
Furioser Auftakt der Tastentage mit Joseph Moog

Der 32-jährige Pianist begeistert das fachkundige Publikum mit seiner Reise am Klavier von der Romantik bis zum Spätimpressionismus.
Erstaunlich, dass es den Zehntstadel-Kulturmacherinnen immer wieder gelingt, die Tastentage mit Künstlern in Zusammenhang zu bringen, die durch Namen wie Carnegie Hall New York, Concertgebouw Amsterdam oder Gewandhaus Leipzig bekannt sind, die in den Konzertsälen von Paris, London, Berlin und anderen Weltkulturmetropolen internationalen Ruf erworben haben – um damit letztlich den Zehnstadel Leipheim zu schmücken.
Berufswunsch Rennfahrer
Wie der 32-jährige Pianist Joseph Moog, der als Kind eigentlich dem Berufswunsch Rennfahrer nachhing. Gut, dass dies nicht klappte, sonst wäre womöglich Sebastian Vettel als Klavierspieler in Erscheinung getreten! Nein, als Sohn musikberuflicher Eltern begann er als Vierjähriger, intensiv Klavier zu spielen, wurde mit zehn Jungstudent an der Musikhochschule Karlsruhe, debütierte mit zwölf bereits als Jungpianist in Rio de Janeiro. Mit 13 lehnten er und seine Eltern das Angebot „Klavierwunderkind“ zu werden ab.
Dafür startete er aber eine internationale Pianistenkarriere, wurde Nachwuchskünstler der Jahre 2012 und 2015, räumte reihenweise nationale und internationale Preise ab, gilt als „herausragender Pianist seiner Generation“, steht auf den Konzertbühnen der Welt – und jetzt auf der des Leipheimer Zehntstadels mit einem Programm, das einen Bogen spannt von der Romantik des 18. bis zum Impressionismus des 20. Jahrhunderts.
Zur Einleitung: Schubert
Franz Schuberts (1797-1828) Opus 145 „Adagio und Rondo“ leitet die Romantik-Reise ein. Melodieseliges, das dem Komponisten hundertfach aus der Feder gesprudelt ist. Eine biedermeierliche Gute-Laune-Schubertigkeit. Man kann sich durchaus entspannt zurücklehnen. Aber Vorsicht, bei Schubert weiß man nie, wo er die Träne im Lächeln versteckt. Moog, mit seinem sehr gegenwärtig wirkenden Spiel, trifft den Wesenskern zwischen Lachen und Weinen, zwischen Intellekt und Fingerspitzengefühl punktgenau.
Franz Liszts (1811-1886) h-Moll Sonate, der einzigen Sonate aus seinem Komponistenschaffen, gilt als sein umfangreichstes, bedeutendstes und meistgespieltes Klavierwerk. Ein Abenteuer, dieser einsätzige Themenkomplex, der hochvirtuose Herausforderungen an seinen Interpreten stellt.
Ein ausgefuchster Tastenmagier mit 32
Neue Interpretationspflöcke einrammen will Moog, der ausgefuchste Tastenmagier, nicht. Und auf plumpe Effekte setzt er auch nicht. Er ist, sein Gesichtsausdruck spiegelt es wider, auf eine individuelle, um eine enorm durchdachte und intelligent dargebotene Interpretation bedacht.
Gabriel Fauré (1845-1924) musste sich mit demselben Schicksal abfinden wie Beethoven, er verlor nach und nach sein Gehör, war in seinen beiden letzten Lebensjahren völlig taub. Ein Musikrevoluzzer war er nie. Er blieb der Tradition verhaftet, auch in seinen a-Moll und Ges-Dur Bacarollen. Eine deshalb verharmlosende Darbietung ist des Pianisten Sache aber nicht. Er zielt nicht auf elegisch gefälliges Salongesülze ab, sondern auf einen Spagat zwischen französisch elegant und deutsch hintergründig.
Ravels Sammelsurium tiefschwarzer Morbidität
Höhepunkt ist zweifellos Maurice Ravels (1875-1937) Klavier-Triptychon „Gaspard de la nuit“. Ein Sammelsurium tiefschwarzer Morbidität, das die Allgegenwart des Todes, musikalische Spukgestalten und zu Klang geronnene Albträume widerspiegelt. Im Jahr 1908 wagte Ravel es, mit klang-literarischen Mitteln, pianistisch vertrackten Höchstschwierigkeiten und tonmalerischen Fantasieorgien auf jenes noch unentdeckte Gebiet vorzustoßen, das später Impressionismus genannt wurde. Bravogespickter Jubel im Saal nach Moogs Interpretation. Drei Zugaben wurden gefordert, ehe sich das Publikum, mit Chopins Seelenschmeichler-Nachtlied, beglückt auf den Heimweg machte.
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