Das G9 kehrt an die meisten Gymnasien zurück
Der Ministerialbeauftragte wagt einen Ausblick: Nur etwa 30 Prozent bleiben beim jetzigen Modell. Was Eltern bei der Entscheidung für die Zukunft ihrer Kinder helfen kann.
Soll mein Kind den Weg zum Abitur in acht oder in neun Jahren einschlagen? Vor dieser Frage werden voraussichtlich Eltern in der Region Augsburg in eineinhalb Jahren stehen, wenn ihre Söhne und Töchter den Übertritt aufs Gymnasium geschafft haben. Denn zum Schuljahresbeginn 2018/19, so plant die bayerische Staatsregierung, soll die Wahl zwischen einer acht- und einer neunjährigen Gymnasialzeit für alle möglich sein. Wie das Konzept, das es heute noch gar nicht gibt, in der Region umgesetzt wird und wie es sich auf den Wettbewerb auf die Schulen untereinander auswirkt, das werde sicher „die spannendste Frage“, sagt Ministerialbeauftragter Peter Kempf. Erst in knapp einem Jahr soll es das Konzept geben, dann können die einzelnen Schulen entscheiden, was sie umsetzen möchten.
Nach Einschätzung von Peter Kempf werden sich die einzelnen Schulen entweder für ein acht- oder für ein neunjähriges Gymnasium entscheiden müssen, schon allein aus organisatorischen Gründen. „Nur an ganz großen Schulen wird es möglich sein, beide Varianten parallel anzubieten.“ Die größte Augsburger Schule ist übrigens das Holbein-Gymnasium mit rund 1200 Schülern, dahinter folgt das Gymnasium Königsbrunn mit 1170 Schülern. Dabei geht es nicht allein darum, ob die Schülerzahl ausreicht, zwei Modelle nebeneinander anzubieten, sondern auch um den Platz.
"Offen für beide Modelle"
Dieser Diskussion sieht der stellvertretende Schulleiter des Gymnasiums Königsbrunn, Volker Täufer, zumindest gelassen entgegen. „Wir hatten schon mal 1400 Kinder. Wir sind offen für beide Modelle“, sagt er. Kempf rechnet damit, dass etwa 70 Prozent der Eltern für ihre Fünftklässler die Variante der neunjährigen Gymnasialzeit wählen werden – entsprechend den Erfahrungen mit dem Versuch der Mittelstufe+, bei dem die Schuljahre 7 bis 9 auf vier Jahre gestreckt werden. In der Region läuft das Modell am Anna-Gymnasium und wird dort mit einer ähnlichen Quote angenommen.
Und welches Kind solle sich nun für welche Lernzeit entscheiden? „Das hängt vom eigenen Ausgangspunkt ab. Wer mit der zweiten Fremdsprache ab der sechsten Klasse oder auch dem Übergang von der achten zur neunten Klasse nicht so gut klar kommt, bei wem die Strukturen noch nicht so sitzen, der sollte sich für eine längere Schulzeit entscheiden“, zeigt der Ministerialbeauftragte Anhaltspunkte.
Eltern kritisieren: In der Schule geht es auch um Persönlichkeitsentwicklung
Eine Einteilung, die der Bezirksvorsitzende Schwaben des Bayerischen Philologenverbands, Stefan Düll, so überhaupt nicht treffen möchte. Für ihn geht es um etwas ganz anderes, nämlich den Lebensstil ganzer Familien. Viele wünschten sich, dass die Schule nicht mehr der so vieles entscheidende Faktor im Familienleben sei. Und wenn neun Jahre Gymnasium bedeuten, dass Kinder wieder mehr Zeit am Nachmittag haben, dann sei das gut so. Einfach Nachdenken oder auch mal nichts tun, das tue den Kindern und Jugendlichen in ihrer Entwicklung gut und beeinflusse auch das Lernen positiv. Zudem würden dann, auch eine Erfahrung aus dem Anna-Gymnasium, die Wahlkurse wieder stärker nachgefragt, „und die sind doch ein Kennzeichen des Gymnasiums“, so Düll.
An diesem Punkt setzt auch die Kritik der Elternvertreter an. In der Schule gehe es schließlich auch um die Persönlichkeitsentwicklung, beschreibt der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Elternbeiräte der Gymnasien in der Region Augsburg, Hilmar Mante. Wenn allein der zeitliche Faktor im Vordergrund stehe, dann verschleiere das doch die eigentlichen Schwächen des aktuellen Systems. Und die lägen unter anderem darin, dass pädagogische Erkenntnisse und Erfordernisse nicht erkennbar umgesetzt würden, so der Vertreter der Landesarbeitsgemeinschaft der Elternbeiräte an Gymnasien.
40 Prozent der Grundschüler wechseln aufs Gymnasium
Dabei ist es nicht allein die Frage nach G8 oder G9, die das Planen für die Gymnasien in der Region schwierig macht. Peter Kempf sieht die Entwicklung der Bevölkerungsstruktur als einen zweiten Effekt. In den vergangenen Jahren lagen die Übertritte von der Grundschule aufs Gymnasium immer um die 40 Prozent. Gleichzeitig haben sich aber zu diesem Schuljahr etwa zehn Prozent mehr Kinder auf den Schulen in der Stadt angemeldet als zuvor – hauptsächlich, weil Augsburg größer wird. Denn gleichzeitig hätten die neuen Gymnasien in Mering und Diedorf dafür gesorgt, dass jetzt schon etwa 1000 Schüler weniger auf andere Schulen verteilt werden müssen. Und dabei sind beide Einrichtungen noch im Aufbau. In Mering übrigens hat sich die Schule bei ihrem Neubau, den sie gerade bezogen hat, auf eine besondere Weise für die mögliche Rückkehr zu einem neunjährigen Gymnasium gerüstet: Sämtliche Baukörper sind so ausgelegt, dass ein weiteres Stockwerk problemlos aufgesetzt werden kann.
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