Ermittler und Opfer bringen Schülern das Oktoberfest-Attentat nahe
Als schlimmster Anschlag geht das Oktoberfestattentat in die deutsche Geschichte ein. Ein Ermittler und ein Opfer vermitteln Friedberger Schülern das Thema.
Das Oktoberfestattentat ereignete sich 1980 – damals tötete eine Bombe auf dem Oktoberfest zwölf Menschen und den Attentäter. Es ist der schwerste Anschlag in der Geschichte der Bundesrepublik. Aus Sicht von Schülerinnen und Schülern liegt dieses Ereignis schon eine halbe Ewigkeit zurück. Dass Sie großes Interesse und viele Fragen dazu haben, zeigte sich im Rahmen einer Veranstaltung zum Oktoberfestattentat, die an der Beruflichen Oberschule in Friedberg stattfand und an der neben interessierten Lehrkräften der Schule knapp 100 Schülerinnen und Schüler teilnehmen konnten.
Sämtliche Fragen zum Attentat – etwa zum persönlichen Hintergrund und den Motiven des Täters, dessen Verstrickung in rechtsextreme Netzwerke und eventuellen Unterstützern und Mitwissern konnten dabei von höchst kompetenter Seite beantwortet werden. Zum einen vom Leitenden Kriminaldirektor Peter Jaud, dem Chef jener 20-köpfigen Sonderkommission des Bayerischen Landeskriminalamts (BLKA), die zwischen 2015 und 2020 den verheerenden Anschlag aufgrund neuer Zeugenaussagen noch einmal komplett aufgerollt hatte. Zum anderen von Dimitrios Lagkadinos, der bei dem Bombenanschlag schwer verletzt wurde und den Schülerinnen und Schülern seine ganz persönlichen Eindrücke vom Attentat und seinem Leben danach schilderte.
Eingeladen hatte die beiden Referenten Stefan Jelic, Fachbetreuer für die Fächer Geschichte und Politik und Gesellschaft, der mit seinem Kollegen David Riegel die Veranstaltung organisiert und die Problematik rund um den Bombenanschlag im Unterricht eingehend behandelt hatte. „Dass Herr Jaud und Herr Lagkadinos unsere Anfrage positiv beantwortet haben, hat uns unglaublich gefreut, zumal es für beide eine Premiere war, ihre Perspektiven und Erfahrungen in einer Schule zu schildern“, sagte Jelic.
Vortrag in Friedberg: So rollte die Polizei das Oktoberfestattentat neu auf
Mit entsprechend detaillierter Sachkenntnis schilderte Jaud den Aufbau und die Ermittlungsarbeit der Soko „26. September“, was für ihn und seine Kollegen in erster Linie Lektüre ganzer Berge von Akten sowie umfangreiche Zeugenvernehmungen bedeutete. "Die Durchsicht des immensen Aktenmaterials und Auswertung der Aussagen war zwar sehr zeitintensiv und hat viele Ressourcen gebunden, war aber in vielerlei Hinsicht durchaus lohnend und aufschlussreich", so Jaud. Beispielsweise habe sich dadurch gezeigt, wie gut die Stasi über rechtsextreme Organisationen und Netzwerke im Westdeutschland der 1980er-Jahre informiert war. Durch die intensive Vernehmung von Zeugen und Opfern des Anschlags konnte nach Anforderung durch die Soko vom Kriminaltechnischen Institut des BLKA auch ein virtuelles 3D-Modell vom Tatort angefertigt werden, das exakt den Moment der Detonation rekonstruiert und eine virtuelle Begehung des Tatorts mit einer entsprechenden VR-Brille ermöglichte.
Ergänzt wurden die Ausführungen durch die bewegenden Schilderungen von Dimitrios Lagkadinos, der sich im Alter von 17 Jahren nach dem Besuch auf der Wiesn auf dem Weg zu einem Taxistand befand, als wenige Meter von ihm entfernt die Bombe detonierte und seine Freundin, die darauf bestanden hatte, ihn noch zum Ausgang der Festwiese zu begleiten, tötete und ihn selbst schwer verletzte.
Zu welchen Erkenntnissen führten die neuen Ermittlungen der Soko? „Die Tat hatte einen ganz klar politisch motivierten, und das heißt rechtsextremen Hintergrund“, stellte Jaud abschließend fest, der damit die These eines erweiterten Suizids für endgültig erledigt erklärt. Aber eindeutige Belege auf Mittäter oder Unterstützer aus dem rechtsextremen Umfeld, in dem der Attentäter sich nachweisbar bewegt hatte, lassen sich laut Jaud nicht finden.
Friedberger Schüler sind von Erzählungen über das Attentat gebannt
Und die Schülerinnen und Schüler? „Ich habe schon bei der Vorbereitung im Unterricht festgestellt, dass dieses Thema die Schüler fesselt, was auch während der Veranstaltung unübersehbar war: Dass Schülerinnen und Schüler auch nach dem Pausengong mucksmäuschenstill sitzen bleiben und weiter wie gebannt zuhören erlebt man als Lehrer nicht alle Tage“, so Jelic. Die Schülerin Alina Hofmann sagt zum Vortrag: „Am meisten hat mich beeindruckt, mit welcher Kraft Herr Lagkadinos die furchtbare Tat gemeistert hat, wie er sich zurückgekämpft hat und welche Lebensbejahung er ausstrahlt. Für mich ist er ein wirkliches Vorbild an positiver Lebenseinstellung.“ (AZ)
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