Premierministerin Theresa May hat in ihrer Amtszeit viel falsch und nur wenig richtig gemacht. Warum sie voller Scham auf den Brexit-Trümmerhaufen blicken muss.
Das Wort historisch wird dieser Tage allzu häufig gebraucht. Bei der Beschreibung des Versagens der politischen Klasse Großbritanniens passt es aber vorzüglich. Auf offener Bühne vollzieht sich hier das beispiellose Brexit-Drama, choreografiert von der störrischen Premierministerin Theresa May, die in ihrer Amtszeit vor allem viel falsch und nur wenig richtig gemacht hat.
Die Niederlage am Dienstagabend, als ihr Deal im Parlament abermals krachend scheiterte, reiht sich in eine Serie von Schlappen ein und hat sie irreparabel beschädigt. In der Politik gibt es den schönen Begriff der lahmen Ente – nichts anderes ist die Premierministerin. Sie hat nicht nur den Machtkampf zwischen Regierung und Abgeordneten verloren, sondern auch komplett die Kontrolle.
Und das ist die gute Nachricht dieser Tage. Denn jetzt muss das Parlament übernehmen, um das Schlimmste, einen ungeordneten Brexit ohne Abkommen und Übergangsphase, zu verhindern. Allein mit dem Votum am Mittwochabend ist das nicht getan, eine Verlängerung des Scheidungstermins muss folgen. Dann gilt es, sich neu zu ordnen sowie überparteiliche Mehrheiten zu finden für eine alternative Form des Austritts aus der EU.
May hat Großbritannien in eine desaströse Situation gebracht
Das Land weiter zu spalten und in eine politisch desaströse Situation wie die jetzige zu manövrieren, darf beinahe als Leistung betrachtet werden. May müsste voller Scham auf diesen Trümmerhaufen in Westminster blicken, der zu einem großen Teil ihr Werk ist. Sie verfolgte jahrelang die Hinterzimmer-Strategie, im kleinsten Zirkel und unter Ausschluss der Öffentlichkeit einen Brexit-Deal mit Brüssel zu verhandeln, ohne die wichtigsten Akteure miteinzubeziehen: das Parlament, die Opposition, die anderen Landesteile oder die Wirtschaftswelt.
Das Partei-Wohl übertrumpfte in der Downing Street stets das Allgemeinwohl. Aus Angst vor Tory-internen Revolten wollte die Premierministerin die unerbittlichen Brexit-Hardliner in den eigenen Reihen befriedigen, denen es jedoch in Raupe-Nimmersatt-Manier niemals genug war und sein wird – egal, zu welchen Zugeständnissen sich die EU bereit erklären würde.
May ist auf ganzer Linie gescheitert
Noch bemerkenswerter ist Mays Vorgehen im Licht der politischen Realität, in der sie lediglich eine Minderheitsregierung unter der Duldung der erzkonservativen nordirischen DUP anführt. Von ihnen ließ sie sich kidnappen, vorführen und rote Linien diktieren. All ihre Fehler rächen sich nicht erst seit dieser Woche. Der Brexit hätte kaum schlechter umgesetzt werden können.
Und so ist Mays verantwortungsloser Regierungsansatz auf ganzer Linie gescheitert. In zwei Wochen verlässt das Königreich laut den Verträgen die Staatengemeinschaft – und auf der Insel herrscht das blanke Chaos. Niemand weiß, wie die Briten am 29. März aus der EU scheiden oder ob sie überhaupt Ende des Monats gehen, ob es Neuwahlen gibt oder ein zweites Referendum stattfindet. Nicht nur für Unternehmen ist diese Ungewissheit ungeheuerlich.
Statt im Januar, nachdem sie mit ihrem Deal zum ersten Mal eine krachende Niederlage erlitten hatte, ihre Taktik zu ändern, verfolgte May stoisch weiter ihre verfehlte Strategie, spielte auf Zeit und machte leere Versprechen, von denen sie wusste, dass die Regierung sie nicht halten können würde – schon allein deshalb, weil die EU bereits Konzessionen gegenüber London gemacht, aber auch stets klar auf ihren Prinzipien beharrt hat.
Mittlerweile ist genug Schaden für die britische Bevölkerung entstanden, als dass eine Post-Brexit-Zukunft mit May in der Downing Street akzeptabel wäre.
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Wenn eine Politikerin konsequent ist und ihr die Gefolgschaft verweigert wird - dann nennt man das wohl "sie hat die Kontrolle verloren". Ich würde das ganz anders bezeichnen.
In der Politik wird bekanntlich alles schöngeredet!
Konsequenz verdient nicht immer Gefolgschaft und sollte nicht mit Starrsinn und Am-Sessel-kleben verwechselt werden. Frau May erinnert schon ein wenig an den Witz mit dem Geisterfahrer auf der Autobahn.