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Tiefe Hirnstimulation
23.02.2019

Das verkabelte Gehirn: Protokoll einer OP

Auf den stereotaktischen Basisring wird ein Zielbogen, an dem sich ein Micro-Drive befindet. Der Zielbogen gibt den Chirurgen den Einstichwinkel vor.
12 Bilder
Auf den stereotaktischen Basisring wird ein Zielbogen, an dem sich ein Micro-Drive befindet. Der Zielbogen gibt den Chirurgen den Einstichwinkel vor.
Foto: Bernhard Weizenegger

Bei der Tiefen Hirnstimulation werden Patienten im wachen Zustand etwa ein Millimeter dicke Elektroden ins Gehirn eingeführt. Das geschieht auch in Günzburg.

Donnerstag, 8.20 Uhr Haus 25, Klinik für Neurochirurgie am Bezirkskrankenhaus Günzburg. Neurochirurgin Dr. Ute Bäzner kommt in den Vorbereitungsraum neben den OP-Sälen und begrüßt die Parkinson-Patientin, die in ihrem Bett sitzt. Die 75-Jährige bewegt sich nicht, wirkt wie eingefroren. Ihre Medikamente sind abgesetzt, damit sie die Symptome der Krankheit nicht abschwächen und die späteren Tests nicht verfälschen. „Wie war die Nacht?“, fragt die Oberärztin, als sie der Frau in einen Rollstuhl hilft. „Durchwachsen“, antwortet die Patientin. Sie weiß bereits, was auf sie zukommt. Dennoch erklärt Ute Bäzner das weitere Vorgehen: „Wir machen nun je zwei lokale Betäubungen vorne an der Stirn und am Hinterkopf. Dann setzen wir den Ring auf.“ Der Ring ist ein rechteckiger stereotaktischer Rahmen, der wie eine zu große Krone oberhalb der Ohren auf den Kopf gesetzt wird. An diesem Basisring und einem dazugehörigen Bogen orientieren sich Ute Bäzner und ihre Kollegin Dr. Alexandra Heckel, wenn sie später die Elektroden für die Tiefe Hirnstimulantion (THS) in das Gehirn einführen. Er ist die Konstante bei der Gehirnoperation. Daher darf er auf keinen Fall verrutschen und wird mit vier Metalldornen an Stirn und Hinterkopf fixiert. Diese drücken auf Kopfhaut und Schädelknochen. Das wäre ohne Betäubung schmerzhaft.

Präzise Instrumente werden für eine Stereotaktische Operation in der Neurochirurgie des Bezirkskrankenhauses in Günzburg eingesetzt. Für die tiefe Hirnstimulation wird den Patienten in genau definierten Winkeln eine elektronische Sonde eingesetzt. Chirurgie Neuro BKH Medizintechnik Medizin Gesundheit Gesundheitsversorgung Klinik Krankenhaus
Foto: Bernhard Weizenegger

8.23 Uhr Ute Bäzner zieht Einmalhandschuhe an. Eine OP-Schwester reicht ihr die Spritze. „Alles gut?“, fragt die Chirurgin, nachdem sie die Spritze vier Mal angesetzt hat und ergänzt sofort: „Diese Frage werden Sie heute von mir wahrscheinlich noch 200 Mal hören.“ Die Patientin nickt. Ärztin: „Haben Sie schon den schönen Schnee draußen gesehen?“, fragt die Ärztin. Patientin: „Ja, ich habe heute Morgen auch schon den Schneepflug gehört.“ Als die lokale Betäubung wirkt, setzen Ute Bätzner und Alexandra Heckel den stereotaktischen Ring auf und schrauben ihn am Kopf der Patientin fest. Eine OP-Pflegerin legt der Frau eine Decke über die Beine. „Ja, unsere warmen Decken sind toll. Die OP-Pfleger machen sich damit beliebt und ich komme dann mit der Spritze“, scherzt Ute Bäzner. Kleine Witze sind Medizin gegen Anspannung.

