Er will einmal zum Mars – und nie mehr zurück
Robert P. Schröder will hoch hinaus. Dorthin, wo kein Mensch bisher war: auf den Mars. Es wäre eine Reise ohne Rückflugschein. Über einen Mann, der alles zurücklassen würde.
Vielleicht ist es ja wirklich so. Vielleicht muss man nicht ausgesprochen zäh, nicht Einstein junior, nicht tipptopp austrainiert, kein Pilot mit tausenden Flugstunden sein, nicht Jahrgangsbester im Studium der Luft- und Raumfahrttechnik. Vielleicht muss man einfach nur herrlich stur sein. Also von so sternenstrahlender Sturheit, dass daneben nur der Wille noch heller leuchtet.
Robert P. Schröder, 28, sagt es so: „Wenn ich etwas ernst meine, dann halte ich daran auch fest.“ Auf der Visitenkarte steht: „Mars One Astronaut Candidate“. Schröder, sanfter Händedruck, freundliches Lächeln, Hobby Badminton, nach eigenen Angaben sehr stur, will hoch hinaus. Er will zum Mars. Eines besser nahen als fernen Tages will er in einer Rakete der niederländischen Unternehmung „Mars One“ sitzen und Richtung Roter Planet abheben.
Und wenn er da nach sechs bis acht Monaten Flugzeit ankommt, wenn die Kleinigkeit mit der Landung geklappt hat und auch sonst nix passiert, dann wollen er und die anderen auserwählten Kolonisten die erste menschliche Siedlung auf dem Mars bauen. Schröder will alles zurücklassen. Familie, Freunde, Existenz. Einfach alles. Es ist eine Reise ohne Rückflugschein. Auf Nimmerwiedersehen.
24 Kandidaten dürfen abheben
Wenn man ihn da sitzen sieht, im Audi.torium in Ingolstadt, wo er mit Volker Maiwald vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) diskutiert, denkt man das eher nicht. Aber erstens kann man Menschen ihre Willenskraft nicht unbedingt ansehen. Zweitens meint man dann in seinem Blick doch eine Härte zu erspüren. Aber das ist Kaffeeklatsch-Psychologie. Weshalb man sich drittens besser an das hält, was er sagt. Ob das nur nicht einklagbares Geschwätz oder die ernsten Worte eines mutigen Mannes sind, wird man in ein paar Jahren vielleicht überprüfen können. Denn „Mars One“ soll live und weltweit im Fernsehen übertragen werden. 200.000 Interessenten hat es für die Mission gegeben, über 4000 vollständige Bewerbungen sind eingegangen. 100 Kandidaten sind noch übrig. 24 davon dürfen abheben, heißt es. Ende 2017 soll die nächste Auswahlrunde abgeschlossen sein.
Schröder will dann noch dabei sein. Unbedingt. Er setzt sich gerne durch, sagt der Elektrotechnikstudent aus Darmstadt. „Einen Menschen zu nehmen, der das nicht zu hundert Prozent vertritt, kann sich Mars One einfach nicht leisten.“
Diese hundert Prozent sind das große Problem seiner Eltern. Die wollen alles, aber nicht, dass der eigene Sohn irgendwann in dieser Rakete sitzt und die Triebwerke gezündet werden. Aber da ist Schröder halt stur. Er weiß: „Wenn ich weiterkomme, dann wird es schwierig.“ Und spricht dabei ruhig und sachlich, wie die ganze Zeit zuvor schon. Seine Kalkulation ist fertig: „Um etwas zu schaffen, muss man ein gewisses Risiko eingehen. Und ich gehe nicht nur das Risiko ein, auf dem Mars zu landen. Ich möchte auf dem Mars auch was erreichen.“
Die Mars-Siedler müssen Pflanzen züchten
Nun ist der Planet recht unwirtlich: minus 55 Grad in den wärmeren Gegenden. Und es gibt die ein oder andere Zusatz-Herausforderung – Wasser muss gefunden und gewonnen werden, die Siedler brauchen Sauerstoff, müssen Pflanzen züchten. Die Strahlung ist ein Problem. Es gibt einiges zu tun. Schröder sagt, dass er Steaks vermissen wird. Auf dem Mars steht eher vegan auf dem Speiseplan. Und vielleicht irgendwann Insekten.
