Nabelschau: Bauchfrei ist wieder „in“
Bauchfrei ist wieder „in“, bei der Fashion Week und in den Straßen der Region. Manche lieben es, andere hassen es – und verfluchen noch immer die 90er.
Fashion Week 2014: Große, schlanke Frauen laufen gekonnt über den Laufsteg. Ihre Outfits sind getigert, metallisch-glänzend und völlig unterschiedlich. Doch eines haben sie alle gemeinsam: Sie zeigen Bauchnabel. Ulm, Fußgänger-Zone: Die Sonne steht hoch am Himmel und der Asphalt flimmert bei 31 Grad. Trotzdem ist die Straße gut gefüllt. Hunderte Menschen, Jung und Alt, sind heute unterwegs. Mitten in der Menge eine Gruppe junger Mädchen. Mit Eiswaffeln in den Händen schlendern sie an den Geschäften entlang. Zwei Jungs, die an einer Laterne lehnen, pfeifen ihnen grinsend hinterher. Ihre Blicke kleben an einer besonderen Stelle. An einem kleinen freiliegenden Streifen Haut. Die Mädchen tragen bauchfrei.
Nicht nur diese Gruppe und die Models der Fashion Week tragen den Trend. Auf der Straße, in Magazinen, an den Badeseen der Region: Überall ist er diesen Sommer vertreten. Der Look aus den 90ern startet einen neuen Anlauf. Recht erfolgreich wie es scheint. Ganz dasselbe ist es nicht. Heute tragen Frauen zum aufgewärmten 90er-Trend keine tief sitzenden Hüftjeans, sondern „Highwaist“. Die Hose sitzt weit oben, so wird nur noch ein Hauch von Haut enthüllt.
Zum zweiten Mal Bauchfrei
Es gibt also eine Generation, die schon zum zweiten Mal die freien Bäuche miterlebt. „Gott sei Dank ist das vorbei, das war ja furchtbar“, so dachte Hedwig Gaile aus Illertissen schon vor Jahren, als der Trend sich verabschiedet hatte. In die zweite Bauchfrei-Periode startet sie etwas toleranter: „Wenn die Jahreszeit und der Ort passen und man die Figur dazu hat, kann es ganz gut aussehen.“ Die 59-Jährige drückt es noch mal etwas schärfer aus: „Wenn jemand einen Ranzen hat, der halb raus hängt, sieht es einfach nur unästhetisch aus.“ Ebenfalls kritisch sieht Margot Motz dem wiederkehrenden Trend entgegen: „Bei jungen Mädchen sieht es meistens ganz nett aus, allerdings nur am Stand, zum Beispiel über dem Bikini.“ In der Schule dagegen sei es völlig unangebracht. Beide Frauen sind, selbst als sie noch jünger waren, dem Trend nie erlegen. Sie waren Fans der Hotpans oder des Minirocks.
Trotzdem – es gab auch schon vor der heutigen Teenie-Generation Mädchen, die es bauchfrei hielten. Vielleicht hat ja sogar die Mathe-Lehrerin noch ein bauchfreies Top von damals im Schrank. Jetzt hängen diese 90er-Tops aber nicht mehr nur als Erinnerungsstücke in den Schränken, sondern auch wieder in den Modehäusern. Eine Kleiderstange in einem jungen, trendigen Modegeschäft in Illertissen – sie reicht fast durch den ganzen Laden – ist voll mit kürzeren Stücken in allen Formen und Farben, von schwarz bis neon-orange. „Bauchfrei ist der Sommertrend des Jahres, unser halbes Sortiment besteht aus bauchfreien Teilen“, erklärt die Verkäuferin. Sie packe täglich zwischen 15 und 20 bauchfreie Teile in die Shoppingtüten.
Bauchfrei – nur bei warmen Temperaturen
Das sind dann die Shirts, die die Mädchen durch die Fußgängerzone spazieren tragen. Idealerweise bei Sonnenschein, aber gelegentlich muss das neue Teil auch bei trübem Wetter herhalten. Und die Nierengegend ist schutzlos den Elementen ausgeliefert. „Ob das der Gesundheit schadet, das hängt von den Temperaturen ab“, erklärt Dr. Rudolf Brachmann aus Buch. „Bei warmen Temperaturen kann man bauchfrei problemlos tragen, ohne dass man sich Sorgen um seine Gesundheit machen muss. Gefährlich wird es erst, wenn Bewegung ins Spiel kommt, zum Beispiel beim Rollerfahren. Der Fahrtwind sorgt für eine starke Abkühlung und das ist dann schädlich für unsere Nieren.“ Dann wäre da noch ein Mythos: An Stellen, an denen es kälter ist, legt der Körper Fettreserven an – so heißt es. Doch der Fachmann gibt Entwarnung. „Das ist wissenschaftlich nicht bewiesen. Es stimmt zwar, dass der Körper Fett zur Isolation aufbaut, dieses dient allerdings vor allem als Energiespeicher und wird gleichmäßig, auf den Körper verteilt.“
Die Fakten noch ein mal zusammengefasst. Mädchen, die bei Sonnenschein bauchfrei tragen, und dabei möglichst stehen bleiben, haben keine gesundheitlichen Nachteile. Alles andere bleibt dem eigenen Geschmackssinn überlassen. Bleibt die Frage offen, wie lange sich der Trend rund um die Körpermitte wohl dieses mal hält. Wer weiß, welcher wiederentdeckte oder auch neue Look nächstes Jahr die Laufstege und Fußgängerzonen beherrscht.
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