Warum die erwartete Zinswende im Westen Japan hart trifft
Auch Japan hadert mit der Geldpolitik. Noch hält die Zentralbank am Negativzins fest. Doch der Kurs des Yen fällt. Bald könnten schmerzhafte Anpassungen nötig sein.
„Die Bewertung, dass ein schwacher Yen insgesamt ein Plus darstellt, hat sich nicht verändert. Eine zu schnelle Veränderung könnte aber negative Nebeneffekte haben.“ Das Statement, das Haruhiko Kuroda vergangene Woche verlas, war eigentlich zu erwarten. Seit der japanische Zentralbankchef vor neun Jahren sein Amt antrat, verfolgt er eine extrem lockere Geldpolitik. Und bis auf Weiteres will die Bank of Japan auch am negativen Leitzins von -0,1 Prozent festhalten.
Japans Geldpolitik steuert damit gegen den Strom der Notenbanken anderer führender Volkswirtschaften. Inmitten steigender Preise beschloss die US-amerikanische Federal Reserve jüngst die Anhebung des Leitzinses um 0,5 Prozentpunkte, die stärkste Erhöhung seit 22 Jahren. Die Bank of Korea und die Bank of England haben auch schon ihre Leitzinsen angehoben. Die Europäische Zentralbank hat angekündigt, dies zu erwägen. Für Japan aber ist dies bisher keine Option.
Bisher ist die Inflation in Japan relativ niedrig
„Japans Bruttoinlandsprodukt hat sich zwar im Trend entwickelt, liegt aber weiterhin unterhalb des Niveaus von vor der Pandemie“, sagte Zentralbankchef Kuroda bei einem Vortrag an der Columbia University in New York Ende April. „Der Güterkonsum ist zuletzt träge gewesen, auch die Nachfrage nach Dienstleistungen wurde eher gedrückt. Das reflektiert Risikoaversion vor allem unter älteren Menschen.“ Der Arbeitsmarkt erfahre zwar eine Belebung, aber nicht im gleichen Ausmaß anderer Länder. Da Japans Situation also eine besondere sei, brauche sie auch besondere Behandlung.
Tatsächlich erfahren die Verbraucherinnen und Verbraucher in Japan bisher auch nicht annähernd die Inflationsraten, die anderswo zu spüren sind. In den USA stiegen die Preise im April mit 8,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, in der EU um 7,5 Prozent, in Großbritannien um sieben. Deutschland und Österreich melden Inflationsraten von 7,4 und 7,2 Prozent. In Japan dagegen liegt die Verteuerung des Konsumgüterpreisindex bisher nur bei 1,2 Prozent.
Der Kurs der japanischen Währung Yen fällt
Für die nächsten Wochen geht die Zentralbank in Tokio zwar von einer Teuerung von immerhin zwei Prozent aus. Aber auch hierbei ist die Erwartung nicht eine plötzliche Zunahme der Inflation, sondern vielmehr ein statistischer Effekt: Als vor rund einem Jahr durch eine Regulierungsmaßnahme die Datenverträge von Mobilfunkanbietern deutlich billiger wurden, wirkte sich dies in der damaligen Berechnung als Deflation aus. Und da Inflationsraten in der Regel das gemessene Preisniveau mit jenem vom Vorjahreszeitraum vergleichen, fällt dieser Effekt nun, nach einem Jahr, aus der Statistik heraus.
„Daher bin ich der Ansicht, dass die Bank of Japan an ihrer aktuellen aggressiven, lockeren Geldpolitik festhalten sollte, um das Preisstabilitätsziel von zwei Prozent auf eine stabile Weise zu erreichen“, so Kuroda. Doch das Fortführen der sehr lockeren Geldpolitik hat schon jetzt einen Nebeneffekt: Weil andere große Zentralbanken allmählich die Leitzinsen anheben, wird Japans Währung relativ schwächer.
Seit 20 Jahren ist Japans Währung nicht mehr so billig gewesen
Gegenüber dem US-Dollar hat der Yen seit Anfang März gut zwölf Prozent an Wert verloren. Dieser Tage überschritt der Wechselkurs des Dollar die Marke von 130 Yen – laut Analysten eine psychologische Marke. Seit 20 Jahren ist Japans Währung nicht mehr so billig gewesen. Japanische Medien berichten über dieses Thema derzeit fast täglich. Man fragt sich: Wie weit wird, wie weit darf der Yen noch fallen, ehe er der japanischen spürbaren Volkswirtschaft Schaden zufügt?
Nicht jeder hält die kürzlichen Entwicklungen automatisch für alarmierend. „Der Yen wird jetzt keine Abwärtsspirale erleben“, sagt etwa Franz Waldenberger, Ökonom und Direktor des Deutschen Instituts für Japanstudien in Tokio. Er sieht den aus japanischer Perspektive gefallenen Wechselkurs als notwendige Marktanpassung: „Der Yen muss nur so weit runtergehen, wie es der Preisentwicklung und den Zinsdifferenzen entspricht.“
Der Notenbank droht ein Dilemma
In der weitgehend exportorientierten japanischen Volkswirtschaft wirkt sich ein schwacher Yen zudem oft positiv auf das Wirtschaftswachstum aus, wie auch Zentralbankchef Kuroda betont. Nur bahnen sich inmitten steigender Preise für Rohstoffe, die Japan fast ausschließlich importiert, mittelfristig auch Herausforderungen für die Binnenwirtschaft an. Das Problem ist: Wenn die Preise steigen, sollten eigentlich auch die Zinsen nach oben gehen. Da ist die Frage, wie die Geldpolitik sich dann bewegt. „Die wird ein richtiges Dilemma haben“, prognostiziert Waldenberger.
Ein höherer Zins würde Investitionen hemmen, höhere Inflation dagegen den Konsum. Erst einmal kann die Notenbank das Problem allerdings aussitzen: Noch geben die Unternehmen ihre gestiegenen Kosten für Importgüter kaum an die Kunden weiter – aus Angst vor Nachfrageeinbrüchen. Im Großhandel misst Japans Statistikbehörde seit Monaten eine drückende Inflationsrate von rund neun Prozent, die durch Betriebe bis jetzt aber in Form geringerer Gewinnmargen oder Kapazitätsabbau absorbiert werden.
Doch je länger die Rohstoffpreise hoch bleiben, desto wahrscheinlicher werden auch in Japan die Verbraucherpreise spürbar steigen. Da die Reallöhne im ostasiatischen Land seit Jahren praktisch nicht gestiegen sind, könnte dies dann schmerzhaft werden.
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