Was da oben alles danebengehen kann, weiß Volker Maiwald. Der Raumfahrtforscher des DLR hat 2013 in der Wüste von Utah mit anderen Wissenschaftlern getestet, wie sich Leben auf dem Roten Planeten anfühlen könnte. Neben all dem, was technisch und praktisch schieflaufen kann, von der hochkomplexen Landung bis zum Transport diverser Ausrüstungsgegenstände auf dem unwägbaren Gelände, betont er vor allem die psychischen Risiken, den Druck. Kein Mensch habe jemals diese Erfahrung auf dem Mars gemacht. „Und angesichts dessen finde ich es grausam, wenn jemand sagt: Du bleibst für immer da.“
Schröder ist das alles klar, aber er bleibt dabei. Mit Blick auf das tödliche Risiko, das er eingeht, sagt er: „Wenn ich nicht überzeugt wäre, würde ich es lassen.“ Und: „Ich bin einfach sehr gerne am Puls der Zeit, um Dinge voranzutreiben. Ich nehme das ernst und versuche, daran beteiligt zu sein.“ Er will tatsächlich Fortschritt gestalten: „Wir sind ja früher auch aus den Höhlen herausgekrochen und haben die Welt erkundet. Und wenn wir das nicht machen, bleiben wir irgendwo stehen. Und dann sind wir rückständig.“
Wenn er zu den letzten 24 gehört, die irgendwann voranschreiten dürfen, bekommt Schröder einen vergüteten Ausbildungsvertrag und das Training für Tag X beginnt. Vielleicht sollten die Kandidaten ihr Gehalt, das sie da oben kaum brauchen werden, gleich wieder für die Mission spenden? Denn noch scheint die Finanzierung nicht zu stehen. Eine Mars-Crew da hochzuschießen, kostet.
Schröder hat keine ganz genauen Zahlen parat. Aber seiner Kenntnis nach dürfte für die erste Mars-Mission (mit den ersten vier Kolonisten) mit rund sechs Milliarden US-Dollar zu rechnen sein. Raumfahrtforscher Maiwald hält das für „völlig illusorisch“. 60 Milliarden Dollar seien schon ambitioniert, weniger schwer vorstellbar.
Maiwald bleibt freundlich, aber sehr kritisch. Er hält diese „Mars- One“-Mission mit der bestehenden Technologie für nicht durchführbar: „Wir sind noch weit davon entfernt.“ Der anvisierte Starttermin liegt bei 2026. Maiwald hofft, und das eint ihn mit Schröder, dass er noch erlebt, wenn Menschen zum ersten Mal den Mars betreten. Und noch eines hat der Wissenschaftler mit Kandidat Schröder gemeinsam: Wenn sie, und er meint damit nicht „Mars One“, ihn hochfliegen ließen, würde auch er. „Auf jeden Fall.“
Entstand die Sehnsucht beim Star Wars-Schauen?
Wie alles begann für Schröder? Ja, so klassisch: Mit Papa auf der Couch. Beim Star Wars-Schauen. Damals muss diese Sehnsucht entstanden sein, die ihn dann, als er 2013 einen Clip über die Mission im Fernsehen sah, zu „Mars One“ führte. „Der hat meine alten Träume wieder aufgeweckt.“ Die allerdings zwischenzeitlich auch irgendwo im Sternenstaub verschwunden waren. Die recht nahe liegende Frage, warum er denn nicht versuche, auf den herkömmlichen Wegen Astronaut zu werden, beantwortet er so: Beworben habe er sich nie bei der Nasa oder so. Er weiß auch nicht, ob er es geschafft hätte, diese harten Auswahlrunden zu überstehen, aber er fühlt sich wohl, sagt er, da, wo er ist. „Mars One ist eine Quereinsteiger-Option, die ich sehr gerne wahrnehme.“ Schröder bleibt überzeugt, dass er es schaffen kann: „Weil ich den Wunsch und das Ziel verfolge zum Mars zu fliegen und da eine Siedlung zu errichten. Die suchen schon Leute, die das gerne durchziehen wollen.“
Nicht durchziehen geht übrigens: „Man kann sich jederzeit dazu entscheiden, dass man das nicht mehr machen möchte.“ Und was könnte ihn dazu bringen? Eine Frau vielleicht? Die große Liebe? Schröder: „Ich weiß nicht, was da auf mich zukommt. Ich kann nicht in die Zukunft schauen. Rein logisch betrachtet, würde ich das eiskalt so sehen: Wenn sie die Richtige ist, dann ist das eine Entscheidung zwischen Frau fürs Leben und Mars fürs Leben.“ Aber das sei nur die rationale Betrachtung. Denn: „Gefühle können einen da schon durcheinanderbringen.“ Das lässt er besser nicht seine Eltern hören.
Wie bereitet man sich im Alltag auf so eine mögliche Mission vor? Schröder sagt, er liest viel. Alles zum Mars, versteht sich. Und er tauscht sich aus mit der Community der 100 noch übrigen Kandidaten. Man lernt sich so allmählich kennen. Was extrem sinnvoll erscheint, denn man sollte schon genau wissen, mit wem man eine kleine Weile vom Blauen Planeten entfernt versucht, autark zu leben und vielleicht den nächsten Himmelskörper zu bevölkern.
