
Die Helene Fischer des Wirtschaftswunders: Caterina Valente wird 90

Plus Ihre Songs kennt man bis heute, sie selbst lebt aber seit 20 Jahren zurückgezogen von der Öffentlichkeit. Nun feiert Caterina Valente ihren 90. Geburtstag.
Begeben wir uns auf eine Fantasiereise ins Jahr 2074: Die Welt ist mal wieder dabei, eine dieser nervigen Pandemien zu bekämpfen, Miley Cyrus muss sich als 58. Präsidentin der Vereinigten Staaten einem Amtsenthebungsverfahren stellen, in Deutschland geht der Sohn des ehemaligen Fußball-Nationalspielers Jérôme Boateng als CSU-Kandidat bei der Wahl zum Bundeskanzler ins Rennen und irgendwo am Bodensee feiert eine gewisse Helene Fischer völlig zurückgezogen ihren 90. Geburtstag.
Früher, da war die Frau mal ganz groß im Geschäft, hatte ihre eigene Fernsehshow mit bis zu sechs Millionen Zuschauern, konnte tanzen und produzierte Hits, die jeder auf der Straße mitpfeifen konnte. Ein It-Girl par excellence, ein Superstar, blendend aussehend, extrem vielseitig, Influencerin und Vorbild für die meisten Mädchen ihrer Generation. Kaum jemand von den Jungen kennt sie inzwischen noch, aber das stört die rüstige Seniorin nicht die Bohne. Sie wolle nur ihre Ruhe haben und den Rest ihres Lebens genießen, lässt sie verlauten.
Caterina Valente bezauberte auch als Schauspielerin, Tänzerin und Gitarristin
Einen fast identischen Fall gibt es in der Realität, man muss nur einige Zahlen und Namen vertauschen, vor allem den der Hauptperson: Caterina Valente. Was „Helene-Atemlos“ seit den Zehnerjahren des 21. Jahrhunderts ist, das war „Caterina Talente“ in den 1950er und 1960er Jahren. Die in Paris geborene Artistentochter mit italienisch-russischen Wurzeln, die seit Jahrzehnten im schweizerischen Lugano am gleichnamigen See lebt und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, feiert am Donnerstag, 14. Januar, bei guter Gesundheit und völlig zurückgezogen ihren 90. Geburtstag. Auch diese bemerkenswerte Frau war vor rund sechs Jahrzehnten mal eine richtig große Nummer. Sie erwarb sich nicht nur als vielseitige Sängerin einen Namen, sondern bezauberte auch als Schauspielerin, Tänzerin sowie virtuose Gitarristin und spülte mit ihrer Mischung aus Eleganz, Optimismus und Charme eine Prise Weltflair in die heimischen Wohnzimmer.

Im Fernsehen lief die „Caterina-Valente-Show“ vor bis zu 15 Millionen Zuschauern, ihre Hits sind längst sogenannte Evergreens und haben sich ins kollektive Gedächtnis der Nation eingebrannt: „Ganz Paris träumt von der Liebe“ von 1954 etwa, ihre Version des Cole-Porter-Songs „I Love Paris“, „Tschau, Tschau Bambina“ (1959), „Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu Strandbikini“ (1960) oder „Quando, quando, quando“ (1962). Die Valente sang auf Deutsch, Italienisch, Französisch, Englisch und in anderen Sprachen, oft mit eigener Gitarrenbegleitung.
Caterina Valente beschäftigte sich viel mit dem Jazz
Die Bundesrepublik wurde auf die junge Frau aufmerksam, weil ihr damaliger deutscher Mann zu Beginn der 1950er Tonbandaufnahmen an Sender schickte. So wurde sie ein Bravo-Covergirl mit bieder-züchtigem erotischem Habitus, die Urmutter aller Influencerinnen und eine Blaupause, der andere Mädchen unbedingt nacheifern wollten. Caterina Valente war nichts anderes als die Helene Fischer der Wirtschaftswunderjahre.
Wer die Lebensleistung des putzmunteren, unvermindert humorvollen Geburtstagskindes jedoch auf seichtes Schlager-Tralala reduziert, der unterschlägt geflissentlich, dass sich Caterina Valente viel lieber mit Jazz beschäftigte, den rhythmischen Scat-Gesang über alles liebte und als eine der größten Jazzsängerinnen ihrer Generation galt. Mal wurde sie mit Ella Fitzgerald verglichen oder als „Europas Antwort auf Doris Day, Barbra Streisand und Liza Minnelli“ gefeiert. Weil es in jenen Jahren tatsächlich noch möglich schien, im Jazz direkt in eine Weltkarriere hineinzuschlittern, ging die polyglotte Künstlerin, die sechs Sprachen spricht, in die USA, wo sie mit Dean Martin und Charles Aznavour auftrat. Die Spitze eines arbeitsreichen Lebens: Seit 1986 führt sie das Guinness-Buch der Rekorde als Europas fleißigste Sängerin an, weil sie mehr als 1350 Aufnahmen veröffentlichte.
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Vor fast genau 20 Jahren zog Caterina Valente so konsequent einen Schlussstrich unter ihre Karriere, wie sie diese immer geplant hatte. Keine Aufnahmen mehr, keine Shows, nur noch Privatleben. Klar gebe es Alterswehwehchen, verriet sie 2019. Aber dank ärztlicher Hilfe führe sie auch im Alter ein gutes Leben. Heute kommuniziert Caterina Valente über soziale Medien mit einer regelmäßig aktualisierten Playlist „Best of Valente“ auf Spotify und Facebook. Dort postet sie alte Fotos und Erinnerungen an Stars von damals. „Ich habe alles gemacht, was ich machen wollte, einiges besser, anderes schlechter.“ Mit ihrer Arbeit sei sie zufrieden, Lust auf Trubel habe sie aber nicht mehr. Eine Erkenntnis, auf die Helene Fischer noch warten muss.
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