Deutschland beim ESC: Der NDR versteht nicht, worauf es ankommt
Auch Isaak wird im Finale des Eurovision Song Contest 2024 in Malmö kein Feuer entfachen. Warum? Weil der federführende Sender NDR immer noch nicht verstanden hat, worauf es beim ESC ankommt.
Nach dem ESC-Finale in Malmö wird das Gejammere wieder groß sein: Niemand hat uns lieb, auch wenn’s mal Tränen gibt! An der deutschen „ESC-Hoffnung“ Isaak wird das nicht in erster Linie liegen, der 29-Jährige hat zumindest eine ordentliche Stimme. Sein Song will dennoch nicht hängen bleiben, selbst nach zehnmaligem Hintereinander-Anhören nicht.
Damit ist man bei einer Gewissheit des Eurovision Song Contest der letzten Dekade angelangt: Deutschland bietet Mittelmaß und wird auch in diesem Jahr zu spät kommen – dieses Mal eben mit Durchschnittspop, der nicht zuletzt an die Sieger-Titel von 2019 und 2015 erinnert. Sogar als sich ESC-Deutschland mit der Dark-Rock-Band Lord of the Lost im vergangenen Jahr etwas zu trauen glaubte (und darüber etwas irritiert schien), war das fern von neu und fern jeglichen Zeitgeistes: Erst 2021 hatten die italienischen Rocker von Måneskin gewonnen. Überdies: War es eine gute Idee, vor dem Hintergrund des russischen Vernichtungskriegs in der Ukraine von „Blood & Glitter“ zu singen? „Blut und Glitzer / Süß und bitter / Wir sind so glücklich, wir könnten sterben.“ Deutschlands letzte und vorletzte Plätze sind redlich verdient. Die Buchmacher, deren Wettquoten sich als recht zuverlässig erwiesen, sehen nun ebenfalls Isaak weit hinten.
„Ich bin nichts als Durchschnitt“, singt ESC-Kandidat Isaak
Und das hat einiges mit der musikalischen Qualität seines Beitrags „Always On The Run“ (Immer auf der Flucht) zu tun, der mit der (selbstironischen? unfreiwillig komischen?) Zeile beginnt: „I am nothin' but the average“ (Ich bin nichts als Durchschnitt). Nichts gegen Isaak, aber es stimmt ja … Es ist eines der vielen Missverständnisse, die die vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) verantwortete deutsche Kandidaten-Auswahl begleitet – dass allzu formatradiotaugliche Mettigeligkeit auf der gigantischen ESC- und TV-Bühne Begeisterungsstürme auslösen würde. Tut sie nicht, nein, non und no!
Hört man sich durchs aktuelle Teilnehmerfeld, fällt auf, dass Elektro und Experimentierfreude gerade zu den Trends in Europa zählen. Dazu muss man nur auf den Schweizer Mitfavoriten Nemo blicken, der Drum ’n’ Bass mit Rap und Falsett-Gesang zur großen Oper verbindet. Das ist vordergründig schrill. Doch es steckt mehr dahinter (wie hinter Stefan Raabs „Wadde hadde dudde da?“ mehr steckte). Weitere ESC-Gewissheit: Schrillsein allein reicht nicht; auffallen sollte man gleichwohl unbedingt. Isaaks Song ist … ach, hören und sehen Sie selbst!
Es verursacht einem fast körperliche Schmerzen, wie sehr der NDR den ESC nicht versteht
Wie sehr der in Deutschland federführende NDR den ESC nicht versteht und ihn mit lustlosen Shows, merkwürdigen Kandidaten (Jendrik im Jahr 2021) und zunehmend sonderbaren Jury-und-Onlinevoting-Regeln demontierte, verursacht einem fast körperliche Schmerzen. Kein Wunder, wenn der Vorentscheid und der ESC solch ein verheerendes Image haben wie einst die in der Fußball-Nationalmannschaft versammelten Rumpelfüßler.
