Der Trend zur Hausgeburt ist im Landkreis noch nicht angekommen
Regelmäßig kommen im Landkreis Günzburg Kinder außerhalb der Kliniken auf die Welt. So auch im Jahr 2023. Hebamme Annkathrin Rinke kennt Vor- und Nachteile.
Ein Tag des vergangenen Jahres ist dem Standesbeamten der Verwaltungsgemeinschaft Kötz Franz Kempter noch sehr gut in Erinnerung geblieben. Denn im vergangenen Jahr gab es bei ihnen eine Hausgeburt. "Das war ein Mädchen", erzählt Kempter. Als die Eltern mit dem zwei Tage alten Baby zum Anzeigen der Geburt das Standesamt aufsuchten, sei dieses ganz ruhig gewesen. "Das bleibt im Gedächtnis", sagt er, für ihn sei das ein Highlight gewesen. Und die eine Geburt im Jahr geht für ihn auch in Ordnung. Die Stadt Günzburg, mit der die Verwaltungsgemeinschaft eng zusammenarbeite, hätte etwa 900 Stück im Jahr. "Bei der Zahl wird einem ganz schwummrig", scherzt Kempter.
Die meisten Kinder des Landkreises kommen in den Kreiskliniken in Günzburg und Krumbach zur Welt. Eine Hausgeburt stellt in der Regel die Ausnahme dar. Doch auch abseits der Kreißsäle erblickten in den vergangenen Jahren regelmäßig Neugeborene das Licht der Welt. Dass außerklinische Geburten mancherorts sogar ein Trend sind, bestätigt Annkathrin Rinke, Hebamme und Inhaberin des Geburtshauses Vulvarium in Ulm. Sie begleitet außerklinische Geburten auch in der Region.
Keinen Aufwärtstrend bei Hausgeburten im Landkreis Günzburg
Dass es einen Trend im Landkreis zur Hausgeburt gebe, sehen keine der angefragten Städte, Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften und kein Markt. Die Zahlen bewegen sich zwischen keiner und drei Hausgeburten im Jahr, ganz unabhängig von der Größe des Ortes. Unserer Recherche zufolge hatte im vergangenen Jahr Krumbach drei Geburten im Gebiet der gesamten Verwaltungsgemeinschaft, und das trotz des nahegelegenen klinischen Angebots. Die Stadt Günzburg hingegen verzeichnet 2023 lediglich eine – und das bei einer Größe von knapp 22.000 Einwohnern. Eine Statistik hierzu führe die Große Kreisstadt jedoch nicht.
Die meisten dokumentierten Hausgeburten der vergangenen vier Jahre im Landkreis Günzburg verzeichnete der Markt Jettingen-Scheppach im Jahr 2020. Gleich fünf Kinder sind in der Marktgemeinde zur Welt gekommen. Das Rekordjahr bildete jedoch eine Ausnahme. In den zwei Folgejahren gab es keine einzige Geburt, während es 2023 zwei waren. Der Großteil der angefragten Standesämter meldeten zurück, dass sie in der Regel ein bis zwei Hausgeburten im Jahr dokumentieren, sich daraus aber kein Trend ableiten lässt. Trotz der umliegenden Kliniken entscheiden sich aber jedes Jahr vereinzelt Frauen, ihr Kind in ihren eigenen vier Wänden zu entbinden. Doch warum ist das so?
Selbstbestimmt gebären ist der Hauptgrund für eine Hausgeburt
Rinke kennt die Antwort. "Die Frauen wollen selbstbestimmt im Beisein der Hebamme ihres Vertrauens gebären", erklärt die Hebamme. Das sei auf den Geburtsstationen der Kliniken nicht immer der Fall. Manche hätten bereits eine traumatische Geburtserfahrung gemacht, wieder andere hätten in Rückenlage ein Kind bekommen und würden nun etwas anderes ausprobieren vollen. Die werdenden Mütter würden sich in ihrem gewohnten Umfeld deutlich wohlerfühlen, könnten dort die Rahmenbedingungen nach ihren Wünschen festlegen und ihr Kind so gebären, wie sie es sich vorstellen. Doch wie läuft eine Hausgeburt ab?
Rink erzählt, dass sie nach Alarmierung durch die Mutter durchschnittlich zwei bis vier Stunden vor Ort seien. Bestenfalls können sie zu zweit eine Frau betreuen, in allen anderen Fällen ist eine "Eins-zu-eins"-Betreuung gewährleistet. Dadurch, dass sie die Frauen bereits in den Wochen und Monaten davor sehr eng betreuen, würden sie deren Wünsche und Bedürfnisse gut kennen, sodass auch die Geburt reibungslos ablaufen kann. Komplikationen würden sie früh erkennen. "Die Frauen sind dann auch schnell wieder auf den Beinen", erzählt die Hebamme.
Nicht jede Frau eignet sich für eine Geburt in den eigenen vier Wänden
Doch nicht jede Frau eigne sich für eine Hausgeburt, hierfür gebe es verschiedene Ausschlusskriterien wie etwa starkes Übergewicht oder diverse Vorerkrankungen. Gewisse Dinge wie eine Periduralanästhesie (PDA) oder auch ein Kaiserschnitt können bei einer Entbindung zu Hause nicht durchgeführt werden. Und in Notfällen drohe ein Zeitverlust. Doch abgesehen davon sieht sie nur Vorteile. Wirklich kritische Situationen hätte Rinke bei einer Hausgeburt jedoch noch nie gehabt. Das sei auch der intensiven Betreuung im Vorfeld geschuldet. 73 an der Zahl hat Rinke begleitet. "Ich kenne keine Frau oder Familie, die nicht happy damit war", erzählt die Hebamme.
Doch es sind vergleichsweise wenige Frauen, die sich für diese unkonventionelle Art der Geburt entscheiden. Laut der Hebamme liegt das hauptsächlich an der Tatsache, dass es "super wenig Angebot" gibt. Ihr Geburtshaus liegt in Ulm, doch ihr Einzugsgebiet ist weitaus größer – aufgrund der hohen Nachfrage. Von Biberach, bis nach Geislingen und Günzburg betreue Rink werdende Mütter. Sie selbst sieht sehr wohl einen Trend zur heimischen Geburt. Andere Hebammen aus Baden-Württemberg, mit denen Rink im Austausch ist, bestätigen ihre Beobachtung nicht. Aber sie ist überzeugt: "Je höher das Angebot, desto höher wird auch die Nachfrage."
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