Präzise Instrumente werden für eine Stereotaktische Operation in der Neurochirurgie des Bezirkskrankenhauses in Günzburg eingesetzt. Für die tiefe Hirnstimulation wird den Patienten in genau definierten Winkeln eine elektronische Sonde eingesetzt. Chirurgie Neuro BKH Medizintechnik Medizin Gesundheit Gesundheitsversorgung Klinik Krankenhaus
Foto: Bernhard Weizenegger

8.36 Uhr Die beiden Operateurinnen schieben die Patientin im Rollstuhl zur Computertomographie (CT). Nun wird eine Kopf-Aufnahme mit stereotaktischem Ring gemacht, anhand derer die vorherigen Kernspin- und CT-Bilder abgeglichen werden und am Computer eine dreidimensionale Karte des Gehirns erstellt wird. „Ihr Kopf wird nun fixiert, damit das Bild nicht verwackelt“, erklärt Ute Bäzner der Frau. Nach dem CT ruft die Oberärztin auf Station an, damit die Patientin abgeholt wird. Die Frau muss nun warten, bis die Ärzte den Operationsweg berechnet haben. Der Ring bleibt währenddessen am Kopf.

Die Computertomografie erlaubt eine dreidimensionale Darstellung des Körperinneren.
Foto: Martin Schutt / dpa

8.53 Uhr Ute Bäzner, Alexandra Heckel, Neurologe Dr. Elmar Pinkhardt von der Uniklinik Ulm treffen sich zur OP-Vorbesprechung vor einem Computerbildschirm. Zwei Technikerinnen des Elektroden- und Schrittmacher-Herstellers sind ebenfalls dabei, als die Ärzte am Computer Schicht für Schicht die Kernspin- und CT-Aufnahmen des Gehirns durchgehen und den „sinnvollsten und sichersten Weg“ für die Elektrode suchen. „Manche Dinge sieht man im CT besser, Blutgefäße besser im Kernspin“, erklärt Ute Bäzner. Erst wird die linke Hirnhälfte genau gescreent. Der Computer schlägt einen Weg vor. Die Ärzte kontrollieren diesen im Sechs-Augen-Prinzip. Die Elektrodensonde soll durchs Frontallappen-Gewebe des Großhirns zum Nucleus Subthalamicus im Zwischenhirn geschoben werden, jenem Bereich, der für die Grobmotorik zuständig ist. Sie dürfen nicht in Täler des Gyrus eingeführt werden, auf ihrem Weg keine Nervenwasserkammern verletzten und auch keine Blutgefäße kreuzen. Da sich sie die Elektrode am Ende eines starren, fast ein Millimeter dicken Metallstabs befinden, sind Kurven nicht möglich. Taucht also ein Blutgefäß auf dem Weg auf, muss der Einführwinkel der Elektrode verändert werden, um dieses zu umgehen. Die Ärzte sehen sich auch Alternativrouten an und schauen auch ein paar Millimeter über den Zielpunkt hinaus, „ob da etwas Gefährliches wäre“. Ein Blutgefäß etwa.

Foto: Medtronic

9.15 Uhr Ute Bäzner zeigt auf den Bildschirm: „Das wäre ein schöner Ort zum Reingehen.“ Elmar Pinkhardt und Alexandra Heckel nicken. Ute Bäzner: „Gut. Jetzt gucken wir uns rechts an.“

9.19 Uhr „Da ist was“, sagt Ute Bäzner. Dort, wo ein Laie nur etwas heller gepixeltes Grau im restlichen Taubengrau sieht, erkennen die Ärzte sofort ein Blutgefäß. Das darf nicht verletzt werden. Die Ärzte entscheiden sich für eine Alternativroute, die ein paar Millimeter versetzt liegt. Auch unter dem Zielpunkt befindet sich ein Blutgefäß, es darf also nicht darüber hinaus ins Gewebe gestochen werden. Und um das Verletzungsrisiko kleiner zu halten, werden nur zwei Elektroden statt der üblichen drei und möglichen fünf eingefügt.

9.41 Uhr Der Weg für jede Elektrode steht. „Es ist ganz, ganz selten, dass man gar keinen Weg findet“, erklärt Ute Bäzner, „aber es gibt Patienten, bei denen man auch mal drei bis vier Stunden plant.“

9.52 Uhr Ute Bäzner, Alexandra Heckel und Elmar Pinkhardt gehen in die OP-Schleuse, ziehen sich OP-Kleidung an, legen Haarhaube und Mundschutz an, waschen sich Hände und Unterarme, die beiden Operateurinnen legen rund sieben Kilogramm schwere Röntgenschürzen an, weil sie die Patientin gegen Ende der OP durchleuchten müssen.

