Neue US-Botschafterin Amy Gutmann hat deutsche Wurzeln
Amy Gutmann tritt in Berlin ein schweres Erbe an. Denn Vorgänger Grenell hat einen Scherbenhaufen hinterlassen.
Seit mehr als einem Jahr steht das Chefzimmer der US-Vertretung in Deutschland, im Herzen der Hauptstadt, gleich beim Brandenburger Tor, leer. Der Posten des US-Botschafters, des wichtigsten Bindeglieds zwischen Berlin und Washington ist unbesetzt – Spätfolge der unter dem republikanischen Polter-Präsidenten Donald Trump empfindlich abgekühlten transatlantischen Beziehungen. Jetzt soll sich das Tauwetter, das unter Trumps demokratischem Nachfolger Joe Biden eingesetzt hat, auch in der Spitzen-Diplomatie widerspiegeln. Nach übereinstimmenden Medienberichten und Informationen aus deutschen und amerikanischen Regierungskreise wird Amy Gutmann neue US-Botschafterin. Eine offizielle Bestätigung aus dem Weißen Haus gab es US-Medien zufolge bislang nicht, doch zuletzt deutete alles darauf hin, dass Biden seine langjährige Vertraute bald nach Deutschland schickt.
Ihr Vater flüchtete 1934 vor den Nazis
Der 46. Präsident der Vereinigten Staaten will damit offenbar ein Zeichen setzen. Denn die 71-jährige Politikwissenschaftlerin und Universitätspräsidentin hat deutsche Wurzeln und kennt die Sprache schon aus Kindertagen. Ihr Vater Kurt Gutmann wuchs im mittelfränkischen Feuchtwangen auf. Als Spross einer Kaufmannsfamilie jüdischen Glaubens erkannte er früh die Gefahr durch Hitler und den Nationalsozialismus. Die Familie wurde massiv diskriminiert, ihr Geschäft boykottiert. 1934 floh er mit der ganzen Familie aus Nazi-Deutschland, zunächst nach Indien. Nachdem er bei einem Besuch in New York seine spätere Frau Beatrice kennengelernt hatte, siedelte er in die USA um und gründete einen Altmetallhandel in Monroe im Bundesstaat New York. Ohne die Weitsicht ihres Vaters, sagte Gutmann einmal, wäre die ganze Familie „vom Angesicht der Erde verschwunden“.
Amy Gutmann, 1949 geboren, erwies sich als überaus begabte Schülerin. Ihre hervorragenden Leistungen eröffneten ihr den Zugang zur Welt der akademischen Elite des Landes. In Politikwissenschaft promovierte sie an der Harvard-Universität, forschte in Princeton unter anderem zu Demokratietheorie und Bildungspolitik. 2004 wurde sie schließlich Präsidentin der ebenfalls sehr renommierten University of Pennsylvania. Zu dieser Bildungsanstalt wiederum hat Joe Biden engste Beziehungen. Er lehrte dort als Professor und gründete ein Zentrum für Diplomatie und globales Engagement.
Mit Joe Biden verbindet Amy Gutmann eine tiefe Freundschaft
Seit Jahren verbindet Gutmann und Biden eine tiefe Freundschaft. Beobachter hatten damit gerechnet, dass der US-Präsident die Uni-Präsidentin nach Washington holen würde, etwa als Bildungsministerin. Nun schickt er sie nach Berlin, wo sie ein schwieriges Erbe antritt.
Donald Trump hatte mit Richard Grenell 2017 einen Botschafter nach Deutschland gesandt, der alles andere als diplomatisch auftrat. Harsch verlangte er etwa gleich nach seinem Amtsantritt von der deutschen Wirtschaft den Rückzug aus allen Geschäften mit US-Erzfeind Iran. Vor allem der Ton seiner Forderung empörte. Wolfgang Ischinger, Grandseigneur der deutschen Diplomatie, empfahl Grenell, seinem Gastland keine Instruktionen zu erteilen. Interviews gab Grenell bevorzugt auch rechtspopulistischen Medien wie dem Portal Breitbart. Wiederholt kritisierte er Deutschlands militärischen und finanziellen Beitrag zum Nato-Verteidigungsbündnis scharf als unzureichend. Trump holte ihn schließlich als Geheimdienstchef nach Washington zurück, Anfang Juni 2020 trat er als deutscher Botschafter zurück. Als Nachfolger nominierte Trump den Ex–Armeeoffizier Douglas Macgregor, der jedoch nie vom US-Senat bestätigt wurde. Auch die Personalie Amy Gutmann muss noch vom Senat abgesegnet werden. Sollte das geschehen, woran kaum ein Zweifel besteht, wäre Gutmann die erste Frau, die die Vereinigten Staaten in Deutschland vertritt.
In ihren Forderungen wird sie wohl Härte zeigen
Dass die eloquente Akademikerin von der Ostküste künftig wieder für einen zivilisierteren Umgang zwischen den USA und Deutschland sorgen wird, gilt als sicher. Allerdings glauben deutsche Außenpolitiker, dass sich die Forderungen, die Biden über Gutmann an die Deutschen richten wird, inhaltlich kaum von denen Trumps unterscheiden werden. Auch der Demokrat Biden verlangt von Berlin, endlich mehr für die Verteidigung auszugeben. Heftigen Streit gibt es auch um das deutsche Verhältnis zu Russland und China, das aus amerikanischer Sicht von Naivität und vor allem Geschäftsinteressen geprägt ist. Ein Streitpunkt bleibt etwa die russische Gas-Pipeline Nordstream 2.
Deutschland, das ist in den USA bei Demokraten wie bei Republikanern Konsens, werde in Zukunft deutlich mehr Verantwortung für Sicherheit und Stabilität in Europa und der Welt übernehmen müssen. Darauf wird auch Amy Gutmann beharren – wenn auch wohl deutlich diplomatischer als ihr Vorgänger.
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