Neulich jedenfalls hat er sich mit ein paar der anderen Kandidaten in Los Angeles getroffen. Es gab Team-Spiele, „social events“, so was. Um herauszufinden, wer die denn alle sind. „Das ist schon etwas anderes, als wenn man sich nur im Internet schreibt.“
2018 wird der Mars 57,6 Millionen Kilometer von der Erde entfernt sein
Und wie hält er sich fit? Zwar braucht man in der Schwerelosigkeit da oben weniger Muskeln, aber der Kreislauf sollte besser schon intakt sein, sagt er. „Man sollte sich nicht gehen lassen. Aber man kann das schon schaffen als Normal-Mensch.“ Schröder spielt Badminton, geht bouldern und tauchen. Nicht der Fische wegen, sondern um das Erlebnis der Schwerelosigkeit zu haben. „Da ist Tauchen am nächsten dran.“ Und ist diese Leichtigkeit dann weg, wenn man immer wieder als Spinner belächelt wird? Schröder antwortet stoisch: „Ich weiß, wie ich mich einordne. Und da muss man einfach dagegenstehen.“
Wenn er an den Mars denkt, denkt er auch daran, in einer der noch zu erkundenden Höhlen vielleicht eine Badminton-Halle aufzubauen. Es wundert daher auch nicht, dass ein Schläger zu jenen Dingen gehört, die er gerne mit hochnähme, wenn Platz keine Rolle spielen würde. Dazu ein Multitool, eine Art Schweizer Taschenmesser, das ihm in allen Lebenslagen helfen könnte. Ein paar Tüten Haribo außerdem. Und dann hätte er gerne eine Polaroid. Seine Familie wäre da drauf, seine Freunde, Menschen, die ihm wichtig sind, die er zurücklässt. Gemacht am letzten Abend kurz vor seinem großen Start, zur Reise ohne Wiederkehr.
Im Juli 2018 wird der Mars, und das ist selten, nur 57,6 Millionen Kilometer von der Erde entfernt sein. Der Mond ist 384.400 Kilometer weg. Das war auch mal unvorstellbar weit.
Am 21. Juli 1969 stand da oben zum ersten Mal ein Mensch. Der hatte auch unbedingt gewollt.
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Der Mars ist für menschliches Leben ungeeignet und wird auch durch das sogenannte "Terraforming" niemals für menschliche Besiedlung geeignet sein. Ihm fehlt die nötige Schwerkraft, um Luft und Wasser auf lange Sicht halten zu können. Und wesentlich wichtiger, er bietet keinen Schutz gegen Strahlung aus dem All. Für diejenigen, die mit der Mars One mitfliegen, wird es tatsächlich eine Reise ohne Wiederkehr, aber anders, als sie es sich vorstellen.
Das Foto zeigt nur die Wohncontainer. Wo sind die Gewächshäuser? Dafür werden dicke Glaswände benötigt zu Aushalten des Druckunterschieds zum nahezu Vakuum außen, der Temperaturdifferenz von bis zu 100 Grad C und der starken UV- und kosmischen Strahlung. Zudem muss der Humus, die Pflanzen, der Dünger, das Wasser und die Innenluft von der Erde mitgebracht werden. Mit riesigen Solarzellen sind die Gewächshäuser zu wärmen. Dafür sind Transportkapazitäten von vielen Tausend Tonnen Material erforderlich. Die in dem Artikel angegebenen Kosten dürften wahrscheinlich Tausend Mal höher sein. Die Kosten für den Transport eines wenige Hundert Kilogramm schweren Roboters zum Mars, der kein für Menschen notwendiges Lebenserhaltungssystem benötigt, liegen schon im Milliardenbereich.
Die Aussiedler auf dem Mars würden bald feststellen, dass sie zwar mit Hochtechnologie umgehen, sie selbst aber in der Steinzeit leben, denn sie werden nicht in der Lage sein, Eisen, Kupfer, Aluminium, Lithium, Silizium, Kunststoffe, usw. selbst zu herzustellen, um ihre defekten Batterien auszutauschen oder ihre von massiven Temperaturschwankungen, UV- und kosmischen Strahlen stark belasteten Anlagen zu reparieren oder zu erweitern. Die einzigen Werkzeuge, die sie selbst herstellen können, werden aus den herumliegenden Steinen gemacht sein. Zudem haben abgeschlossene Biosphären auf der Erde schon nicht funktioniert und niemand kann vorhersagen, wie sich Pflanzen auf dem Mars bei nur 38 Prozent Fallbeschleunigung und der niedrigeren Sonneneinstrahlung verhalten.
Die Nachkommen der Auswanderer werden sich auch fragen, wieso sie in einer derart lebensfeindlichen Wüste leben müssen, während die Erde vergleichsweise dazu ein Paradies ist. Die Aussiedler würden, wenn sie überleben, auf viele Tausende Jahre auf die Unterstützung von der Erde angewiesen sein.
Ich finde es unverantwortlich, jungen Menschen eine Illusion vorzugaukeln und sie zu ermutigen, ihr Leben auf einen so unerfüllbaren Traum auszurichten.