Asylbewerber sollen ins LEW-Haus
Stadt vollzieht Schwenk. Privatleute bieten ebenfalls Immobilien an
Illertissen Natürlich war zu erwarten, dass bei diesem Thema die Wogen hochgehen würden – und sie taten es dann auch. Bürgermeisterin Marita Kaiser musste sich anhören, dass sie zu spät gehandelt habe und ihr generell das Thema angeblich nicht wichtig genug sei. Dennoch stand am Ende ein Ergebnis: Illertissen bietet dem Kreis etwas an, damit er Asylbewerber unterbringen kann.
Das sind einerseits diverse Häuser von Privatleuten, die sich bereit erklärt haben, ihre Immobilien als Flüchtlingsunterkünfte zu vermieten. Anderseits wird dem Landkreis nun doch ein kommunales Gebäude zur Verfügung gestellt: Es ist nicht das zuletzt diskutierte ehemalige Verwaltungsgebäude der Baufirma Walser, sondern das Haus der Lechwerke (LEW) am Saumweg. Das gehört der Stadt und ist teilweise an den Stromkonzern vermietet.
Damit vollzieht die Stadtverwaltung einen Schwenk, denn die Bürgermeisterin hatte bei der ersten Debatte über Asylunterkünfte im Ausschuss für Kultur, Bildung und Soziales Anfang Januar noch gesagt, die Immobilie stehe keinesfalls zur Verfügung. Dort sollte die Musikschule Dreiklang ihr zentrales Domizil bekommen. Das ist vorerst vom Tisch. Der Stadtrat entschied einstimmig, Asylbewerber in das Gebäude zu lassen.
Dass er sich mit dem Thema befasste, lag an Wilhelm Schulte (ÖDP/AB/Grüne). Er fand, von der Sitzung des Kultur-, Bildungs- und Sozialausschusses, in der das Walser-Gebäude als Unterkunft abgelehnt wurde, sei ein falsches Signal ausgegangen: dass nämlich Illertissen vermeintlich keine Flüchtlinge aufnehmen wolle. Er sammelte genügend Unterschriften seiner Stadtratskollegen, damit die Sache noch einmal im großen Kreis beraten werden konnte. „Wir laufen auf chinesischem Straßenpflaster, nehmen aber keine Asylbewerber auf“, sagte er. Deshalb müsse die Stadt ein Zeichen setzen.
Die Verwaltung war in den vergangenen Wochen nicht untätig geblieben. Schon zuvor hatte sie sich nach leer stehenden Immobilien umgeschaut und mit den Besitzern Kontakt aufgenommen. So präsentiert die Bürgermeisterin denn vier Gebäude, deren Inhaber Flüchtlinge einziehen lassen wollen. Dazu gehören etwa das ehemalige Gasthaus Schwanen in der Dietenheimer Straße, zwei Häuser im Fabrikweg, eines bei der Tierarztpraxis an der Tiefenbacher Straße. Ob sie geeignet sind, muss der Kreis entscheiden. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Ostermann meinte, da seien schon „einige Bruchbuden“ dabei. Für verschiedene ebenfalls infrage kommende Objekte steht die Rückmeldung noch aus, bei anderen haben die Inhaber abgewunken.
Was das LEW-Gebäude betrifft, so ist das Erdgeschoss noch vermietet, ebenso eine Wohnung im Obergeschoss, doch die könnte laut Marita Kaiser bis Ende des Jahres frei werden. Daneben stehen noch einzelne Räume leer, die für Behelfswohnungen geeignet wären. Auf Antrag von Schulte bietet die Stadt dem Kreis das LEW-Haus offiziell an, „um ein Zeichen zu setzen“.
Das alte Ärztehaus an der Illertalklinik kommt nach Meinung des gesamten Stadtrates weiter als Unterkunft infrage, auch wenn der Landrat das anders sieht. Das leer stehende Obergeschoss, das sogar über einen separaten Zugang verfüge, wie Edeltraud Baur (Bürgerliste) anmerkte, sollte noch einmal auf seine Tauglichkeit überprüft werden, forderte das Ratsgremium einhellig.
Keine Diskussion gab es auch darüber, die Asylbewerber, wenn sie denn angekommen sind, entsprechend zu betreuen. Es wird nicht nur beim Rathaus einen Ansprechpartner dafür geben, sondern es stehen laut Schulte auch etliche Freiwillige bereit, die sich der Menschen annehmen werden. Er sprach in diesem Zusammenhang von einer „Willkommenskultur“, die hier aufgebaut werden müsse.
Harte Worte gab es von Gerhard Reisinger (siehe nebenstehenden Artikel), der nach einiger Zeit demonstrativ die Sitzung verließ. Wolfgang Ostermann fand es beschämend, dass die Bürgermeisterin in der vorangegangenen Sitzung von „Selektion“ der Flüchtlinge gesprochen hatte – und das bei Menschen, die aus Bürgerkriegsgebieten stammten. „Das gehört sich nicht.“
Marita Kaiser beteuerte, sie sei in manchen Belangen missverstanden worden, auch was die „Selektion“ angehe. Das Wort, das für die menschenverachtende Auswahl an der Rampe des Vernichtungslagers Auschwitz steht, sei von ihr „vielleicht zu leichtfertig verwendet worden“, gab sie zu, „das war kein böser Wille“.
Jürgen Eisen (CSU) kritisierte ebenso wie Ostermann, es habe zum Asylthema bisher keine von Kaiser anberaumte Fraktionsvorsitzendenbesprechung gegeben. Sein Fraktionskollege Wilhelm Fischer dankte Schulte, dass er das Thema in den Stadtrat gebracht hatte, denn plötzlich gebe es deutlich mehr Möglichkeiten: „Ohne seinen Antrag hätten wir das nicht.“
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