10.05 Uhr Die Patientin ist schon im OP-Saal. Ihr Kopf ist über den stereotaktischen Basisring an der OP-Liege fixiert. Ute Bäzner begrüßt sie erneut. „Alles gut?“ Die Frau bejaht. Die OP-Schwester rasiert ihr die Haare. Anschließend reinigt sie die Kopfhaut, klebt sie mit Folie ab, damit das Risiko einer Infektion durch Hautkeime minimiert wird. Die Verlängerung der durchsichtigen Plastikfolie spannt sie oberhalb des stereotaktischen Rings. Die Patientin guckt darunter hervor. Ute Bäzner und Alexandra Heckel ziehen OP-Handschuhe an.

10.35 Uhr „Los geht’s“, sagt Ute Bäzner. Sie schätzt die OP-Zeit auf vier Stunden. Zuerst ist die linke Hirnhälfte dran, die für die rechte, stärker vom Parkinson betroffene Körperhälfte der Frau zuständig ist. Ute Bäzner spritzt in die Kopfhaut ein Betäubungsmittel und befestigt einen Zielbogen auf dem stereotaktischen Ring, über den analog der Winkel eingestellt und der Eintrittspunkt auf einem Raster markiert wird. Auf diesem Bogen befindet sich ein Einführstutzen mit einem Micro-Drive. Über diesen Aufsatz werden die Elektroden später halbmillimetergenau ins Gehirn eingeführt. Mit einem sterilen Hautstift markiert Ute Bäzner den Punkt, an dem der Schädel angebohrt wird.

Präzise Instrumente werden für eine Stereotaktische Operation in der Neurochirurgie des Bezirkskrankenhauses in Günzburg eingesetzt. Für die tiefe Hirnstimulation wird den Patienten in genau definierten Winkeln eine elektronische Sonde eingesetzt. Chirurgie Neuro BKH Medizintechnik Medizin Gesundheit Gesundheitsversorgung Klinik Krankenhaus
Foto: Bernhard Weizenegger

10.50 Uhr Der erste Schnitt. Halbkreisförmig um die spätere Einstichstelle herum. Ute Bäzner klappt die Kopfhaut nach oben und stoppt die Blutung, indem sie Gefäße mit Strom zuschweißt. Es darf kein Blut ins Gehirn gelangen. Dann markiert sie erneut die Stelle, an der sie den Bohrer ansetzen wird. „Jetzt bohre ich“, kündigt sie der Patientin an und kurz darauf erklingt im OP-Saal ein Zahnarztbohrer-ähnliches Geräusch. Die OP-Schwester hält die Hand der Patientin und streichelt sie mit dem Daumen. Sobald der Bohrkopf keinen Widerstand mehr spürt, stoppt er. Mit einer Knochenstanze und einer Fräse glättet Ute Bäzner die Ränder des Lochs etwas. Es hat jetzt fast die Größe eines Ein-Cent-Stücks. Mit Fibrinkleber verhindert Ute Bäzner, dass Gehirnwasser ausläuft und dadurch das Gehirn bei einem „Brainshift“ seine Position im Schädel leicht verändert. Das würde die Koordinaten durcheinanderbringen.

10.56 Uhr Ute Bäzner schraubt die Kappe am Schädelknochen fest, in der die Elektroden befestigt werden und die den Schädelknochen später verschließt.

11 Uhr Die Neurochirurgin kontrolliert noch einmal die stereotaktischen Koordinaten und führt dann mit dem Micro-Drive nach und nach drei je einen Millimeter starke Führungskanülen ein, die aber nicht bis zum Zielpunkt reichen. Ute Bäzner platziert in jeder Röhre eine Testelektrode, dreht das Rädchen des Micro-Drives und und schiebt die Metalldrähte langsam durch die Hirnrinde. Da das Gehirn kein Schmerzempfinden hat, braucht die Patientin keine weitere Betäubung. Durch die Markierungen am Einfuhrstutzen weiß die Ärztin, wie tief sich die Elektroden nun im Gehirn befinden. Elmar Pinkhardt überwacht am Laptop die elektrischen Gehirnimpulse, die über die Sonde empfangen werden. Die Balken auf dem Bildschirm sehen aus wie bei einem Seismografen. Je näher die Sonde dem Zielpunkt kommt, desto breiter werden die Balken. Einen Zentimeter vor dem errechneten Punkt beginnt der Countdown. Auf Elmar Pinkhardts Kommando tastet sich Ute Bäzner in Millimeter- und Halbmillimeterschritten vor und bestätigt anschließend jeden Vorstoß mit dem Micro-Drive. Pinkhardt: „Minus 6.“ Bäzner: „Minus 6.“ – „Minus 5.“ „Minus 5.“ – „Minus 4,5.“ „Minus 4,5.“ … „Minus 1.“ „Minus 1.“, „Minus 0,5“. „Minus 0,5“ Pinkhardt: „Zielpunkt.“ Bäzner: „Target.“

