Früher wurde der Klärschlamm als Dünger auf den Feldern ausgebracht. Darin enthalten waren aber auch Schadstoffe wie Rückstände von Medikamenten, weswegen es 2017 eine Gesetzesverschärfung gab. In Deutschland sind die Betreiber von Kläranlagen zudem ab spätestens 2029 (Großanlagen) und 2032 (mittlere Anlagen), gesetzlich verpflichtet, Phosphor aus der Asche der Klärschlammverbrennung zurückzugewinnen. Phosphor ist neben Stickstoff und Kalium eine unverzichtbare Voraussetzung, damit im Boden etwas wächst. Der Stoff ist aber nur noch begrenzt verfügbar und in Europa fast gar nicht vorhandenen, muss also importiert werden. Experten äußern gegenüber unserer Redaktion Zweifel, dass die Umstellung bis 2029 gelingen wird. In Altenstadt (Landkreis Weilheim-Schongau) hat bei der Firma Emter die modernste Anlage Europas dieser Größe den Betrieb aufgenommen. Das Unternehmen hat dabei mit dem Bundesforschungsministerium zusammengearbeitet.
Laut Geschäftsführer Johann Emter werden in seinem Unternehmen jährlich etwa 150.000 Tonnen Klärschlamm von 350 Kommunen aus dem süddeutschen Raum angeliefert und verarbeitet. Dieser enthält sehr viel Wasser und wird durch thermochemische Prozesse getrocknet und verarbeitet, sodass am Ende dabei 15.000 Tonnen Phosphatdünger gewonnen werden. Die Firma Emter hat in den vergangenen vier Jahren 3,5 Millionen Euro in den Umbau der bestehenden Anlage und ein Silo für Natriumcarbonat (Backpulver), das heuer noch fertiggestellt sein soll, investiert. Dieses wird dem Klärschlamm im nassen Zustand zugeführt, um die Reaktion zu verbessern. Bislang wird es in großen Säcken angeliefert.

Das Besondere in Altenstadt ist, dass der Prozess im Ganzen abläuft. Klassischerweise erfolgt erst die Verbrennung und dann der Aufschluss, um den Phosphor zu gewinnen. Üblicherweise kommt beim Aufschluss Erdgas zum Einsatz, weil dessen Preis aber infolge des Krieges in der Ukraine drastisch stieg, planten die Verantwortlichen noch einmal um. Genutzt wird nun die bei der Verbrennung frei werdende Energie. „Das ist die einzige große Anlage in Europa, die das kann“, sagt Dr. Hannes Herzel. Er arbeitet bei der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) im Bereich Thermochemische Reststoffbehandlung und Wertstoffrückgewinnung. Allerdings darf in mehreren EU-Staaten der Klärschlamm weiterhin auf Feldern ausgebracht werden.
Der Düngemittelhersteller Sepura aus Veitshöchheim bei Würzburg arbeitet mit der Firma Emter zusammen. Deren Geschäftsführer Dieter Leimkötter verweist darauf, dass es Phosphatvorkommen vor allem in Nordafrika, dem Nahen Osten, Russland und China gebe und die Europäische Union es wegen der Beschaffungsoptionen als kritisch eingestuft habe. „In 300 Jahren ist zudem alles aufgebraucht“, so Leimkötter. Deswegen sei die Anlage in Bayern ein „Meilenstein.“ An anderen Standorten kämpfen Unternehmen mit Widerständen. In Gersthofen und Straubing hat beispielsweise der Bund Naturschutz geklagt. Im Fall von Straubing hob ein Gericht die immissionsschutzrechtliche Genehmigung auf.
Es gibt zu wenig Anlagen für die reine Klärschlammverwertung in Bayern
Mit Blick auf die gesetzliche Zeitvorgabe äußert Herzel: „2029 wird fast keiner schaffen. Es gibt viele Verbrennungsanlagen, aber sehr wenige ausschließlich für Klärschlamm. „Viele werden wohl eine Mono-Anlage bauen und die Reste aus der Verbrennung zur Deponie bringen.“ Der Gesetzgeber habe hier eine Hintertür offen gelassen. Leimkötter verweist in dem Zusammenhang darauf, dass unklar sei, welche Kosten zu erwarten seien, wenn das Material später wieder aus der Deponie herausgeholt werden sollte. Laut Herzel fallen in Deutschland aktuell über 300.000 Tonnen Klärschlammasche an. Davon enthielten etwa 200.000 Tonnen genug Phosphat, damit ein Recycling auch wirtschaftlich in Betracht komme.
Zufrieden über die Qualität des Phosphatdüngers äußerte sich Leimkötter: „Die Chancen stehen gut, dass wir es auch in der ökologischen Landwirtschaft einsetzen dürfen. Verglichen mit einem chemisch hergestellten Phosphat hatte es vorher einen Wirkungsgrad von bis zu 50 Prozent, jetzt sind es 100.“ Auch die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft ist in das Projekt eingebunden. Laut Christian Adam, Herzels Abteilungsleiter am BAM, wurden sowohl im Gewächshaus als auch auf Feldern Versuche durchgeführt. Die für das Projekt des Bundesforschungsministeriums nötige Analytik übernahm die Universität Bonn.
Johann Emter kann sich – auch wenn es aktuell keine konkreten Pläne gibt – vorstellen, zu erweitern, sollten andere Projekte aufgrund von Widerständen nicht umgesetzt werden können.
Weitere Informationen zu dem Projekt können hier abgerufen werden.