Verstehen sollte man: dass der ESC in Europa als ernst zu nehmender Wettbewerb wahrgenommen wird. Dass man auffallen muss, und zwar insbesondere mit musikalischem Mut. Dass es auf Emotionen ankommt, bereits während des Vorentscheids. Ausgerechnet als (oder eher: gerade weil) man 2010 mit dem Privatsender ProSieben und Stefan Raab kooperierte, punktete Deutschland in sämtlichen dieser Kategorien. Raab fand in einem Casting die damals 18-jährige Lena Meyer-Landrut, hielt den ESC wochenlang in den Schlagzeilen, sie machten gute Laune und trafen eine verbreitete Stimmung: Love, oh love! Nichts anderes geschieht in Italien oder Schweden, mit die erfolgreichsten ESC-Teilnehmerländer der vergangenen mehr als zehn Jahre. Italien hat das Sanremo-Festival, Schweden das Melodifestivalen. Deutschland? Immerhin Barbara Schöneberger.
„Liebe wird aus Mut gemacht“, wusste Nena schon 1984. Der NDR scheint den ESC(-Vorentscheid) weder zu lieben noch in einen liebenswerten Event verwandeln zu können oder wollen noch Mut zu haben. Dabei hätte er wirklich nichts zu verlieren.
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Gerhard D.,
"Es ist eben nicht die Art der Punktevergabe. Deutschland wird bei allen anderen Nationen vorwiegend gehasst."
Selten wurde kompletter Unsinn eindrucksvoller widerlegt. :))
(edit/mod/NUB 7.2)
Die paar Punkte kamen nur zustande, weil (fast) alle Anderen einen Riesenmist ablieferten.
"Die paar Punkte kamen nur zustande, weil (fast) alle Anderen einen Riesenmist ablieferten."
Das sollte doch keine Rolle spielen, da Deutschland von den anderen Nationen vorwiegend gehasst wird. Es geht ja schließlich, wenn es nach ihnen geht, nicht um Leistung, sondern um Sympathie.
Gerhard D., Ihre Beleidigungen und unsachlichen Einlassungen machen die Sache nicht besser. Niemand "hasst" Deutschland. Warum auch?
Wir Deutschen haben einfach mehrheitlich einen ganz miesen Musikgeschmack, das beweisen die einschlägigen Sendungen im deutschen Fernsehen immer wieder.
Der ESC ist halt so wie so ist in Deutschland. Hauptsache provozieren, Hauptsache auffallen ohne Sinn und Verstand, und nicht einmal merken wenn man sich lächerlich macht. Es ist indiskutabel, dass wir diesen Mist auch noch finanzieren. Beim ÖRF muss sich dringend was ändern, in jeglicher Hinsicht.
Es ist eben nicht die Art der Punktevergabe.
Deutschland wird bei allen anderen Nationen vorwiegend gehasst. Nur deswegen landen wir ganz hinten. Klar nehmen alle gern unser Geld und sind froh, dass wir die mit Abstand meisten Migranten aufnehmen. Aber ansonsten werden wir im Ausland ausgelacht und gehasst. Hat auch viel mit unserer Selbstdarstellung und Selbstachtung zu tun. Bezeichnend ist, dass einer Minister ist und Bundeskanzler werden will in einem Land, dass er selbst nicht mag.
Wir sollten uns die nächsten Jahre aus dem ESC verabschieden, was dann aber auch heißt, ihn nicht mehr zu finanzieren. Und in dieser Zeit an uns selbst arbeiten.
Puhh, da lebt aber jemand in seiner ganz eigenen Welt...
Das ist mir jetzt viel zu wehleidig. Die Italiener schicken (wie jedes Jahr sehr erfolgreich) die Gewinnerin von San Remo ins Rennen. So ein Festival haben wir leider nicht. Die hat auch schon etliche Platin und Goldene Schallplatten in der Vitrine stehen. Die Präsentation des Songs (im Halbfinale zu sehen) war hochprofessionell. Wir schicken den talentierten Isaak.... den keiner kennt. Kurz nacheinander angesehen wirkt das wie Champions League gegen zweite Bundesliga. Wenn es fair zugeht, wird Italien deutlich besser als Deutschland abschneiden. Die strengen sich einfach an. Neulich haben mir Bekannte ungefragt erklärt, dass die italienische Bahn viel besser und pünktlicher wäre, wie die Deutsche Bahn. Natürlich rede ich mit denen nicht mehr, aber zumindest beim ESC würde ich schon mal Grundsätzliches überdenken, aber niemals aufgeben.
