Parteitag: Trost für Claudia Roth erwartet
Die Grünen wählen morgen auf dem Parteitag in Hannover ihre Spitze neu. Der amtierende Vorsitzende Claudia Roth tritt wieder an.
79,3 Prozent: Allzu hoch hängt die Latte nicht, an der Claudia Roth gemessen wird. Mit 79,3 Prozent der Stimmen wurde die gebürtige Ulmerin vor zwei Jahren auf dem Parteitag in Freiburg in ihrem Amt als Vorsitzende der Grünen bestätigt, ihr Mitvorsitzender Cem Özdemir brachte es auf 88,5 Prozent. Wenn die 820 Delegierten der Grünen am heutigen Freitag in Hannover erneut zum Parteitag zusammenkommen und am Samstag ihre Parteiführung neu bestimmen, dürfte es möglicherweise genau andersherum kommen. In der Parteispitze geht man davon aus, dass die linke Frontfrau Roth ein deutlich besseres Ergebnis als vor zwei Jahren erhält und sogar besser als ihr baden-württembergischer Kollege vom Realo-Flügel abschneidet.
Ein Rücktritt der Chefin hätte die Grünen getroffen
Der Grund dafür ist, so paradox es klingt, ihre schwere Niederlage bei der Urwahl um die Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, bei der Roth lediglich 26 Prozent der Stimmen erhielt. Kurz erwog Roth sogar, als Konsequenz dieses Debakels als Chefin aufzuhören, doch nach einem überwältigenden Zuspruch durch die Basis warf die 57-jährige frühere Dramaturgin und Musikmanagerin ihre Rückzugspläne über Bord. Ein Rücktritt Roths hätte die Partei ein Jahr vor der Bundestagswahl empfindlich getroffen, eine Nachfolgerin aus dem linken Lager war nicht in Sicht.
So bleibt auch nach dem Parteitag alles beim Alten. Roth und Özdemir treten wieder an, Gegenkandidaten gibt es nicht. Kampfkandidaturen sind hingegen bei den Wahlen zum Parteirat zu erwarten, dem höchsten Gremium zwischen den Parteitagen, um die 13 freien Plätze bemühen sich 16 Kandidaten, unter ihnen auch die frisch gekürte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt.
Der linke Flügel will Hartz-IV auf 474 Euro erhöhen
Ein reiner Wohlfühl-Parteitag dürfte es trotzdem nicht werden. Inhaltlich erwartet die Parteispitze lebhafte Debatten, zumal in Hannover bereits die programmatischen Weichen für die Bundestagswahlen im Herbst gestellt werden sollen. So wollen die Grünen unter anderem ihr Profil in der Sozialpolitik schärfen und sich für eine Reform der Hartz-Regelungen starkmachen. Ein entsprechender Antrag des Bundesvorstands, der unter anderem eine Erhöhung des Regelsatzes auf 420 Euro im Monat vorsieht, geht allerdings vielen Mitgliedern nicht weit genug. So fordert der traditionell linke Berliner Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg einen Regelsatz von 474 Euro pro Monat. Und Sven Lehmann, der Parteichef von Nordrhein-Westfalen, verlangt, dass die Sozialleistungen künftig komplett sanktionsfrei ausbezahlt werden. Tunlichst vermeiden will die Parteiführung hingegen Debatten über ein schwarz-grünes Bündnis auf Bundesebene.
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