Anwalt des Unfallfahrers in Südtirol: "Er wäre lieber selbst gestorben"
Ein 27-Jähriger rast in Südtirol in eine Gruppe deutscher Touristen. Sieben Menschen sterben. Laut seinem Anwalt plagen den Unfallverursacher Schuldgefühle.
Der kleine Wintersportort Luttach in den Südtiroler Alpen steht unter Schock: Rosen und Friedhofslichter erinnern an eine Katastrophe, wie sie die Leute hier nach den Worten des Bürgermeisters bisher noch nie erlebt haben. Einheimische und Urlauber kommen zur Unglücksstelle. Hier war in der Nacht ein Autofahrer mit so hohem Tempo in eine Gruppe deutscher Urlauber gerast, dass die jungen Menschen durch die Luft schleuderten. Sieben Urlauber sterben - alle sind erst um die 20 Jahre. "Wer trinkt, fährt nicht", steht auf einem Schild auf der Straße, die zum dem Urlaubsort führt.
Tragödie in Südtirol: Unfallfahrer bereut seine schwere Tat
Der Unfallfahrer (27) sitzt mittlerweile in einem Gefängnis in Bozen. Polizei und Staatsanwaltschaft in Südtirol ermitteln weiter zu den genauen Umständen der tödlichen Alkoholfahrt. Es ist besonders bitter. Der 27 Jahre alte Einheimische hatte laut Polizei knapp zwei Promille Alkohol im Blut gehabt, als er mitten in der Nacht in die Gruppe fuhr. Es war kurz nach 1 Uhr nachts, als der Notruf einging und sich den Rettern ein Bild des Grauens bot. Sechs Menschen waren sofort tot. Eine Frau starb später im Krankenhaus.
Der Unfallverursacher bereut nach Angaben seines Anwalts das tödliche Unglück. Alessandro Tonon sagte der Deutschen Presse-Agentur am Montag, der 27-Jährige sei sich bewusst, dass er vor der Fahrt getrunken habe. Aber als er den Wert von fast 2 Promille erfahren habe, sei er verwundert gewesen: Er habe sich nicht für so stark alkoholisiert gehalten. Alessandro Tonon ist nach eigenen Angaben Pflichtverteidiger des Mannes.
Sein Mandant habe ihm gesagt, er sei alleine im Unfallwagen gewesen. Er und seine Freundin hätten sich getrennt. Das habe aber mit dem Unfall im Wintersportort Luttach nichts zu tun, betonte der Jurist. Der Unfallfahrer sitzt seit Montag im Gefängnis in Bozen. Er habe ihm ungefähr gesagt: "Es wäre besser gewesen, ich wäre gestorben anstelle der anderen Menschen."
Für den 27-Jährigen steht nun eine Anhörung zu seiner Untersuchungshaft an. Der Termin könnte nach Angaben der Polizei in Bozen am Dienstag sein. Sein Anwalt sagte, er rechne eher Mitte der Woche mit einer Vorführung beim Richter. Wegen der Schwere des Unglücks drohen dem Mann bis zu 18 Jahre Haft.
Todesfahrt in Südtirol: Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln weiter in Bozen
Die Überlebenden des Unfalls werden in ihrer Unterkunft von Notfallseelsorgern betreut. Die meisten Toten kommen aus Nordrhein-Westfalen.
Da der Dreikönigstag in Italien ein Feiertag ist, dürfte es zu den Untersuchungen zum Hergang vermutlich erst am Dienstag mehr Neuigkeiten geben, sagte ein Sprecher. In italienischen Medien wurde weiter über eine stark erhöhte Geschwindigkeit des Fahrers aus der Region spekuliert. An der Stelle sind 50 Kilometer pro Stunde erlaubt.