11.11 Uhr „Sind drin. Sieht gut aus“, sagt Elmar Pinkhardt in die Runde und mit Blick auf den Laptop-Bildschirm. Da unter dem Zielpunkt der linken Gehirnhälfte kein Blutgefäß liegt, schieben Ute Bäzner und Elmar Pinkhardt die Elektrode noch 1,5 Millimeter über das Ziel hinaus, um die Resonanz dort zu messen. Die Signale werden schwächer. Die Patientin guckt an die Decke. „Wir haben sehr schöne Signale, es sieht sehr gut aus“, sagt Ute Bäzner zur Patientin.

11.16 Uhr Elmar Pinkhardt steht auf und stellt sich neben seine Patientin. „Wir legen jetzt mit den Test los, Sie haben sehr schöne Hirnströme“, sagt er und bewegt nun die rechte Hand und den rechten Fuß der Patientin. „Jetzt bitte breit grinsen. Bitte Zähne zeigen“, sagt der Arzt und die Frau gehorcht. „Jetzt bis zehn zählen, dass wir es alle hören können.“ „1, 2, 3, 4, ...“ „Und nun greifen, die Hand öffnen und schließen“ …

11.18 Uhr „Merken Sie was? Nein? Gut! Wir machen jetzt den Strom an. Das wir nun vielleicht kribbeln. Das ist aber nicht schlimm, das darf so sein“, sagt der Neurologe und drückt eine Fernbedienung. Der Nucleus Subthalamicus seiner Patientin wird nun mit einer Stromstärke von vier Milliampere stimuliert. Elmar Pinkhardt bewegt wieder das rechte Handgelenk der Frau, das nun etwas weniger steif ist. „Sie machen das super!“, lobt der Arzt seine Patientin. Nun schiebt Ute Bäzner die Elektroden ein Stück weiter an den Zielpunkt heran. „Es kribbelt im rechten Bein“, sagt die Patientin. „Es ist gut, wenn Sie uns das sagen“, antwortet Ute Bäzner. Das Kribbeln gehört zu den groben Nebenwirkungen, auf die die Patientin im OP-Saal getestet wird. Deswegen müssen Patienten bei einer THS wach sein. Elmar Pinkhardt führt wieder die Tests durch, verringert die Stromstärke dabei immer weiter.

11.23 Uhr „Kribbelt es irgendwie?“, erkundigt sich der Neurologe. Die Patientin verneint. Sie zählt wieder, verfolgt mit den Augen die Finger ihres Arztes, die er vor ihrem Gesicht hin und her bewegt. Die Patientin atmet ruhig. Die Ärzte stimulieren den Bereich am Zielpunkt und zwei Millimeter darüber hinaus mit bis zu vier Milliampere Stromstärke.

11.29 Uhr Die erste Seite ist geschafft. „Alles gut? Das machen Sie super!“, lobt Ute Bäzner die Patientin.

11.35 Uhr Bis auf die beiden Neurochirurginnen und die Patientin müssen alle den OP-Saal verlassen. Über eine Röntgenaufnahme kontrollieren die Ärztinnen die Lage der Testelektroden, markieren diese auf dem Bildschirm, entfernen den Testdraht und platzieren dann an derselben Stelle die permanente Elektrode, an deren Ende sich vier Pole zur späteren Feineinstellung befinden. Ute Bäzner fixiert die Elektrode im Verschlusskäppchen, rollt das Ende wie eine Schnecke darum, legt den Hautlappen drüber und tackert ihn provisorisch fest.

11.42 Uhr Seitenwechsel, auch am OP-Tisch. Alexandra Heckel übernimmt die Operation an der rechten Hirnhälfte.

11.50 Uhr Der Zielbogen auf dem stereotaktischen Ring ist neu justiert, die Haut über der zweiten Eintrittsstelle betäubt, angeschnitten und hochgeklappt, die Blutung gestoppt, Alexandra Heckel setzt den Bohner an und schraubt kurz danach die Verschlusskappe am Schädel fest. Auch hier: Jeder Handgriff sitzt. Es wird wenig gesprochen. Die OP-Schwester reicht auch ohne Kommando die richtigen Instrumente, als könnte sie Gedanken lesen. Dabei ist es „nur“ Erfahrung.

