Herausforderungen gegeben in diesem Beruf, der oft mit Konflikten zu tun hat. In die Schlagzeilen ist Ralf Schurius als Leiter der PI Rain gleich zweimal geraten - und beide Male hätte er gern darauf verzichtet, wie er sich schmunzelnd erinnert.
Es gibt Situationen, die lassen sich nicht im Handbuch nachschlagen. Als während des Corona-Lockdowns über 100 Trauergäste den Rainer Friedhof aufsuchten, stand auch die Polizei Rain im Fokus. Der Fall ging im Februar 2021 durch die Medien und die Bild-Zeitung schrieb von "Behörden-Zoff im Landkreis Donau-Ries". Letztendlich wurde die Beerdigung aus Pietätsgründen geduldet, obwohl sie den geltenden Regeln nicht standhielt. "Hätten wir sie mit Polizeigewalt aufgelöst, wären wir in der 'Bild' auf dem Titel gelandet", kommentiert Schurius ironisch. "So aber standen wir lediglich auf Seite fünf."
Als die Jugendstil-Türe verschwunden war, zeigte sich Schurius entsetzt
Die zweite Schlagzeile galt dem historischen Portal der PI Rain. Das Staatliche Bauamt tauschte es - zunächst unbemerkt - gegen eine moderne Sicherheitstüre aus. Im April 2018 schrieb unsere Zeitung: "Die alte Jugendstil-Türe ist verschwunden ... Warum auch der PI-Leiter entsetzt ist". Dass Ralf Schurius ein Interview mit diesem Tenor gab, stieß an höherer Stelle auf wenig Begeisterung. Er musste sich erklären. Das Ergebnis aber freut ihn: Denn nach allen Protesten in Summe kam die schmucke Türe dorthin zurück, wohin sie gehört.
Allzu oft wird Ralf Schurius wohl nicht mehr durch dieses Portal treten. Besuche bei den Kollegen - ja, die wird es sicher geben, denn sein Team hat es ihm mit Kollegialität leicht gemacht, die PI Rain zu leiten. Doch die Zeit für Stippvisiten wird knapp bemessen sein. Jetzt stehen Ehefrau, Wohnmobil und Segelboot an erster Stelle. "Ich werde wohl bevorzugt am Atlantik anzutreffen sein", freut sich Schurius.
An diesem Tag aber lässt er sich noch einmal gern vor dem einstigen "corpus delicti" fotografieren. Das Chefzimmer gehört allerdings schon seinem Nachfolger Peter Grießer und zum Gespräch nimmt er in der Besucherecke Platz. Gelegentlich werfen Kollegen ein paar herzliche Worte zur offenen Tür herein. "Das ist es, was ich so geschätzt hab", sagt deren Ex-Chef, "diese Kameradschaft, mit der einer für den anderen da ist! Es ist ein Glücksfall, wenn man so ein Personal hat, wie es bei mir der Fall war."
Mit 52 Jahren hat sich Schurius zum letzten Mal geprügelt
Gern war er ja überall. "Ich war 30 Jahre auf der Straße", sagt Schurius, der es im Streifendienst mit Fällen aller Art zu tun hatte. "Immer wenn es was Gröberes gab, war ich draußen." Seine Ausbildung hat er in Königsbrunn absolviert, "wo es teilweise noch militärisch zuging". Seine erste von drei verschiedenen Dienstwaffen war noch ein Modell der Wehrmacht. Ebenso trug er drei verschiedene Uniformen: eine graue aus den 60er/70er-Jahren, die altbekannte grüne und zuletzt die moderne blaue.
Unmittelbar bevor Ralf Schurius nach Rain kam, war er in "Augsburg Mitte" eingesetzt. "In der Großstadt geht's schon anders zu, da kommt es oft zu Aggressivität und Tätlichkeiten. Mit 52 Jahren hab ich dort zum letzten Mal im Dienst gerauft", erzählt Schurius, der den Wechsel in die Provinz als sehr angenehm beschreibt. Nicht nur, dass die PI Rain als eine der sichersten Dienststellen Bayerns gilt. Der Polizist hat sich sofort heimisch gefühlt auf dem Land. "Dort kennt man auch seine Pappenheimer, das hat bei den Ermittlungen oft geholfen."

Etwa als es um die Aufklärung der Fahrrad-Diebstahlserie ging, die im vergangenen Jahr die Bevölkerung beunruhigt hat. Rund 20 Mal schlug der Dieb zu - heute sitzt er im Gefängnis. "Wir hatten ihn schon lang im Verdacht, konnten ihm aber zunächst nichts nachweisen."
Es gibt Bilder, die einen Polizisten ein Leben lang verfolgen
Fälle, die ihm immer wieder an die Nieren gehen, sind solche, in denen es um Menschenleben geht. In seinem letzten Dienstjahr wurde er im Sommer an den Unfallort bei Wallerdorf gerufen, wo die beiden jungen Fußballer des TSV Rain im Auto an einen Baum geprallt waren und starben. "Das war unglaublich tragisch und bei etlichen lagen die Nerven blank." Schurius spricht allen Kollegen ein großes Lob aus: "Da kommt ein Einsatz über Funk und es heißt lediglich: schwerer Verkehrsunfall. Man weiß nicht, was auf einen zukommt und muss im Chaos einen kühlen Kopf bewahren. Das ist vielleicht die größte Herausforderung in unserem Beruf."
Schreckliche Bilder sind es, mit denen Polizisten immer wieder konfrontiert werden. "Sie verfolgen einen lebenslang, auch wenn sie mit der Zeit verblassen." Das Schlimmste, was Schurius je erlebt hat, war der Einsatz nach einem Suizid. Er wurde zum Leichnam einer jungen Mutter gerufen, die sich im Keller erhängt hatte. Bei ihrem toten Körper kauerten die vier- und fünf Jahre alten, weinenden Kinder.
Schurius wischt die schlimmen Bilder beiseite und wechselt das Thema. Er outet sich als "Sprachtalent". Sprachtalent? "Nun ja, ich war ja im Grenzbereich zwischen Nordschwaben, Schwaben und Altbayern zuständig", schildert er und sein Grinsen wird breiter. "Ich kann sagen: Ich beherrsche alle drei Dialekte." Wie es sich mit seinem Portugiesisch verhält, bleibt indes ein Geheimnis. Das aber wird er im Rentnerurlaub öfter brauchen als Schwäbisch und Bayerisch. Die Vorfreude des Neu-Ruheständlers auf den neuen Lebensabschnitt ist groß: "Ich genieße es, mehr Freiheit zu haben!"
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