Ein anderes Land, das "keiner mag" ist England, die ebenfalls oft sehr schlecht abschneiden. Die Popbranche Englands ist aber weltweit eine der wirklich stärksten und größten. Nachdem sie aber diesen Wettbewerb irgendwie nicht ernst nehmen oder was auch immer sie umtreibt, jedenfalls schicken sie uns immer diejenigen, die gerade gar nicht nachgefragt sind und viel Zeit haben. Das Publikum erkennt natürlich mit was man abgespeist wird und ist not amused. Ausreißer nach oben gibt es auch alle paar Jahre bei den Engländern, wie bei uns und warum auch immer.
"Es ist eben nicht die Art der Punktevergabe.
Deutschland wird bei allen anderen Nationen vorwiegend gehasst"
Was können die anderen Länder dafür, wenn wir überbezahlte, unwissende Menschen entscheiden lassen, wer und mit was für uns antritt?
Unsinn @Gerhard K.. Deutschland hatte auch schon sehr gute Momente , und zwar einige. Ralph Siegel kam 7x oder 8x unter die TOP 5 und hat als Komponist sogar schon einmal gewonnen. Neben einem passablen Darsteller entscheidet wohl der Song.
Da ist was dran und besonders von den Österreichern!
>>Deutschland wird bei allen anderen Nationen vorwiegend gehasst.<<
Und das war immer schon so, dass wir von Denen "keine Punkte" bekamen, Nein!
Franz W., die Österreicher sind Opfer ihrer Minderwertigkeitskomplexe gegenüber Deutschland und ihrer immer noch nicht bewältigten Bedeutungslosigkeit als ehemaliger europäischen Großmacht. Da muss man Verständnis haben.
Alles richtig und das seit Jahren. Für 2024 kann man feststellen, dass Isaak eine sehr gute Stimme hat, aber die Qualität des Songs und die Präsentation wird am Ende wohl nur für einen Platz um Rang 20 reichen. Letztes Jahr waren Lord of the Lost mit ihrem Hard Rock Pop 26. und damit letzter geworden, obwohl alle sagten, dass sich Deutschland da aber was getraut hat. Viele meinten, dass Deutschland von den anderen einfach gerne heruntergewertet wird. Das stimmt so nicht. Es lag an der Art der Punktevergabe. Nur die ersten 10 von 26 Teilnehmern bekommen Punkte. Wenn man aber, wie Lord of the Lost mit einem speziellen Song nie vorne landet, dann kriegt man auch keine Punkte. Bei der Auswertung der Televotings aller Länder hat sich dann rausgestellt, wenn die Platzierungen insgesamt berücksichtigt werden, dann wäre Lord of the Lost 17. von 26 Teilnehmern geworden, wenn ich mich recht erinnere und das wäre m.E. fair gewesen und sähe dann auch nicht so desaströs aus. Ich befürchte, bei Isaak wird sich ein vergleichbarer Effekt nicht einstellen, da die Songqualität, etc. nicht reicht. Hoffentlich irre ich mich.
Man kann die letztjährigen deutschen Versuche durchaus als typisch deutsche schrille Kasperletheater Show ansehen. Wenig Musikalisches, dafür viel Clown Show. Man möchte fast sagen, passend zu dem lokalen Zeitgeist. Dabei möchte ich nicht einmal die Künstler in ihrem Talent herabwürdigen, sondern die Auswahl und die Verantwortlichen für die Auswahl ins treffende Licht rücken. Letztlich wird man zu dem Punkt kommen, dass wer üppig und ohne reale Leistung von zwangsweise eingezogenen Geldern ohne jedwede Kontrolle alimentiert wird, sich gerne mal in einer rosa Blase befindet und für unfehlbar hält.
Guter Kommentar, noch sehr zurückhaltend geschrieben. Mehr der Höflichkeit geschuldet als eine direkte Begründung der Unfähigkeit.