Umstrittene Kampagne: Wenn Urlauber zu Fluchthelfern werden
Die Berliner Organisation "Peng Collective" gibt Urlaubern Tipps, wie sie Asylsuchende über die Grenze bringen können. Eigentlich ist das verboten. Doch das scheint nicht zu stören.
André Karstens sitzt im Auto und hat ein mulmiges Gefühl. Er nähert sich der deutsch-französischen Grenze. Die hat er schon einige Male überquert. Aber diesmal ist es anders. Auf dem Rücksitz sitzt ein junger Afrikaner. Karstens hat ihn auf einer Geschäftsreise in Frankreich kennengelernt. Der junge Mann ist über die Grenze von Italien nach Frankreich gekommen. Doch er will weiter nach Skandinavien, dort Asyl beantragen. Als Karstens wieder nach Deutschland fährt, nimmt er den Mann mit. „Er hat mich nie darum gebeten. Aber warum kann ich überall hinreisen, nur weil ich Deutscher bin, und er nicht?“, fragt Karstens. Sie passieren die Grenze tagsüber, das scheint ihnen unauffälliger. Aber die Sorge bleibt: Wird die Polizei sie kontrollieren? Beide bleiben unentdeckt. Heute erzählt Karstens die Geschichte ruhig. Seinen richtigen Namen möchte er lieber nicht verraten.
Menschen ohne gültige Papiere mit nach Deutschland zu nehmen, ist verboten. „Wer einen unvorschriftsmäßig ausgewiesenen Ausländer in das Bundesgebiet befördert, erfüllt den Tatbestand des Einschleusens von Ausländern, leistet zumindest jedoch Beihilfe zur unerlaubten Einreise“, sagt ein Sprecher der Bundespolizei. So schreibt es das Aufenthaltsgesetz vor. Wer erwischt wird, muss im schlimmsten Fall fünf Jahre lang ins Gefängnis.
Aktivistengruppe ermutigt Menschen, Fluchthelfer zu werden
Die Berliner Aktivistengruppe Peng Collective stört das wenig. Unlängst hat sie eine Kampagne gestartet. Sie fordert Menschen auf, Flüchtlinge über die Grenze zu bringen – etwa auf dem Heimweg vom Urlaub. Zivilen Ungehorsam nennen die Aktivisten das. Sie wollen nicht zu einer Straftat aufrufen, beteuern sie. Aber: „Für uns stehen der Mensch und sein Schicksal im Mittelpunkt, nicht das Gesetz“, sagt Max Thalbach, ein Mitglied des Kollektives. Auch er heißt anders. Mit ihrer Aktion wollen er und die anderen ein Zeichen setzen. Gegen Grenzen und Grenzkontrollen.
Es ist ein sonniger Vormittag in Berlin Kreuzberg. Vier Mitglieder des Peng Collective sind da. Zwei Frauen, ein Mann sitzen auf einer Bank. Der Vierte telefoniert, muss etwas organisieren. Sie rauchen selbst gedrehte Zigaretten und trinken Kaffee. Ihre Kampagne Fluchthelfer.in ist gerade gestartet. Dabei geht es auch um Spenden für einen Rechtshilfefonds. Er soll Menschen helfen, die Flüchtende über die Grenze gebracht haben und erwischt wurden. 10.000 Euro wollten sie zusammenbringen. Schon nach einem Tag waren es über 12.000 Euro. „Das Feedback, das wir bekommen, ist überwältigend“, sagt Thalbach. Nicht nur die Spenden, sondern auch Mails, die bei ihnen eingingen. „Bei manchen merke ich richtig, dass die Leute Lust haben, jemanden mitzunehmen“, sagt er.
Peng Collective: So helfen Sie einem Flüchtling über die Grenze
Allein in diesem Jahr wurden 1400 Personen wegen Schleusertätigkeiten angezeigt, teilt die Bundespolizei mit. Wie viele davon professionelle Schleuser waren, weiß die Behörde nicht. Ob sie ihre Kontrollen zur Hauptreisezeit verstärken werde, dazu will man sich bei der Bundespolizei nicht äußern.
Um zu verhindern, dass jemand erwischt wird, gibt das Kollektiv auf seiner Internetseitefluchthelfer.in Tipps für Menschen wie André Karstens. Sie sollten etwa kein Bargeld dabeihaben, sonst entstehe der Eindruck, der Mensch auf dem Rücksitz habe fürs Mitfahren bezahlt. Das erfüllt den Tatbestand des Schleusens. Ein Pappschild mit dem Namen der nächsten größeren Stadt kann auch nicht schaden. So ist der Flüchtling als Tramper getarnt. „Schließlich ist man nicht verpflichtet, sich den Ausweis zeigen zu lassen, wenn man jemanden mitnimmt“, sagt Thalbach.
Immer mehr Organisationen setzen sich für Flüchtlinge ein
„Ich glaube, dass unser Rechtshilfefonds vielen Menschen einen Rückhalt gibt“, sagt Alex Weißenfels, die blonde Frau ist auch ein Mitglied der Gruppe. Gleichzeitig wird im Netz erregt diskutiert, ob sich die Aktivisten strafbar machen, wegen Aufforderung zu einer Straftat. Die Mitglieder des Peng Collective sehen das gelassen. Selbst wenn das so wäre: „Polizisten sind auch nur Menschen, mit denen man reden kann“, sagt Thalbach.
Dass nicht-staatliche Initiativen im Umgang mit Flüchtlingen eine immer größere Rolle spielen, zeigen viele Beispiele der jüngsten Zeit. Der Verein Sea-Watch etwa kreuzt mit einem Boot durch das Mittelmeer, um Flüchtlinge aus Seenot zu retten. Seit kurzem engagiert sich auch das Münchner Unternehmen Faceyourbase. Vermieter und Mieter können sich auf ihrer Homepage anmelden und zusammenfinden. Das funktioniert nun auch bei Flüchtlingsunterkünften. Wer eine Wohnung oder ein Zimmer hat, kann es einstellen. Städte und Gemeinden können die Angebote sehen und sich mit dem Vermieter in Verbindung setzen. „Wenn wir nur zehn Wohnungen vermitteln, haben wir immer noch geholfen“, sagt Pressesprecher Christian Dau.
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