Bis(s) zum nächsten Kapitel
Anna Verena Baumann und Felizitas Schauer waren die Hauptcharaktere der Vampir-Saga Twilight zu langweilig. Nun schreiben sie die Nebenrollen in den Vordergrund
„Als Jasper und ich zum Jagen aufbrachen, schien der Vollmond hell vom wolkenlosen Himmel herab. [...] Wir wollten gerade umkehren, als der monströse Wolf aus dem Gebüsch brach. [...] Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass Jasper, mein tapferer Jasper, auf mich zurannte, vermutlich, um mich aus dem Weg zu stoßen oder mich sonst irgendwie zu beschützen. Doch noch im selben Moment durchzuckte ein höllischer Schmerz, wie ich ihn bisher erst einmal gespürt hatte, meine rechte Schulter.
Mein Blick verschwamm, bis ich nichts mehr sah und das Letzte, was ich spürte, bevor mich eine scheinbar unendliche Schwärze verschluckte, war, wie etwas Feuchtes über meine Wange kullerte
...eine Träne?!“
So beginnt er, der Prolog eines Buches zur Vampir-Saga Twilight. Eines der über 12800 Bücher, die auf der Internetseite www.fanfiktion.de zu finden sind. Das Besondere: Keines dieser Bücher stammt von der Autorin der Twilight-Saga Stephenie Meyer, der geistigen Erfinderin von Edward, Bella und Co. Vielmehr sind es Fans wie Anna Verena Baumann (13) aus Apfeltrach und Felizitas Schauer (14) aus Baisweil, die ihren Fantasien rund um die Vampirgeschichte freien Lauf lassen. Die beiden Schülerinnen gehen im Maristenkolleg Mindelheim in die neunte Klasse des Gymnasiums und betreiben in ihrer Freizeit „Fanfiktion“. Ganz grob gesagt erfinden sie zu bereits bekannten Charakteren neue Geschichten. Ist ein Kapitel fertiggestellt, laden es die beiden auf die Webseite hoch, unter dem Autorenpseudonym „Volturi-Sisters“.
Seit dem Kindergarten, als sie noch in Stetten wohnten, kennen sich die beiden lesebegeisterten Mädchen. Vor gut einem Jahr haben sie im Internet die Fanfiktion für sich entdeckt. Seitdem widmen sie sich intensiv ihren Geschichten rund um Vampire. Egal, ob in Schulpausen oder bei einem der Mädchen zu Hause – immer sind Stift und Schreibpapier dabei. Mittlerweile hat sich Anna ein Notizbuch angeschafft. Die losen Blätter waren ihr mit der Zeit zu chaotisch. Wenn aus den Stichpunkten und Ideenskizzen dann ein Kapitel entsteht, versinken die beiden Mädchen in ihrer Vampirwelt.
Ihre Hauptfiguren sind die Volturi, eine über 3000 Jahre alte, im italienischen Volterra ansässige Vampirsippe. In der Twilight-Saga sind sie so etwas wie die Bösewichte. „Wir fanden die Hauptcharaktere langweilig und doof“, sagt Anna geradeheraus. Deshalb haben sich die beiden Freundinnen Nebenfiguren in ihren Geschichten in den Vordergrund gestellt – und sparen nicht mit dem einen oder anderen Seitenhieb auf Edward und Bella. „Die streiten sich bei uns ständig – und das kommt ganz gut an bei den Lesern“, sagt Felizitas und grinst. Die Leser nämlich können ihre Kommentare zu den Kapiteln abgeben. Für ihr erstes Buch, „Alice’ Tochter“ haben sie aktuell 68 Kommentare – und die sind durch die Bank positiv: Neben der guten Idee für die Geschichte wird der Schreibstil der beiden gelobt – und so mancher Vorschlag gegeben, wie die Geschichte weitergehen könnte.
„Wenn wir mal selber nicht weiterkommen, hilft das ganz gut“, sagt Felizitas. Immer wieder lassen die „Volturi-Sisters“ auch eigene Erfahrungen einfließen, etwa den Schulalltag. „Ich hatte mal Schiss vor einer Latein-Schulaufgabe“, sagt Anna. Diese Erfahrung durfte dann auch Lilith, einer ihrer Charaktere, „erleben“ – mit einem versöhnlichen Ende. „Lilith hatte eine gute Note. Und ich am Ende auch“, sagt Anna und lacht. Auch sonst scheinen sich die Erfahrungen mit Fanfiktion auf die Schule auszuwirken. „Ich habe zu einem Aufsatz mal ein Lob vom Lehrer bekommen. Er hat darunter geschrieben, dass man merkt, dass ich öfter Texte schreibe“, erzählt Anna, über die ihre Mutter sagt, dass sie Bücher regelrecht fresse. Ihr eigenes Werk ist jedoch noch unvollkommen. Vier Bücher mit insgesamt 46 Kapiteln stehen aktuell von den Volturi-Sisters online. Fertig gestellt ist noch keines. „Wir wissen, wie es ausgehen soll“, sagt Felizitas. Den richtigen Weg zum Ausgang haben sie aber noch nicht. Eines ist jedenfalls sicher. „Wir schreiben kein gekünsteltes Ende wie in den Büchern. Das war einfach nur hingeklatscht und teilweise unlogisch“, sagt Felizitas über die Trilogie von Stephenie Meyer. Die kleine Fangemeinde der Volturi-Sisters jedenfalls kann es mitunter kaum erwarten, bis ein neues Kapitel online steht.
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