Fahrradfreundliche Stadt: Was die Illertisser von den Holländern lernen können
Wie kann eine Kommune dem Radverkehr neuen Schwung verleihen? Um diese Frage drehte sich ein Workshop in Illertissen. Die Teilnehmer arbeiteten Vorschläge aus, wie die Situation für Radler verbessert werden könnte.
Am Hauptbahnhof von Amsterdam stehen 25.000 Stellplätze für Fahrräder bereit. Innerhalb der kommenden zehn Jahre sollen es sogar 60.000 werden, während am Hauptbahnhof von Stuttgart gerade mal 100 zur Verfügung stehen. Mit solchen und ähnlichen Zahlen beeindruckte Thomas Gotthardt vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) die rund 30 Teilnehmer des Workshops „Radfreundliches Illertissen“, zu dem der städtische Klimaschutzmanager Simon Ziegler in Zusammenarbeit mit dem Energie- und Umweltzentrum Allgäu (Eza) geladen hatte.
In seinem einleitenden Referat beschrieb Thomas Gotthardt die Entwicklung des Radverkehrs in den niederländischen Städten, die sich dort dank einer fahrradfreundlichen Politik in den vergangenen Jahrzehnten ergeben hatte. Dabei legte er Wert auf die Feststellung, dass die Förderung des Radverkehrs nicht autofeindlich sei. Er zitierte eine niederländische Ministerin: „Je mehr Radfahrer unterwegs sind, desto besser kommen die Autos voran.“ Gemeint hatte die Politikerin damit, dass den Autos mehr Straßenraum bleibt, wenn die Radler auf eigenen Trassen unterwegs sind.
Fahrradnation: Niederlande dienen als Exempel
Ein fahrradfreundlicher Straßenausbau in Innenstädten, so Gotthardt weiter, könne sich äußerst positiv auf die Lebensqualität auswirken – wie in den Niederlanden, wo der Anteil der Radfahrer am gesamten Verkehr mit 60 Prozent sehr hoch ist. In deutschen Städten liege der Radverkehrsanteil nur bei fünf bis 15 Prozent. Die bemerkenswerten Zahlen aus dem Nachbarland würden durch eine Lokalpolitikerin aus Utrecht unterstrichen, die feststellte: „Wer für Fahrräder baut, erntet mehr Fahrräder.“
Unter Moderation von Petra Hausmann von Eza ging es in die Praxis: Drei Arbeitskreise sammelten Vorschläge, wie die Radverkehrssituation in Illertissen verbessert werden könnte. Themen waren die Nord-Süd-Durchgängigkeit, der Weg zum Schulzentrum an der Dietenheimer Straße und allgemeine Möglichkeiten mit dem Ziel einer fahrradfreundlichen Stadt.
Teilnehmer haben Weg zum Schulzentrum im Blick
Zu den ersten beiden Themen ergaben sich einige Ideen, wie der Fahrradverkehr sicherer gestaltet werden könnte. Beispielsweise, weil entlang der Memminger und Ulmer Straße wegen fehlender Radwege aktuell reihenweise Gefahrenstellen existieren. So wurde die Verkehrsführung von Jedesheim her über die Josef-Rimmele-Straße bis zur Apothekerstraße angesprochen, womit indirekt die Situation an der Memminger Straße entlastet werden könnte. Weitere Optionen seien eine Bahnunterführung für den Radverkehr am südlichen Stadtrand und Radwege von dort aus entlang der Bahnlinie oder durch das neue Wohnquartier bei Ruku. Damit wären auch die Radler in Richtung Schulzentrum sicherer unterwegs als auf der Dietenheimer Straße, hieß es. Die dortige Situation, so war man sich einig, müsse entschärft werden, wofür aber eine große Umgestaltung erforderlich wäre. Auch für den nördlichen Bereich der Stadt, entlang der Ulmer Straße, wurde eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen präsentiert.
Eine weitere Forderung ergab sich im Zusammenhang mit den Kreisverkehren: Es wurde vorgeschlagen, zu prüfen, inwieweit den Radlern Vorfahrt gewährt werden könnte. Damit, so entgegnete Tiefbauamtsleiter Bernd Hillemeyr, provoziere man allerdings gerade vor dem Schulzentrum einen Stau der Schulbusse, was weitere Gefahren mit sich bringe. Die Vorschläge gingen sogar so weit, dass die Dietenheimer Straße für den Autoverkehr gesperrt oder der Radverkehr durch den Bürgermeister-Kolb-Ring geleitet werden sollte. Ein entsprechend breiter „Zwei-Richtungs-Radverkehr“ mit getrennten Spuren auf einer Seite der Dietenheimer Straße könne ebenfalls Abhilfe schaffen, hieß es.
Den Erfahrungen der Niederlande zufolge, so hatte Referent Gotthardt eingangs versichert, seien gemeinsame Geh- und Radwege aus Sicherheitsgründen zu vermeiden. Ein dafür geltendes geteiltes Verkehrsschild mit Fußgänger und Radfahrer gebe es dort gar nicht. Viele solcher Maßnahmen, so Gotthardt, hätten dazu geführt, dass in den Niederlanden das Unfallrisiko für Radler nur ein Zehntel von demjenigen in Deutschland betrage.
Der dritte Arbeitskreis kam zu dem Ergebnis, dass vor allem qualifizierte Öffentlichkeitsarbeit und ein neues Bewusstsein für die Bedeutung des Radverkehrs von größter Bedeutung sei.
Petra Hausmann von Eza versicherte abschließend, dass sämtliche Ergebnisse nun zusammengefasst und dem Bauausschuss des Illertisser Stadtrates vorgelegt würden. Die Bürgerschaft, so appellierten sie und Klimaschutzmanager Simon Ziegler, solle sich weiterhin engagiert in die Diskussion einbringen.
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