ADAC und Richterbund warnen vor Chaos durch neuen Bußgeldkatalog
Exklusiv Am Freitag soll der Bundesrat die missglückte Reform des Bußgeldkatalogs reparieren. Doch damit könnte die Situation sogar noch verzwickter werden.
Der ADAC und der Deutsche Richterbund fordern im Streit um die Verschärfung des Bußgeldkatalogs den Bundesrat zu einem Kompromiss mit Augenmaß auf. „Der Streit um Fahrverbote und höhere Bußgelder ist für die Bevölkerung nicht mehr nachzuvollziehen und führt zu einem erheblichen Vertrauensverlust sowie starken Unsicherheiten“, sagte ADAC-Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand unserer Redaktion.
Ende April war die neue Straßenverkehrsordnung in Kraft getreten und mit ihr ein Bußgeldkatalog. Ein Führerscheinentzug droht nun, wenn man innerorts 21 Kilometer pro Stunde zu schnell fährt oder außerorts 26 Stundenkilometer zu schnell – dies hatte der Bundesrat in eine umfassende StVO-Novelle hineingebracht. Vorher waren die Schwellen höher. Die Regelung wurde wegen eines entdeckten Formfehlers jedoch außer Vollzug gesetzt, eingezogene Führerscheine wieder zurückgegeben. Ertappte Schnellfahrer müssen nun seit mehreren Monaten mit der Unsicherheit leben, ob sie ihren Führerschein behalten dürfen oder nicht.
Am heutigen Freitag steht die missglückte Reform nun auf der Tagesordnung des Bundesrats. Bis kurz vor der Sitzung ab 9.30 Uhr in Berlin bleibt offen, ob es zu einem Kompromiss kommt. Möglich ist auch, dass der entsprechende Punkt noch von der Tagesordnung abgesetzt wird - eine Lösung also vertagt wird. Denn für die beiden Anträge zeichnete sich unter den Ländern im Vorfeld jeweils keine Mehrheit ab.
ADAC zum Bußgeldkatalog: Vor Kindergärten oder Schulen sollen härtere Regeln gelten
ADAC-Fachmann Hillebrand begrüßte den Kompromissvorschlag mehrerer Länder, bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 21 Kilometern pro Stunde innerorts nicht sofort den Führerschein einzukassieren, sondern nach der Gefahrensituation zu unterscheiden, also etwa vor Kindergärten oder Schulen härter durchzugreifen. „Das macht aus Sicht des ADAC Sinn“, erklärte Hillebrand. „Mehr Differenzierung ist hier ein Gebot der Verhältnismäßigkeit.“
Der Kompromissvorschlag würde ein Zeichen setzen: „Rasen vor Kindergärten oder Schulen kann niemand tolerieren – ebenso wenig Rücksichtslosigkeiten gegenüber Radfahrern und anderen Verkehrsteilnehmern.“
Auch der Deutsche Richterbund warnt vor einer erheblichen Mehrbelastung für die deutschen Gerichte bei einer zu eng gefassten Regelung: „Mit einer Reform des Bußgeldkatalogs dürfte viel zusätzliche Arbeit auf die Gerichte zukommen“, sagte der Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn unserer Redaktion. „Es ist davon auszugehen, dass die Zahl der Einsprüche erheblich zunimmt, wenn der Gesetzgeber die Sanktionen für Verkehrsverstöße wie geplant deutlich verschärft“, betonte er. „Die Erfahrung zeigt, dass gerade gegen Fahrverbote, aber auch gegen Sanktionen mit Punkteintrag vielfach erbittert vor Gericht gekämpft wird.“
Bußgeldkatalog: Richterbund fordert ausreichend Personal
Für Ordnungswidrigkeiten-Verfahren stünden den Gerichten im Schnitt weniger als eine Stunde pro Fall zur Verfügung. „Das wird in strittigen Verfahren insbesondere um Fahrverbote regelmäßig nicht ausreichen“, warnte der Richtervertreter. „Um eine wachsende Zahl von Streitfällen nach Verkehrsverstößen weiterhin zügig abschließen zu können, was entscheidend für die Verkehrssicherheit ist, brauchen die Gerichte ausreichend Personal“, forderte Rebehn.
Unklar bleibt, ob wirklich am heutigen Freitag im Bundesrat über den Bußgeldkatalog verhandelt wird. Einige Länder hatten noch nicht festgelegt, wie sie sich entscheiden wollen. Die Staatskanzleien stimmten sich intensiv ab, am Abend sollten die Ministerpräsidenten in ihrer traditionellen Kaminrunde einen Ausweg suchen.
Wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergeben hat, wollen einige Länder bis kurz vor der Bundesratssitzung abwarten, wie sie abstimmen. Für eine Mehrheit in der Länderkammer sind 35 Stimmen notwendig. Dennoch bleibt die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Abstimmung vertagt wird. (mit pom, dpa)
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Ich will Ihnen nicht komplett widersprechen. Vor 3 Tagen wurde in Aichach, beim Schulstart, kontrolliert (https://www.augsburger-allgemeine.de/aichach/Polizei-Aichach-kontrolliert-viele-fahren-bei-Schulen-zu-schnell-id58124411.html)
Es sind meiner Meinung nach eher diejenigen die es Wissen müssten, die in 30-er Zonen (z.B. Schulen) zu schnell fahren.
Die KM-Differenz zwischen "Innerorts" (21 km) und "Ausserorts" (26 km) bei der ein Fahrverbot verhängt werden soll, steht in keiner Relation zur Gefährdung. "Ausserorts" beinhaltet übrigends auch Autobahnen.
Zusammengefasst (ohne Fahrverbot):
Innerorts = Erlaubt 50 - Maximal 70
Ausserorts = 100 - Maximal 125
2-spurige Bundesstr. = 120 - Maximal 145
Autobahn als Beispiel = 80 / 100 / 120 - Maximal 105 / 125 / 145
So wie ich den Artikel gelesen habe, sollen hier Mehrbelastung der Gerichte gegen Gesundheit aufgerechnet werden ?
Wer in 30-er Zonen wohnt oder oft in Städten zu Fuß unterwegs ist, bekommt täglich mit, wie viele Autofahrer kein Tempolimit interessiert.