Präzise Instrumente werden für eine Stereotaktische Operation in der Neurochirurgie des Bezirkskrankenhauses in Günzburg eingesetzt. Für die tiefe Hirnstimulation wird den Patienten in genau definierten Winkeln eine elektronische Sonde eingesetzt. Chirurgie Neuro BKH Medizintechnik Medizin Gesundheit Gesundheitsversorgung Klinik Krankenhaus
Foto: Bernhard Weizenegger

12.05 Uhr Zwei Führungskanülen mit dazugehörigen Testelektroden werden ins Gehirn eingeführt, wenig später senden sie wieder Hirnströme an Pinkhardts Laptop. Wieder der Countdown: „Minus 10.“ Heckel: „Minus 10.“ „Minus 9.“ „Minus 9.“ „Minus 8.“ „Minus 8“ … „Target“.

12.15 Uhr Elmar Pinkhardt zu seinen Kolleginnen: „Der Zielpunkt ist gut, gute Ströme.“ Und zur Patientin: „Jetzt gehen die Tests auf der zweiten Seite weiter.“ Patientin: „Zum Glück habe ich nur zwei Seiten.“ „Sie machen das wirklich gut“, sagt Elmar Pinkhardt lächelt und bewegt die linke Hand der Frau. Danach variiert er die Stromstärken und testet weiter. Elmar Pinkhardt merkt, dass die Patientin langsam von der anstrengenden OP müde wird: „Bald haben Sie es geschafft. Sie machen das super.“ Patientin: „So etwas macht man auch nicht jeden Tag.“

12.23 Uhr Wieder alle raus. Röntgen und Elektrodenaustausch.

Bei der Tiefen Hirnstimulation werden zwei Elektroden ins Gehirn des Patienten implantiert, die elektrische Impulse abgeben.
Foto: Repro: Neurochirurgische Klinik am Bezirkskrankenhaus Günzburg

12.30 Uhr Alexandra Heckel befestigt die Elektrode an der Verschlusskappe und verschließt die Wunde provisorisch.

12.35 Uhr Der stereotaktische Rahmen wird abgenommen. „Alles gut? Das haben Sie sehr gut gemacht“, lobt Ute Bäzner die Patientin.

12.37 Uhr Die Patientin bekommt eine Vollnarkose, weil die nächsten OP-Schritte schmerzhaft sind.

12.40 Uhr Ute Bäzner und Alexandra Heckel machen kurz Mittagspause im Gruppenraum des OP-Traktes. Eine Suppe. Eine Breze. Ein Kaffee. Dann weiter.

13.05 Uhr Ute Bäzner steht wieder im OP-Saal, die Unterarme angewinkelt, Handflächen nach oben. Die OP-Schwester hält die Gummihandschuhe auf, in die die Ärztin nun ihre Hände steckt. Die Technikerin programmiert über ein Tablet den Stimulator, einen Minicomputer, der gleich unterhalb des Schlüsselbeins implantiert wird.

Präzise Instrumente werden für eine Stereotaktische Operation in der Neurochirurgie des Bezirkskrankenhauses in Günzburg eingesetzt. Für die tiefe Hirnstimulation wird den Patienten in genau definierten Winkeln eine elektronische Sonde eingesetzt. Das Foto zeigt zwei Generatoren, die den Patienten unter die Haut verpflanzt werden: links mit per Induktionsstrom aufladbarem Akku, recht deutlich dicker mit einer mehrere Jahre lang funktionierenden Dauerbatterie. Chirurgie Neuro BKH Medizintechnik Medizin Gesundheit Gesundheitsversorgung Klinik Krankenhaus
Foto: Bernhard Weizenegger

13.15 Uhr Ute Bäzner öffnet die Nähte auf der Kopfhaut wieder, entwickelt die Kabel der Elektroden und markiert das linke mit einem verknoteten OP-Faden, damit sie beim Verlegen nicht die Seiten verwechselt. Am Hals macht sie unterhalb des Ohrs einen kleinen Längsschnitt in die Haut, durch den sie später auch die Kabel weiterverlegen wird. Alexandra Heckel schneidet oberhalb der rechten Brust der Patientin die Haut ein und näht den Generator des Hirnschrittmachers auf den Faszien des Brustmuskels fest. Er ist etwas größer als ein Zippo-Feuerzeug. Die Batterie hält zwischen drei und fünf Jahre – dann muss das Gerät operativ ausgetauscht werden.

