Der Maler als Zeichner und Grafiker
Vor 250 Jahren starb der Künstler Johann Georg Bergmüller, zu dessen Gemälden jetzt ein Werkverzeichnis erschienen ist. Augsburg erinnert mit einer Ausstellung an den Meister
Augsburg Zu den Gemälden des 1688 in Türkheim geborenen, 1762 in Augsburg gestorbenen Malers Johann Georg Bergmüller gab es bisher kein Werkverzeichnis. Alois Epple und Josef Straßer haben diese Lücke nun gefüllt. Soeben ist ihr umfangreicher Katalog über dieses wichtige Werksegment von einem der bedeutendsten süddeutschen Künstler des 18. Jahrhunderts im Handel erschienen. Die Publikation, die einige bisherigen Zuschreibungen verwirft, jedoch auch Neues dem Schöpfertum des Malers zuschreibt, ist einer der Anlässe für eine Bergmüller gewidmete Ausstellung im Augsburger Schaezlerpalais. Die andere ist die 250. Wiederkehr des Todestages am 30. März.
Dass die rund 80 Exponate präsentierende Schau überwiegend den Handzeichnungen und der Druckgrafik Bergmüllers gewidmet ist – hier liegt der Schwerpunkt im Bergmüller-Bestand der Augsburger Kunstsammlungen –, während das neue Werkverzeichnis doch den Blick auf die Gemälde richtet, ist nur oberflächlich ein Widerspruch. Im künstlerischen Entstehungsprozess, aber auch bei der Rezeption sind die gestalterischen Verfahren eng miteinander verbunden. Denn oft handelte es sich bei den Zeichnungen um Vorstudien zu später in größerem Maßstab ausgeführter Malerei, während grafische Blätter den Zweck besaßen, bereits Bestehendes, meist Fresko oder Bildtafel, einem größeren Kreis, darunter nicht zuletzt Künstlerkollegen, bekannt zu machen.
Sakrale Themen bestimmen das Werk
Auf einem von Johann Jakob Haid nach Vorlage Bergmüllers geschaffenen Schabkunstblatt mit Bergmüller-Selbstbildnis, das am Beginn der Ausstellung steht, finden sich unter dem ausgestreckten Arm des Meisters in einer Kartusche die drei Worte „soli Deo gloria“ (Gott allein zur Ehre). Das lässt sich durchaus auch auf die Thematik des Gesamtwerks beziehen: Sakrales bestimmt weit überwiegend das Schaffen des spätbarocken Künstlers, der seine großen Aufträge auch hauptsächlich für Kirchen und Klöster erhielt, ob nun in Augsburg, im schwäbisch-süddeutschen Raum und sogar bis nach Tirol. Ebenso dominieren geistliche Themen die zeichnerischen und grafischen Arbeiten. Schon das früheste Blatt der Ausstellung, eine Federzeichnung, entstanden wohl um 1710 und damit erst wenige Jahre nach der Lehre beim Münchner Hofmaler Johann Andreas Wolff, zeigt die Köpfe musizierender Engel, Vorstudien zu einem Kirchenfresko.
So, wie er selbst in seiner Lehrzeit durch Reproduktionsgrafiken mit künstlerischen Vorbildern bekannt geworden war, so nutzte Bergmüller selbst die Grafik als Medium, um seiner Kunst – und gerade auch der Malerei – Verbreitung zu verschaffen. Nachfrage dazu dürfte nicht zuletzt im Umfeld der reichsstädtischen Akademie bestanden haben, deren katholischer Direktor der seit 1712 in Augsburg ansässige Bergmüller über drei Jahrzehnte hinweg war. Wobei es als nebensächlich galt, wer den Stich oder die Radierung gefertigt hatte – wichtig war das „pinxit Bergmüller“, die Gewissheit, dass die Bildinhalte von diesem Künstler stammten. Zu Bergmüllers grafischem Œuvre gehört auch die „Anthropometria“, eine mit Bildbeispielen versehene kunsttheoretische Schrift, die die Lehre von den menschlichen Proportionen entwickelte – nicht verwunderlich bei einem Meister, dessen Kunst stets der Figur verpflichtet war.
Bedeutsam sind Zeichnungen und Grafik – hier wölbt sich erneut der Bogen zum malerischen Werk – noch aus einem weiteren Grund. Manch Gewichtiges von Bergmüller, gerade unter den Fresken, ist vernichtet, fiel der Kirchenumgestaltung oder der Kriegszerstörung zum Opfer. Kenntnis davon geben heute oft nur noch Entwürfe oder Reproduktionen.
In diesem Zusammenhang nimmt das neue Werkverzeichnis markante Abschreibungen vor (basierend auf einer zuvor veröffentlichten Einzeluntersuchung). Die farbig in Öl gefertigte Skizze „Bekehrung des hl. Augustinus“, von der bisher angenommen wurde, Bergmüller habe sie einst anlässlich der Ausführung der (1944 ruinierten) Deckenmalerei in katholisch Heilig Kreuz in Augsburg geschaffen, stammt wohl von anderer Hand, zwei Schüler Bergmüllers stehen zur Diskussion.
Der Höllenschlund durfte nicht bleiben
Doch es gibt auch Neues für Bergmüller zu beanspruchen. In Augsburg fand sich erst jüngst eine der höchst seltenen Ölskizzen des Künstlers, die dieser 1748 für ein Fresko in der evangelischen St.-Anna-Kirche in Augsburg anfertigte. Sie zeigt Christus als Weltenrichter – wobei der Reiz dieses Blattes mit seinen dynamisch gestaffelten Figuren nicht zuletzt darin liegt, dass Bergmüller im letztlich ausgeführten Fresko markante Änderungen vorgenommen hat. Wohl auf Wunsch seiner Auftraggeber ist der auf der Weltkugel thronende Christus im Fresko – und damit entgegen der vorbereitenden Ölskizze – ohne Szepter und Krone dargestellt. Und auch das weit aufgerissene Maul eines Drachens, den Schlund der Hölle darstellend, kam nicht zur Ausführung. Wer Skizze und Endfassung vergleichen und den innewohnenden Wandel nachvollziehen will: Die St.-Anna-Kirche, einen kurzen Fußmarsch vom Schaezlerpalais entfernt, ist vor kurzem restauriert worden, die Fresken erstrahlen in frischen Tönen.
Bis 15. April im Augsburger Schaezlerpalais, Di. 10–20 Uhr, Mi.–So. 10–17 Uhr. Das im Kunstverlag Josef Fink erschienene Werkverzeichnis der Bergmüller-Gemälde ist in der Ausstellung erhältlich für 29,80 Euro, im Buchhandel für 35 Euro.
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