Der Westernacher Anton Schuster will bei den Weltspielen eine Medaille erradeln
Es sind seine zweiten Weltspiele, an denen Anton Schuster teilnimmt. Der geistig gehandicapte Radsportler aus Westernach will in Berlin nun erstmals eine Medaille ergattern.
Dass ihre Idee, geistig beeinträchtigten Sportlern eine internationale Bühne zu bieten, einmal so groß werden könnte, hätte Eunice Kennedy Shriver wohl selbst nicht gedacht. Die Schwester des ehemaligen Präsidenten der USA, John F. Kennedy, rief 1968 die Special Olympics ins Leben, der damals weltgrößten Veranstaltung für Behindertensport. Diese kommt nun für die Weltspiele erstmals nach Deutschland. In Berlin ist dann auch Anton Schuster aus Westernach am Start.
Mittlerweile haben sich die Special Olympics neben den Paralympics für körperlich beeinträchtigte Sportler als Großereignis etabliert. Erstmals finden in diesem Jahr die Weltspiele in Deutschland statt. In Berlin kämpfen vom 17. bis 25. JuniSportlerinnen und Sportler, ähnlich wie bei den Olympischen Spielen, um Medaillen.
Anton Schuster ist einer von zwei bayerischen Radsportlern
Rund 7000 Athletinnen und Athleten aus 190 Ländern werden sich in 26 Sportarten messen. Darunter auch ein 34-jähriger Radrennfahrer aus Westernach bei Mindelheim: Anton Schuster ist einer von zwei bayerischen Radsportlern (neben Tatjana Bub aus Nürnberg), die es in den 16-köpfigen Special-Olympics-Radkader Deutschlands für die Weltspiele geschafft hat. Ausschlaggebend waren hierfür die Ergebnisse, die Schuster bei der deutschen Meisterschaft im vergangenen Jahr – ebenfalls in Berlin – eingefahren hat: „Da habe ich zwei Goldmedaillen gewonnen“, sagt Schuster, der das Down-Syndrom aufweist. Mit diesem Handicap haben Schuster und seine Eltern leben gelernt.
Vater Joachim, ein ehemaliger Boxer, und Mutter Cecilia haben ihren Sprössling stets unterstützt, ihn aber auch selbstständig werden lassen. „Die beste Entscheidung war, dass Anton vor 20 Jahren zum Velo Club Mindelheim gekommen ist“, sagt Vater Joachim. Er war zusammen mit Josef Hämmerle der Treiber, dass in der Rennabteilung des VC Mindelheim eine eigene Gruppe für Special-Olympics-Fahrergeboren wurde und die Special-Olympics-Rennen im Rahmen des Mindelheimer Altstadtkriteriums ausgetragen werden. Die Teilnehmer fanden sich schnell über die Unterallgäuer Werkstätten, die in Mindelheim ansässig sind und behinderten Menschen im Arbeitsleben unterstützen. Anton Schuster ist seit Jahren bei den Landschaftsgärtnern, fährt beinahe jeden Tag mit dem Rad von zu Hause in die rund sieben Kilometer entfernte Arbeitsstelle.
Das Radfahren hat Anton Schuster viel gebracht
„Das Radfahren hat ihm nicht nur Spaß gemacht, sondern ihn auch weitergebracht“, sagt Joachim Schuster. So müssten sich er und seine Frau keine Sorgen machen, wenn Anton alleine unterwegs ist. „Er findet immer heim, das ist ein Riesenvorteil für sein Leben“, sagt Joachim Schuster. „Er kennt alle Ortschaften in der Umgebung, manche sogar besser als andere Fahrer, die nach dem Navi fahren“, sagt Jochen Schmid. Der Vorsitzende des VC Mindelheim nennt Anton Schuster eine „Bereicherung für den Verein“. Er sei immer gut gelaunt und voll motiviert bei der Sache. Bei gemeinsamen Ausfahrten müsse man ihn gelegentlich jedoch einbremsen. „Er fährt immer recht schnell los, und wenn er dann müde ist, dann ist er müde“, sagt Schmid lachend.
Diese Eigenschaft sieht Schmid jedoch auch als Chance für Schuster bei den Weltspielen: „Ich denke, dass er im Zeitfahren eine echte Chance auf das Podest hat. Das ist seine Stärke: Wenn er für sich alleine fährt, dann ist er wirklich gut.“
Nur auf seiner Paradestrecke kann er in Berlin nicht starten
In Berlin wird Schuster über die fünf Kilometer und zehn Kilometer im Einzelzeitfahren an den Start gehen – als amtierender Deutscher Meister über die Zehn-Kilometer-Strecke in der Leistungsklasse 1. Über die fünf Kilometer lange Distanz hatte es im vergangenen Jahr für Bronze gereicht. Außerdem startet Schuster in Berlin im Straßenrennen über fünf Kilometer. Seine eigentlich stärkste Disziplin sei jedoch das Straßenrennen über 25 Kilometer, sagt sein Vater. Und genau dabei sei bei der Anmeldung ein Fehler passiert, den sie zu spät gemerkt hätten. „Die Einspruchsfrist war dann schon vorbei, sodass Anton jetzt nicht über die 25 Kilometer starten kann“, sagt Joachim Schuster.
Doch Anton ficht das nicht an. Immerhin kennt er die Radstrecken in Berlin, hat also gegenüber seinen Konkurrenten dank der Teilnahmen an der deutschen Meisterschaft einen kleinen Heimvorteil: „Brandenburger Tor, Straße 17. Juni, Siegessäule“, sprudelt es aus ihm heraus. Dort, wo er im vergangenen Jahr zwei Gold- und zwei Bronzemedaillen geholt hatte.
Vor zwölf Jahren stürzte er bei den Weltspielen in Athen
Ein weiterer Vorteil dürfte sein, dass Anton Schuster zu den erfahrenen Sportlern gehört. Die Weltspiele in Berlin sind bereits seine zweiten: Schon 2011 war er dabei, damals in Athen. „Mein Gott, war das heiß damals“, erinnert er sich. Vor zwölf Jahren hat es nicht ganz zu einer Medaille gereicht, „weil ich einmal gestürzt bin. Das war Mist“, sagt er. Schleifen statt Medaillen gab es damals für ihn nach einem vierten und sechsten Platz. Diesmal wünscht er sich eine Medaille. „Doch, doch, eine hole ich“, sagt er zuversichtlich. „Aber Hauptsache: kein Sturz“, sagt er.
Zwar werden seine Eltern ebenfalls nach Berlin kommen, doch Anton hat mit seinen Team- und Zimmerkollegen schon ein paar Pläne gemacht, wie sie in der Hauptstadt die rar gesäten Wettkampfpausen in den sieben Tagen so verbringen werden. „Vielleicht können wir mit ihm andere Wettkämpfe ansehen“, sagt Vater Joachim. Am meisten freut sich Anton Schuster auf die Eröffnungsfeier im riesigen Olympiastadion. „Das wird spitze“, ist er sicher.
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