Hahn Maurice lässt sich den Schnabel nicht verbieten
Ein Nachbarschaftsstreit um das morgendliche Gekrähe des Hahns auf der Insel Île d’Oléron beschäftigt ganz Frankreich. Das Urteil wird mit Spannung erwartet.
Hahn Maurice von der französischen Atlantikinsel Île d’Oléron hat noch angenehme Sommerwochen vor sich. Er darf krähen, was das Zeug hält, ohne dass ihn irgendjemand davon abhält – weder seine Besitzer noch die Nachbarn, die Klage eingereicht haben. Und vorerst auch kein Gericht. Maurice hat erst einmal Ruhe.
Zwar fand kürzlich ein Prozess um Frankreichs aktuell berühmtesten Hahn und sein natürliches Recht auf morgendliches Gekrähe statt. Das Urteil allerdings, das sein weiteres Schicksal besiegeln wird, soll erst am 5. September fallen. Eine Schonfrist also für Maurice.
Inzwischen schlägt der kuriose Fall längst Wellen über den Ort Saint-Pierre d’Oléron hinaus, in dem er sich zuträgt. Zum Prozess kamen etliche französische und sogar internationale Medienvertreter, ebenso wie Fans von Maurice und Freunde seiner Besitzerin Corinne Fesseau. Fans und Freunde bauten sich teilweise mit Hühnern vor dem Gerichtsgebäude im westfranzösischen Rochefort auf – als lebendiges „Unterstützungskomitee“, wie es hieß. Zum Krähen!
Auch in Deutschland wird wegen Tierlärm vor Gericht gestritten
Andererseits: Es geht in dem Prozess um mehr als nur einen stolzen Hahn, der ja auch Frankreichs Wappen ziert, oder um den Kampf von Alteingesessenen gegen Urlauber. Der Konflikt wirft die grundsätzliche Frage auf, welchen Raum ländliche Traditionen einnehmen dürfen und was schwerer wiegt: Das Recht auf Ruhe – oder das Recht, sich ein Tier zu halten, das den Tag mit einem kraftvollen Kikeriki – auf Französisch: „Cocorico“ – beginnt. Zum Leidwesen mancher in den frühen Morgenstunden.
In Deutschland wird über derlei ebenfalls verbissen und ausdauernd gestritten. 2016 etwa ging es im brandenburgischen Dorf Zitz um krähende Hähne. Dort einigte sich ein Hobbyzüchter schließlich mit seinem Nachbarn: Die Tiere dürfen nur noch zu bestimmten Zeiten nach draußen.
Paradebeispiel für einen jahrelangen Rechtsstreit: Der „Kuhglockenstreit“ von Holzkirchen in Oberbayern – zwischen einem Ehepaar und einer Bäuerin. Die Eheleute fühlen sich von den Glocken der Kühe auf einer angrenzenden Weide gestört; Messungen am Schlafzimmerfenster des Paares hätten eine Lautstärke von mehr als 70 Dezibel ergeben, erklärte dessen Anwalt. Das Oberlandesgericht München entschied im April dennoch: Die Kuhglocken dürfen weiter bimmeln. Das Ehepaar wollte deswegen den Bundesgerichtshof einschalten.
Seit 2017 fühlt sich das Paar von Hahn Maurice gestört
Bei der Verhandlung über Hahn Maurice in Frankreich fehlten die Kläger, ein Rentnerehepaar aus dem Limousin, das seinem Anwalt Vincent Huberdeau zufolge den Medienrummel meidet. „Meine Mandanten sind ruhige und bescheidene Leute, die das Krähen dieses Hahns um fünf Uhr morgens stört“, fasste er nüchtern zusammen.
Seit Jahren komme das Ehepaar Biron regelmäßig auf die beliebte Erholungsinsel. Dort besitze es, so der Anwalt, seit 2004 eine eigene Urlaubsresidenz in einer Wohnsiedlung. Seit 2017 aber fühle sich das Paar gestört von Maurices’ frühmorgendlichem Geschrei in seinem Stall, der sich ausgerechnet neben dem Schlafzimmer der Urlauber befindet. Huberdeau zufolge versuchten die Birons es erst im Guten, sprachen mit ihren Nachbarn, dem Ehepaar Fesseau, und schrieben gar dem Bürgermeister – der jedoch nicht geantwortet habe. Dann reichten sie Klage ein.
„Man ist nicht ein Unter-Bürger, nur weil man nicht auf der Île d’Oléron geboren wurde“, ergänzte der Anwalt der Birons, schon weniger nüchtern-sachlich. Er betonte: Es gehe nicht um einen Prozess der intoleranten Städter gegen Leute vom Land. Sondern um Ruhestörung.
Besitzerin von Maurice: "Heute ist es der Hahn, morgen werden es die Frösche sein"
Hahn-Besitzerin Corinne Fesseau, die seit ihrer Geburt in Saint-Pierre d’Oléron lebt, sieht das anders. Keiner der anderen Nachbarn fühle sich von Maurice gestört. Trotzdem verdunkelte sie seinen Stall, dichtete diesen mit Kartons ab und öffnete ihn erst um 8.30 Uhr. „Mehr kann ich nicht tun, alles andere wäre Misshandlung“, sagte sie. Ihr Anwalt, Julien Papineau, argumentierte denn auch: Es gebe eine „Störung“, aber diese sei weder exzessiv noch unnormal. Zwar zähle der Ort 7000 Einwohner und im Sommer lebten hier bis zu 35.000 Menschen – doch die Insel habe eben einen „ländlichen Charakter“.
Diesen schrieb Bürgermeister Christophe Sueur sogar in einer Verordnung fest. Und Corinne Fesseau gründete einen Verein, um „natürlich in erster Linie meinen Hahn zu beschützen, aber auch das Landleben allgemein“, wie sie sagte. „Heute ist es der Hahn, morgen werden es der Esel oder die Frösche sein!“ Eine Petition für die „Rettung von Maurice“ zählt – Stand Montagmittag – mehr als 136.500 Unterschriften. Hahn Maurice wird von all dem nichts ahnen.
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