Kein Preis für Putin
Pünktlich zum Beginn der deutsch-russischen Konsultationen stornieren die Organisatoren die Verleihung der „Quadriga“ an den früheren Präsidenten
Berlin Selbstkritik klingt anders. Angesichts des „zunehmend unerträglichen Drucks“ und der „Gefahr weiterer Eskalierung“ verzichtet das Kuratorium des Netzwerkes Quadriga in diesem Jahr auf die Verleihung des gleichnamigen Preises. Dass der russische Ministerpräsident Wladimir Putin möglicherweise nicht der ideale Preisträger sein könnte – dieser Gedanke hat bei der eilends einberufenen Krisensitzung der Kuratoren offenbar keine Rolle gespielt. In der kurzen Erklärung, in der sie die plötzliche Absage der Veranstaltung am 3. Oktober begründen, verteidigen sie dessen Nominierung weiter mit dem Einsatz des früheren Geheimdienstoffiziers für die deutsch-russischen Beziehungen. Das Stornieren der Preisverleihung dient danach vor allem dazu, „die Preisträger zu schützen“.
Der Eklat um die Quadriga, der in der vergangenen Woche schon zum Rückzug von Grünen-Chef Cem Özdemir und des Heidelberger Historikers Edgar Wolfrum aus dem Kuratorium geführt hatte, kommt für die deutsche Politik zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Heute beginnen in Hannover die deutsch-russischen Regierungskonsultationen, und selbst wenn der Preis von einer privaten Initiative verliehen wird, dürfte das Thema zumindest am Rande der Gespräche zwischen Angela Merkel und Dmitri Medwedew eine Rolle spielen.
Bereits am Wochenende hatten Beamte des Auswärtigen Amtes eher unfreiwillig die Rolle eines Sondervermittlers übernehmen müssen: Nachdem der ehemalige tschechische Präsident Vaclav Havel gedroht hatte, er werde seine Quadriga wieder zurückgeben, wenn auch Putin mit ihr ausgezeichnet werde, hatte Prags Botschafter in Berlin, Rudolf Jindrak, sich mit dieser brisanten Information nicht direkt an das Quadriga-Kuratorium gewandt, sondern ans Außenministerium. Damit war der Fall, wenn auch nicht formal, zu einem Problem der Bundesregierung geworden, die in Gestalt von Verkehrsminister Peter Ramsauer im Kuratorium ja mit am Tisch saß – wenn auch nicht bei der entscheidenden Sitzung Mitte Februar, bei der der CSU-Mann gefehlt hatte. Umso erleichterter ist der Menschenrechtsbeauftragte der Regierung, der FDP-Mann Markus Löning, jetzt über die Absage der Preisverleihung. Putin, kritisiert er, habe schon in seiner Zeit als Präsident die Demokratie zurückgedreht und die Rechte der Bürger eingeschränkt.
Vaclav Havel freut sich über eine weise Entscheidung
Während Putin selbst sich demonstrativ gelassen gibt und alles mit „Chaos innerhalb der Jury“ der gemeinnützigen „Werkstatt Deutschland“ entschuldigt, die den Preis seit 2003 vergibt, freut Havel sich über eine „weise Entscheidung“. Die Quadriga solle nur an Persönlichkeiten vergeben werden, die ihr Leben für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie einsetzten, lässt er seine Referentin Sabina Tancevova am Wochenende ausrichten. Putin, heißt das, erfüllt diese Kriterien nicht. Der dänische Künstler Olafur Eliasson, der die goldfarbene Miniatur der Quadriga, die auf dem Brandenburger Tor thront, im vergangenen Jahr erhalten hatte, hat seinen Preis bereits zurückgegeben.
Nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung war die Entscheidung zugunsten des früheren Präsidenten auch innerhalb des 17-köpfigen Kuratoriums umstritten, dem neben Ramsauer auch der CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder und mehrere PR-Berater wie die frühere Journalistin Margarita Mathiopoulos angehören. Es soll sogar ein externes Beratungsunternehmen beauftragt haben, um sich ein Bild über die zu erwartende Resonanz in der Öffentlichkeit zu verschaffen. In der Begründung der Absage heißt es nun jedoch, Putins Nominierung als einer der vier Preisträger 2011 stehe „in einer Reihe mit bisherigen Entscheidungen, jeweils einen der vier Jahrespreise an Persönlichkeiten zu geben, die sich in besonderem Maße für die Beziehungen zum geeinten Deutschland eingesetzt haben. Die Quadriga ist deshalb besonders betroffen von der massiven Kritik in den Medien und Teilen der Politik.“
Mit dem russischen Regierungschef hätten auch die mexikanische Außenministerin Patricia Espinosa, die türkischstämmige Autorin und Lehrerin Betül Durmaz und der palästinensische Premier Salam Fayyad ausgezeichnet werden sollen. Ob der Preis im nächsten Jahr überhaupt noch einmal vergeben wird, ist bislang unklar. Darüber will das Kuratorium, wie es heißt, im Lauf der nächsten Wochen beraten.
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