So baut der Papst die Kirche um
Papst Franziskus wird es nicht bei Ankündigungen belassen. Er wird handeln. Und zwar schnell.
Papst Franziskus schwebt nicht in Lebensgefahr, weil er die katholische Kirche gerade tief greifend verändert. Diese Sorge treibt tatsächlich manchen Katholiken um. So übertrieben das sein mag: Es zeigt, wie stark der Wunsch nach Reformen ist und welch große Hoffnungen auf Franziskus ruhen. Er wird nicht alle Erwartungen erfüllen können und wollen – doch spätestens seit seiner „Regierungserklärung“, seit seinem ersten Apostolischen Schreiben steht fest: Franziskus will und wird die Kirche reformieren. Dieser Papst wird es nicht bei Ankündigungen belassen, dieser Papst wird handeln. Er wird schnell handeln. Das wissen nun seine Kritiker wie seine Unterstützer. Es ist dieses Wissen, das eine ungeahnte Dynamik entfacht.
Geist ist aus der Flasche
Man könnte auch sagen: Der Geist ist aus der Flasche und wird nicht mehr einzufangen sein. Erst gestern wurde ein offener Brief an Franziskus und das Kölner Domkapitel publik. Die Unterzeichner fordern, dass alle Kölner Katholiken in die Wahl eines neuen Erzbischofs einbezogen werden. Gesucht wird ein Nachfolger für Joachim Kardinal Meisner. Zu den Erstunterzeichnern gehören der bekannte Theologe Hans Küng, der Kritiker des Limburger Bischofs, Johannes zu Eltz, und der Jesuitenpater Klaus Mertes.
Mertes hatte vor drei Jahren auf Missbrauchsfälle durch Geistliche aufmerksam gemacht. Sie sollten keine Einzelfälle bleiben: Der Skandal erschüttert das Vertrauen in die Kirche bis heute. Der Fall des Limburger Bischofs hat in diesem Jahr sein Übriges getan. Zahlreiche deutsche katholische Geistliche – vom Pfarrer bis zum Bischof – sehen sehr klar, dass sich etwas ändern muss und etwas ändern kann. Sie glauben, die Zeit ist reif. Und sie schrecken nicht länger davor zurück, sich öffentlich zu äußern. Auch das ist der Franziskus-Effekt: Es wird innerhalb der Kirche allmählich wieder offener geredet, ohne die übermächtige, lähmende Angst vor Denunziationen.
Katholische Kirche befindet sich in einer historischen Umbruchphase
Die katholische Kirche befindet sich in einer historischen Umbruchphase. In einer Zeit wegweisender Entscheidungen, im Vatikan wie im Erzbistum Köln oder andernorts. Der Franziskus-Effekt ist überall. Mit Umbruchphasen gehen allerdings Unsicherheit einher und Kämpfe um Posten, Einfluss und Deutungshoheit. Das ist beinahe täglich zu beobachten. Konservative wie liberale Kräfte versuchen, Franziskus für sich einzunehmen – siehe Köln. Die Kirche ist in dieser Beziehung nicht anders als andere Organisationen.
Franziskus hat sich davon bislang nicht beirren lassen. Nicht von der Kurie, dem Regierungsapparat im Vatikan; nicht von der Öffentlichkeit. Er hat deutliche Vorstellungen von der Kirche der Zukunft: Sie soll den Menschen nahe sein und nicht um sich selbst kreisen. Sie soll sie von der Frohen Botschaft überzeugen, indem sie die Frohe Botschaft überzeugend lebt. Franziskus’ Idealkirche wird nicht von Rom aus beherrscht, ja nicht einmal vom Papst – sie ist ein großes Ganzes aus vielen, möglichst selbstständigen Teilen. Franziskus’ Kirche ist eine „glaub-würdige“ Kirche, und eine „allumfassende“, denn das bedeutet das Wort „katholisch“. Deshalb lässt er sich von einem Kardinalsgremium beraten, deshalb wird er die Kurie und die skandalträchtige Vatikanbank reformieren, und die Kirche in einer Weise umbauen, wie das seit Jahrzehnten nicht geschehen ist.
Umbrüche können zu Aufbrüchen werden – oder zu Abbrüchen. Franziskus hat sich für den Aufbruch entschieden, schließlich solle die Kirche kein „Museumsstück“ werden oder „Eigentum einiger weniger“. Franziskus wird am 17. Dezember 77 Jahre alt. Er wird seine Zeit als Papst nutzen.
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