Der 27-Jährige, der ebenfalls ins Krankenhaus kam, hatte nach Angaben der Behörden einen Alkoholwert von mehr als 1,9 Promille. Nach dem Unfall gab es viele Trauerbekundungen in Deutschland und Italien, auch von Kanzlerin Angela Merkel und Italiens Regierungschef Giuseppe Conte. In Luttach kamen bis zum späten Sonntagabend Menschen an den Unglücksort und stellten Grablichter auf.
Busfahrer über Unfall: "Wie auf einem Schlachtfeld"
Die Menschen in Luttach halten an der Unfallstelle am Ortsrand inne und können schwer fassen, was hier passiert ist. Ein Augenzeuge stellt eine Kerze auf. Er ist der Busfahrer, der die jungen Leute in der Nacht von einer Disco zurück zu ihrer Unterkunft gefahren hat. Er habe gerade am Straßenrand gehalten, um die Skiurlauber aussteigen zu lassen, als der Unfallfahrer herangerast sei. Er habe noch versucht ihn zu warnen und mit dem Licht aufgeblendet, sagt der Mann sichtlich aufgewühlt. "Da habe ich schon die Leute über die Straße fliegen sehen." Es sei wahnsinnig schnell gegangen.
Ein junger Mann kommt zu dem Busfahrer hinzu, er war in der Nacht als Ersthelfer vor Ort, wie er erzählt. Als er die Unglücksstelle erreichte, seien überall Leute auf der Straße gelegen. "Ein Mädchen schrie um Hilfe", sagt er. Es sei chaotisch gewesen. "Wie auf einem Schlachtfeld."
Die Unterkunft der Skiurlauber liegt nur ein paar Schritte entfernt auf der anderen Straßenseite. Hier werden die Überlebenden nach dem Unglück von der Feuerwehr abgeschirmt. "Wir, Familie Hofer, Ferienhaus Bruggerhof, sprechen unseren lieben Gästen und deren Angehörigen unser tiefempfundenes Beileid und Mitgefühl aus", steht auf einem Zettel, der an einen Zaun gepinnt wurde. Noch am Sonntag wollen die Überlebenden wieder abreisen.
Die meisten von ihnen kommen aus Nordrhein-Westfalen. Mit Dutzenden anderen jungen Leuten sind sie nach Südtirol gekommen. Luttach ist bei Schüler- und Jugendgruppen beliebt, ein Ort mit rund 1100 Einwohnern in den Alpen, der vom Tourismus lebt. Zum Skigebiet sind es nur wenige Minuten. Feiern kann man auch. Zum Beispiel im "Hexenkessel", einem Pub, in dem die Gruppe kurz vor dem Unfall war.
Unfallfahrer drohen bis zu 12 Jahre Haft
Die Nacht-Shuttlebusse, die in der Gegend fahren, wurden auch deshalb organisiert, damit junge Feiernde nicht betrunken im Auto sitzen und ihr eigenes Leben und das anderer riskieren. Sollte der Unfallfahrer schuldig sein, drohen ihm bis zu 12 Jahre Haft.
Im Ort gab es auch schon zuvor Unmut über die Raser, die auf der Hauptstraße unterwegs seien. Eine Frau, die nicht genannt werden will, sagt, man habe immer wieder auf mehr Kontrollen gedrungen. Dass junge Leute betrunken am Steuer sitzen, ist vielen hier nicht neu.
"Das neue Jahr beginnt mit dieser schrecklichen Tragödie", sagt der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher am Sonntag. "Wir sind alle geschockt." Der Bürgermeister Helmut Gebhard Klammer sagt, alle seien "fassungslos". Er wünsche sich, dass sich über seine Gemeinde, die vom Tourismus lebt, in der Zukunft nicht ein großer Schatten lege.
Andernorts geht schon am Sonntag der Alltag weiter, als sei nicht gewesen. Bei strahlendem Sonnenschein und blauem Himmel herrscht am Skilift Hochbetrieb.
Erst vergangenes Wochenende kamen bei einem Lawinenunglück in Südtirol drei Deutsche ums Leben. (dpa)
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"Er wäre lieber selbst gestorben" Am besten vor seiner Suff-Fahrt!