Helmut Kohls schwarze Kassen
Recherchen untermauern die These, dass der Ex-Kanzler die anonymen Wohltäter in der Spendenaffäre der CDU frei erfunden hat.
Er werde die Namen der Spender nicht nennen, davon ließ sich Helmut Kohl nicht abbringen. Und er hat tatsächlich nie Namen genannt. Heute spricht vieles dafür, dass der Altkanzler dieses Geheimnis gar nicht mit ins Grab nehmen konnte. Aber ein anderes: das Geheimnis, dass es gar keine illegalen Spender gab, sondern nur Geld aus schwarzen Kassen.
Neu ist die Theorie nicht: „Es gibt keine anonymen Spender“, das hatte Wolfgang Schäuble schon 2015 den staunenden Dokumentarfilmern Stephan Lamby und Egmont Koch gesagt. Ein Satz, der dem Duo und Spiegel-Rechercheuren keine Ruhe ließ. Einen Beweis dafür, dass Kohl ebendiese Spender 1999 alleine aus dem schnöden Grund aus dem Hut gezaubert hatte, um sich und die CDU zu schützen, erbrachten die Befragungen von Insidern zwar nicht. Doch unterm Strich spricht fast alles für die These Schäubles, die in der SWR-Doku „Bimbes – Die schwarzen Kassen des Helmut Kohl“ am Montag in der ARD zu unverständlich später Stunde (22.45 Uhr!) untermauert wurde.
Die Spendenaffäre könnte Kohl bekannt gewesen sein
Als Kronzeugen präsentierten Lamby und Koch Rüdiger May, der von 1979 bis 1989 Hauptamtsleiter Organisation der CDU war. Er übte dieses Amt mit wachsendem Unbehagen aus, denn ihm blieb das System der schwarzen Kassen nicht verborgen. Als er sich weigerte, mit seiner Unterschrift dazu beizutragen, dass illegale Spenden verschleiert werden, war die Parteikarriere zu Ende. Sein Fazit: Das ganze System war Kohl bekannt.
Beinahe hätte schon die Flick-Affäre Anfang der 80er Jahre um die illegale Parteienfinanzierung die Karriere Kohls, der 1982 zum Kanzler gewählt worden war, beendet. Doch auch danach trickste die CDU munter weiter: Kohl räumte 1999 – ein Jahr nach seiner Abwahl als Kanzler – ein, selbst für die Partei Spenden erhalten, aber nicht angemeldet zu haben. Er habe den Spendern sein Ehrenwort gegeben, dass ihre Anonymität gewahrt bleiben würde. So blieb trotz akribischer Untersuchungen der CDU-Konten aus den 90er Jahren die Herkunft von gut zwei Millionen Mark ungeklärt. Die Staatsanwaltschaft Bonn geht davon aus, dass ein Großteil der Summe „zur ausschließlichen Disposition des Parteivorsitzenden Dr. Kohl stand“ – so zitiert der Spiegel die Behörde.
Die Folgen waren weitreichend. Die CDU-Spitze distanzierte sich von Kohl. Und besonders schmerzhaft: Er wurde 2000 gar dazu gedrängt, auf den Ehrenvorsitz zu verzichten. Kohl, bekanntermaßen nachtragend, reagierte mit Verbitterung. Er wusste, dass sein Ruf als Kanzler der Einheit und als Garant der europäischen Verständigung starken Schaden genommen hatte.
Schwarze Kassen werfen einen Schatten auf sein Lebenswerk
Wie lang der Schatten ist, der das Lebenswerk von Kohl verdunkelt, liegt im Auge des Betrachters. Etwas länger ist er nun geworden. Schließlich war ja über viele Jahre die allgemeine Lesart, dass er seine Loyalität zu den vermeintlichen Spendern über Recht und Gesetz gestellt hat. Dafür konnte er schon damals nicht mit Beifall rechnen, aber noch mit einem gewissen Maß an Verständnis. Das dürfte sich ändern, wenn die Zweifel an der Existenz der Spender und also auch an Kohls Ehrenwort weiter wachsen.
Die Diskussion ist geschlossen.