Direkte Demokratie: Kommen Bürgerräte bald auf Bundesebene?
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages regt die Einrichtung von Bürgerräten auch auf Bundesebene an. Er fordert aber gleichzeitig enge Grenzen an.
In der Fläche gab es schon einige Dutzend Bürgerräte, auf Bundesebene allerdings ist die besondere Form der Beteiligung noch nicht etabliert. Das könnte sich durch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages entscheidend ändern. „ Bereits auf kommunaler und Landesebene erprobt, lassen sich mit dem Instrument des Bürgerrats auch Fragen von bundespolitischer Bedeutung in einem diskursiven Format mit Bürgerinnen und Bürgern erörtern und Lösungsvorschläge erarbeiten“, heißt es in dem 23-seitigen Papier, das unserer Redaktion am Dienstag exklusiv vorlag.
Hintergrund des Papiers ist eine Art Testballon, den der Ältestenrat des Bundestages auf Vorschlag von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) Mitte Juni vergangenen Jahres aufsteigen ließ: Ein Bürgerrat aus 160 per Los ausgewählte Menschen sollte ein Gutachten zur Rolle Deutschlands in der Welt vorlegen. Das Vorhaben wurde vom Verein „Mehr Demokratie“ unter Schäubles Schirmherrschaft umgesetzt und wissenschaftlich ausgewertet.
Wissenschaftlicher Dienst: Bürgerräte sind ein taugliches Mittel für mehr direkte Demokratie
Dabei ging es dem Ältestenrat „nicht vorrangig um die Bearbeitung des ausgewählten Themas, sondern darum zu erforschen, ob ein solches Instrument zur Unterstützung der parlamentarischen Arbeit in der repräsentativen Demokratie tauge, und ob ein auf Bundesebene geeignetes Format entwickelt werden könne“, wie es in der Expertise des Wissenschaftlichen Dienstes heißt.
Das Ergebnis kurz zusammengefasst: Bürgerräte taugen durchaus für diese Aufgabe. Sie können demnach „einer breiteren Legitimation politischer Entscheidungen dienen, indem einzelne Positionen direkt mit Bürgerinnen und Bürgern rückgekoppelt werden können“.
Auch Vertreter der Fraktionen sehen Bürgerräte als Bereicherung
Die im Bundestag vertretenen Fraktionen sehen das offenbar grundsätzlich genauso. Bei der Übergabeveranstaltung am 19. März „werteten die Vertreterinnen und Vertretern der Fraktionen den Bürgerrat als Erfolg und stellten in Aussicht, sich mit den Ergebnissen zu befassen“, schreiben die Gutachter.
Der Wissenschaftliche Dienst mahnt allerdings, bei einer möglichen Einsetzung von Bürgerräten auf Bundesebene – etwa durch Beauftragung des Bundestages – hohe Sorgfalt walten zu lassen sowie „bestimmte Aspekte und Rahmenbedingungen“ zu beachten, damit das „aufwändige Verfahren der Willensbildung“ wirklich zum Erfolg werde. Als Beispiele werden unter anderem die Themenwahl und die nicht unerheblichen Kosten genannt.
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Die Diskussion ist geschlossen.
Auf dem Weg zur Räterepublik? Wenn ich mich recht erinnere, gab es doch zu Beginn des 20. Jhdts. in Deutschland Arbeiterräte, Soldatenräte usw.. Hat sich das damals bewährt?
Nicht alles was hinkt ist ein Vergleich - aber Argumente fehlen Ihnen?
Was ist gegen einen demokratisch legitimierten, repräsentativ zusammengesetzten Bürgerrat zu sagen? Andere Länder (z.B.: Irland, Kanada, Island) haben da schon gute Erfahrungen gemacht, und es würde wohl auch der Politikverdrossenheit entgegenwirken.
Eine Räterepublik und der hier genannte Bürgerrat sind zwei verschiedene Paar Stiefel.
Zu Ihrer Frage, ob sich die Räterepubliken vor rund 100 Jahren bewährt haben. Die Räterepubliken wurden blutig beendet. Somit hatten sie nicht mal Zeit sich zu bewähren. ;-)
https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCnchner_R%C3%A4terepublik
https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%BCnchner_R%C3%A4terepublik#Niederschlagung_der_R%C3%A4terepublik
Leben wir heute nicht auch in eine Räterepunlik? Schließlich gibt es Kreisräte, Stadträte, Bezirksräte, landräte, Gemienderäte, Markträte, ... ;-)
Persönlich halte ich das Model Bundesrepublik mit oder ohne Bürgerrat für deutlich besser. ;-)
Ja - es gibt viele Räte, eigentlich zu viele. Dann gibt es noch Arbeitskreise, Runde Tische usw.. Schön für den, der den Überblick behalten kann. Ich habe schon Zweifel ob das alles noch mit ein er repräsentativen Demokratie vereinbar ist. Zu viele Köche verderben den Brei.
"Zu viele Köche verderben den Brei" -> Also soll lieber einer Entscheiden? Oder eine bestimmte Gruppe? Klingt nach einem tollen Demokratieverständnis!