Wörtersturm und Rededrang
Poetry Slam ist die Lyrik der Moderne. Schnell, überraschend und emotional treffen die Texte in die Herzen der Zuschauer. Warum Augsburg eine besondere Anziehung genießt.
Worte. Mal groß, mal klein. Oft klar, gerne unterschwellig. Voller Ironie und mit beißendem Sarkasmus. Gewaltig wie eine Symphonie, tosend wie ein Gewitter. Blitzend und donnernd und doch weich wie eine Feder...
Natürlich bedarf es einer gewissen Übung, die richtigen Worte zum passenden Zeitpunkt zu verwenden. Wie viel Freude es bereiten kann, ein Publikum mit selbstverfassten Texten zu berühren, das zeigte die deutschsprachige Meisterschaft des Poetry Slams im vergangenen Jahr. Zum ersten Mal wurde diese in der Fuggerstadt ausgetragen. Fünf Tage, 280 Künstler, 10000 Zuschauer und ein Slam Master, der heute voller Stolz auf den Höhepunkt der Augsburger Slam-Szene zurückblickt.
Der Start der Slam-Szene
Horst Thieme kümmert sich bereits seit 18 Jahren um die Veranstaltungen in der Stadt. Wie mit vielem im Leben war auch hier der Start ein bisschen holprig: „Am Anfang musste man alles erklären – dem Publikum wie auch den Autoren. Jeder wollte sich das Slam-Konzept erst einmal anschauen, das ging natürlich nicht. Schließlich benötigten wir Künstler auf der Bühne“, erinnert sich Thieme. Mithilfe von Slam Mastern aus München und Ulm wurden dann die ersten Slams gemeistert. Von da an waren die Veranstaltungen monatlich. Auch die Zuschauerzahlen stiegen stetig. Seit 13 Jahren sind die Augsburger Slams meist ausverkauft.
Von wegen langweilig
Doch woher kommt dieser Hype zur Literatur? War es nicht immer so, dass man seine Liebe zu lyrischen Schwergewichtlern wie Goethe, Brecht und Heine lieber im Geheimen nachging? Oder man seine weiche, romantische Seite mit einem leisen Schluchzen hinunterschluckte? Ganz klar lautet hier die Antwort: „Nein“! So macht auch Thieme in seiner Rolle als Slam Master oft die Erfahrung, dass gute und vor allem echte Texte bei den Menschen ankommen.
Das Interesse an Lyrik ist größer denn je. Slams sind keine Seltenheit mehr, was daran liegt, dass die Kommunikation zum Publikum einfacher geworden ist. Plakate, Newsletter und Medienpartnerschaften werden genutzt, um die breite Masse zu erreichen. „Zu Beginn hatte ich noch nicht die Möglichkeit via Mail die Menschen zu kontaktieren. Mit Postkarten habe ich dann die ersten ,Lauschangriff‘-Einladungen verschickt.“
Aus purer Leidenschaft
Doch das ist nicht alles, was den großen Erfolg des Augsburger Slams ausmacht. Die Künstler und Zuschauer sind es, die jeden Abend zu einem ganz besonderen werden lassen. „Es ist eine Sache, die durch die Passion der Leute entsteht“, erklärt Thieme. So ist es für das Augsburger Publikum nicht selbstverständlich, dass man sich einfach auf eine große Bühne stellt und einen Text vorträgt. „Der Versuch, sich mit guten Texten zu übertrumpfen und dem Publikum auf der Bühne sein Innerstes zu präsentieren – das erfordert großen Mut“, führt er weiter aus.
Die Augsburger danken es mit einer Reife, die der Slam Master sehr schätzt. „Jeder, der seine Seele auf der Bühne darlegt, bekommt Applaus, das ist schon eine Frage des Respekts.“
Besonderer Fokus liegt auch auf den Zuschauern. Ein Slam ist kein einfacher Besuch im Theater, bei dem man dem Schauspiel still beiwohnt. Nein, hier ist die Meinung der Anwesenden gefragt. Man steht im direkten Austausch mit dem Künstler. Man spricht über das eben Vorgetragene. Man achtet auf die Formulierungen und Worte. Und man wird durch Applaus gefordert, die gewonnenen Erkenntnisse preiszugeben. Denn die Jury sind alle. Der Gewinner wird durch das lauteste Klatschen festgelegt.
Die goldenen Regeln
Dass die wenigen Regeln, die es bei einem Slam gibt, beachtet werden, darauf achtet der sogenannte Slam Master. In Augsburg ist das Horst Thiemes Job. Dazu gehört, dass zu den eingeladenen und somit festgesetzten Künstlern – meist vier an der Zahl – noch vier weitere regionale Interpreten auftreten. Diese tragen sich in eine offene Liste ein und werden dann ausgelost. Dabei ist es egal, ob der bayerische Meister seinen Namen in den Topf geworfen hat oder Hans Müller von nebenan – gleiche Chance für alle.
Für die Slammer, deren Auftritt noch nicht sicher ist, ist das oft aufregend: „Das ist etwas ganz Besonderes. Wenn ich in einer anderen Stadt zum Slam eingeladen werde, weiß ich sicher, dass ich meinen Text präsentieren darf. Beim Los entsteht ein Warten und Hoffen, dass macht die Sache spannend“, erklärt Christian Weiblen, der durch zahlreiche Auftritte, unter anderem bei der deutschsprachigen und bayerischen Meisterschaft, bekannt ist.
Außerdem müssen die Texte aus der eigenen Feder stammen und es zählt das gesprochene Wort. Das heißt: Singen ist verboten, Sprechgesang wie Rappen ist kein Problem. Und bevor nun jeder sein Baby-Kätzchen von zu Hause mitbringt – Requisiten haben auf der Bühne nichts verloren. Zeitlich muss man sich an zehn Minuten halten.
Sofort selbst slammen
Sobald das letzte Wort gesprochen ist, kommt der verdiente Applaus. „Ich sage immer, dann fangen die Slammer an zu glitzern. Man kann sehen, wie die Aufregung weicht und die Freude überwiegt“, so Thieme. Für Christian Weiblen gibt es noch einen zusätzlichen Reiz: „Der Sprung über den eigenen Schatten ist für mich ein großer Ansporn. Es ist aufregend sich selbst zu überwinden und neue Grenzen auszutesten.“ Wer gerne selbst sein Können ausprobieren möchte, ist herzlich eingeladen den großen Schritt zu wagen.
Für diejenigen, die noch eine kleine Starthilfe benötigen, werden immer wieder Workshops angeboten. Dass Augsburg mit großen Städten wie Hamburg und Berlin mithalten kann, hat die Meisterschaft bewiesen. Die ausverkauften Vorrunden und das positive Feedback sprechen für sich. Nach diesem großen Projekt ist klar, dass die Fuggerstadt mehr stemmen kann, als mancher denkt. Weitere Aktionen sind geplant und werden bald verraten. Wer sich von authentischen, lauten und vor allem echten Texten berauschen lassen möchte, muss einen Slam besuchen. casi
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