Foto: Medtronic

13.22 Uhr Den Elektrodendraht der linken Hirnhälfte zieht Ute Bäzner unter der Kopfhaut zur Hautöffnung auf der rechten Kopfseite. Mit einem hohlen Metallstab, der wie eine gebogene Autoantenne mit Griff an einem und einer Spitze am anderen Ende aussieht, bahnt sie weiter unter der Haut einen Weg vom Kopf über den Hals zum Schlüsselbein der Patientin. Sie muss zum Teil mit Gewalt zustoßen und dabei aufpassen, dass sie nicht die Lunge ansticht. „Das ist der Part, den ich am wenigsten mag“, sagt sie und ergänzt scherzend: „Hätte ich das gewusst, wäre ich nicht Neurochirurgin geworden.“

13.25 Uhr Ute Bäzner zieht die Kabel der Elektroden durch den unter der Haut verlaufenden Metallstab bis zu der Öffnung im Brustbereich. Mit einem Minischraubenzieher verbindet Alexandra Heckel die Kabel mit dem Schrittmacher. Der Minicomputer wird erst später auf Station über ein externes Gerät aktiviert.

13.30 Uhr Die OP-Schwester füllt den Geräteträgerausweis aus.

13.36 Uhr Ute Bäzner und Alexandra Heckel vernähen die Wunden an Kopf, Hals und Brustbereich.

13.45 Uhr Alexandra Heckel setzt den Tacker zum letzten Mal auf der Brustwunde an. Ute Bäzner ist schon fertig und zieht den OP-Mantel aus.

13.46 Uhr Das Bett der Patientin wird reingeschoben. Die Ärztinnen und die OP-Schwestern heben die Frau von der OP-Liege auf das Bett um.

13.47 Uhr Die Patientin wird in den Aufwachraum der Intensivstation gefahren. Der OP-Saal gereinigt.

Präzise Instrumente werden für eine Stereotaktische Operation im Foto der Bausatz für den Basisring in der Neurochirurgie des Bezirkskrankenhauses in Günzburg eingesetzt. Für die tiefe Hirnstimulation wird den Patienten in genau definierten Winkeln eine elektronische Sonde eingesetzt. Chirurgie Neuro BKH Medizintechnik Medizin Gesundheit Gesundheitsversorgung Klinik Krankenhaus
Foto: Bernhard Weizenegger
Koffer mit Op-Material: Stereotaktischer Basisring. Präzise Instrumente werden für eine Stereotaktische Operation in der Neurochirurgie des Bezirkskrankenhauses in Günzburg eingesetzt. Für die tiefe Hirnstimulation wird den Patienten in genau definierten Winkeln eine elektronische Sonde eingesetzt. Chirurgie Neuro BKH Medizintechnik Medizin Gesundheit Gesundheitsversorgung Klinik Krankenhaus
Foto: Bernhard Weizenegger

13.52 Uhr Ute Bäzner macht eine kurze Pause. „Eine Wirbelsäule“ wartet noch auf sie. Noch mal zwei Stunden im OP.

Epilog Am nächsten Tag ist die Patientin schon wieder auf Station und berichtet, dass sie weniger Spannung und Eingeschlossensein spüre. Einen Tag später darf sie schon vor dem Krankenhaus ihren Hund streicheln. Nach zwei Wochen darf sie nach Hause. Elmar Pinkhardt betreut die Frau weiter und kümmert sich um die Feineinstellung des Hirnstimulators. Wie erfolgreich die Operation war, lasse sich erst nach zwei bis drei Monaten sagen, wenn der sogenannte Stecheffekt nachgelassen habe und die Wunden rund um den Eingriff im Gehirn verheilt seien. Klar ist aber: Der Verlauf von Morbus Parkinson wird dadurch nur verlangsamt, geheilt ist die Patientin nicht.

Foto: Lea Thies

Lesen Sie hier, wie ein Pfarrer die Wach-OP erlebte und wie er mit eingebauter Korrektur lebt.

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