Hebamme erzählt: „Häufig sind Mütter überrascht über die Realität“
Kathrin Vogg arbeitet als Hebamme in Friedberg. Sie weiß: Das Leben junger Mütter ist meist nicht so rosig, wie es in sozialen Medien gezeigt wird.
Am Muttertag könnte Kathrin Vogg vielen Frauen die Hand schütteln – denn zahlreiche Mütter hat sie schon begleitet. Wenn es um die Geburt einer Landkreisbürgerin oder eines -bürgers geht, findet man sie häufig im Kreißsaal des Friedberger Krankenhauses. Ihre Tätigkeit empfindet Vogg nicht als bloßen Job, sondern als Berufung. Abwechselnd mit elf Kolleginnen betreut sie junge Mütter aus der Umgebung. Eine Aufgabe, für die es viel Einfühlungsvermögen braucht.
Die Frau mit den langen schwarzen Locken öffnet eine Tür und zeigt einen der zwei Kreißsäle, außerdem gibt es auf der Geburtsstation ein freundlich gestaltetes Wehenzimmer mit Doppelbett. An die Räume grenzt jeweils ein Badezimmer an, schließlich sind Wassergeburten schon lange Standard. Manchmal verlaufe eine Geburt blitzschnell, erzählt die Hebamme: „Es waren schon Paare da, bei denen alles nur fünf Minuten gedauert hat.“ Die Regel sei das natürlich nicht – oft schickt sie werdende Eltern wieder nach Hause, weil diese zu früh dran sind. Im Jahr 2023 erblickten auf der Friedberger Geburtenstation 660 Babys das Licht der Welt. Der Hebamme zufolge bleibt der Freund oder Ehemann meist mit dabei, um seelische Unterstützung zu leisten.
Hebammen-Team Natalis bietet in Friedberg auch Kurse an
Eltern seien heute informierter, so Vogg, die nach bestandener Fachhochschulreife die Hebammenschule besucht hat. Ihr Weg führte die gebürtige Augsburgerin zunächst ans Klinikum Rechts der Isar in München. Seit vier Jahren arbeitet Kathrin Vogg, die inzwischen in Gablingen lebt, als freie Beleghebamme in Friedberg. Sie ist nicht angestellt, sondern selbstständig und rechnet direkt mit den Krankenkassen ab. „Die Dokumentationspflicht kostet inzwischen einen Tag pro Monat“, sagt die 41-Jährige. Auf der Straße wird sie öfter erkannt, schließlich hält sie während der Nachsorge auch längeren persönlichen Kontakt. Das schließt Überstunden mit ein: Wer als Hebamme arbeiten möchte, dürfe nicht ständig auf die Uhr schielen. Die regulären Dienste dauerten zwölf Stunden. Auch am Wochenende ist das Damenteam von „Natalis“ (Latein für Geburtstag), zu dem Vogg gehört, im Einsatz. Zusätzlich zur Arbeit im Kreißsaal stehen regelmäßig Vorbereitungskurse, Infoabende oder Rückbildungskurse an.
Viel Service für ein überschaubares Gehalt – im April sind seit 2017 die Entgelte erstmals wieder gestiegen, um fünf Prozent. Pro Geburt steht seitdem eine Pauschale von 165,50 Euro auf der Habenseite. Für einen Wochenbettbesuch gibt es seit der Erhöhung 40,34 Euro, eine Kursstunde wird pro Frau mit 8,35 Euro vergütet – alles vor Abzug der Steuern sowie manchmal der Raummiete oder anderer Nebenkosten. Hinzu kommt die mit jährlich fast 13.000 Euro kostspielige Haftpflichtversicherung. Denn gerade bei Geburten kann es zu folgenreichen Fehlern kommen. „Wir tragen eine große Verantwortung“, sagt die selbstständige Hebamme: „Da geht es keineswegs nur um Babyschaukeln und Windelnwechseln.“
Geburtshelferin Kathrin Vogg schätzt ihre Arbeit in Friedberg
Viele in der Branche finden die Entlohnung zu gering sowie das Berufsrisiko zu hoch. Und hören auf. Dabei arbeiten sie in einem Bereich, der dringend benötigt wird: „Kinderärzte und Gynäkologen haben weder die Zeit noch die Möglichkeit, Schwangere oder Wöchnerinnen in diesem Umfang betreuen.“ Vogg selbst würde ihren Beruf niemals aufgeben, dafür liebt sie ihn zu innig. An ihrer jetzigen Arbeitsstelle an den Kliniken an der Paar gefällt es Kathrin Vogg nach eigenen Worten sehr gut: „Der Dienst in München war deutlich stressiger, oft habe ich dort drei oder mehr Frauen gleichzeitig bei der Geburt begleitet.“ In Friedberg sei meist eine Eins-zu-eins-Betreuung möglich. Falls nötig, könne jederzeit ein Bereitschaftsdienst hinzugezogen werden. Anästhesisten sowie Frauenärzte befänden sich rund um die Uhr im Haus. Mit Geburtshilfe werde zwar allgemein nicht viel Geld verdient, dennoch sei eine flächendeckende Versorgung werdender Mütter unumgänglich.
Kathrin Vogg bedauert, dass es in Augsburg keine Hebammenschule mehr gebe, sondern einen immerhin „voll belegten“ Studiengang. Auf die Teilnehmer – auch ein Mann befindet sich unter den Studenten – warten später mal Mütter, die ihre Informationen aus den sozialen Medien beziehen. Dazu die ehemalige Münchnerin: „Häufig sind sie überrascht über die Realität. Denn das Baby schläft nicht gleich vier Stunden am Stück, der Bauch ist nicht schnell wieder flach, Stillen ist nicht von Anfang an einfach.“ Dann bleibt es der Hebamme überlassen, einfühlsam zu beraten oder kurzzeitig das Baby zu übernehmen - an Routine mangelt es ihr dabei sicherlich nicht.
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Und das, was im Titel vielversprechend angesprochen wird,
wird am Schluß des Artikels mit drei Zeilen abgehandelt : - )
Oder habe ich was überlesen ?