Trotz Corona: Deutsche leisten viele Überstunden – meist unbezahlt
Auch in der Krise machen deutsche Arbeitnehmer viele Extraschichten. Allein im ersten Halbjahr 2020 fielen dem IAB zufolge 794 Millionen Überstunden an.
Trotz der Corona-Folgen in der Wirtschaft mit Lock-Down und Kurzarbeit machen deutsche Arbeitnehmer jede Menge Überstunden. Rund 800 Millionen waren es allein im ersten Halbjahr 2020. Die zusätzliche Arbeit wird dabei in besonders vielen Fällen unbezahlt geleistet. Das geht aus Zahlen hervor, welche die Linksfraktion im Bundestag zusammengetragen hat und die unserer Redaktion vorliegen.
Die Angaben stammen vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB). Linken-Fraktionsvize Susanne Ferschl sagte unserer Redaktion: "Überlange Arbeitszeiten sind ein massiver Eingriff in das Familien- und Sozialleben und schädigen die physische und psychische Gesundheit der Beschäftigten. Durch die unbezahlten Überstunden entgehen den Sozialversicherungen Milliarden an Einnahmen und werden Arbeitsplätze vernichtet."
423 Millionen Überstunden wurden nicht bezahlt
Das IAB, die Forschungseinrichtung der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg listet für die erste Jahreshälfte 794 Millionen Überstunden der deutschen Beschäftigten auf. Das sind 110 Millionen weniger als im ersten Halbjahr 2019. Dabei wurden 423 Millionen Überstunden nicht bezahlt, 370 Millionen Überstunden wurden bezahlt.
Bei den bezahlten Überstunden ist durch das zeitweise Herunterfahren vieler Betriebe und Einrichtungen ein deutlicher Einbruch zu erkennen. Wurden in den ersten drei Monaten des Jahres noch 207 Millionen Überstunden gemacht, sind es von April bis Juni lediglich 163 Millionen Überstunden.
Wesentlich schwächer fällt der Rückgang bei den unbezahlten Überstunden aus. Hier liegt die Differenz bei 13 Millionen Stunden. In den ersten drei Monaten leistetet die die Beschäftigten 218 Millionen unbezahlte Überstunden, von April bis Juni waren es noch 205 Millionen.
Susanne Ferschl kritisiert mangelnde Arbeitszeiterfassung
Linken-Politikerin Ferschl kritisiert: "Die Ursachen für das riesige Überstundenvolumen sind vielfältig. Auch im Lockdown sind die unbezahlten Überstunden nicht gesunken – unsere Wirtschaft basiert auf einem Sockel von Abermillionen Stunden unbezahlter Arbeit." Ob unbezahlte Überstunden aus Angst vor Job-Verlust oder durch eine hohe Motivation und Arbeitsanforderung verursacht würden, sei irrelevant.
In der Konsequenz würden allein die Arbeitgeber profitieren. "Die Kosten tragen die Beschäftigten und die Allgemeinheit", so Ferschl weiter. Die Bundesregierung werde ihrer Verantwortung in keiner Weise gerecht. Es sei "ein Unding, dass die vom Europäischen Gerichtshof geforderte Arbeitszeiterfassung noch immer nicht umgesetzt ist". Besonders die Union verhindere, dass Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet werden, jede geleistet Arbeitsstunde aufzuzeichnen.
Die Ex-Gewerkschafterin: "Es ist weder das erste, noch das einzige Beschäftigtenschutzgesetz, dass diese Koalition in der Schublade versenkt hat und damit eine Politik auf dem Rücken der Arbeitnehmer macht." Weitere Beispiele seien die im Koalitionsvertrag vereinbarte Einschränkung der sachgrundlosen Befristung und zuletzt das Arbeitsschutzkontrollgesetz für die Fleischindustrie.
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Schwer zu glauben. Was machen denn z.B. städtische Angestellte die in Hallenbädern, und das ist nur ein Beispiel, arbeiten? Überstunden?