Jugendamt schickte Gewalttäter (16) nach Sibirien
Weil er "krankhaft aggressiv" ist, hat ihn das Jugendamt des Landkreises Gießen zur Besserung ins minus 40 Grad kalte Sibirien (Russland) geschickt. Zwischen Plumpsklo und Brennholzsuche soll der 16-Jährige dort über sein Verhalten nachdenken.
Der Jugendliche war durch hohe Gewalttätigkeit aufgefallen und hatte auch seine Mutter angegriffen, teilt das Onlineportal pr-inside.com mit. "Das ist auch für uns eine etwas ungewöhnliche Maßnahme", räumte der zuständige Jugend- und Sozialdezernent Stefan Becker (Freie Wähler) ein. In den vergangenen Jahren habe es in seinem Bereich nur zwei solcher Fälle gegeben.
Allerdings nutzen auch andere Jugendämter so genannte intensivpädagogische Auslandsmaßnahmen: Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) waren im Dezember 2006 etwa 600 junge Intensivtäter außerhalb Deutschlands untergebracht.
Der Sibirien-Aufenthalt des 16-Jährigen aus Gießen begann bereits vor etwa sechs Monaten, schreibt pr-inside.com. Es handele sich dabei jedoch nicht um eine Sanktion, sondern um eine freiwillige pädagogische Maßnahme, betonte Becker. Vor Ort müsse der 16-Jährige neun Monate lang unter extremen Bedingungen hart körperlich arbeiten und beispielsweise für sein Brennholz sorgen.
Der 16-Jährige aus Gießen lebt nach Angaben des Jugenddezernenten mit seinem Betreuer in einem kleinen Haus, das weit von westlichen Standards entfernt ist. "Die Toilette ist im Garten. Es ist ein Plumpsklo", sagte Becker. Bei Tiefsttemperaturen von minus 40 Grad müsse der Jugendliche in die mehrere Kilometer entfernte Schule laufen. Dort helfe ihm sein russisch sprechender Betreuer, dem Unterricht zu folgen. In dem rund 300 Kilometer von Omsk entfernten Dorf leben nur 5000 Menschen.
"Der Junge ist kein Schläger, sondern krankhaft aggressiv", erklärte Becker die Probleme des 16-Jährigen. "Da gibt's kein Fernsehen. Da gibt's kein Internet, (...) keine Dinge, die ihn von der Spur abbringen können", so Becker .
Die Kosten des Sibirien-Aufenthaltes liegen ihm zufolge nur bei rund einem Drittel einer vergleichbaren Betreuung im Heim. Finanzielle Überlegungen seien allerdings nicht das ausschlaggebende Argument gewesen, sagt er auf pr-inside.com. Einschließlich der Nachbetreuung in Deutschland soll die Maßnahme zwei Jahre dauern.
In einer vom Landtagswahlkampf in Hessen geprägten Debatte hatten sich zuvor am Mittwoch im Bundestag SPD und Opposition gegen die Unionsforderungen nach einer Verschärfung des Jugendstrafrechts gestellt. Alle Redner der SPD widersprachen in dem hochemotional geführten Schlagabtausch klar dem Koalitionspartner. Die CDU bestimmte inzwischen Hessens Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), der die Debatte nach einem brutalen Überfall Jugendlicher auf einen Pensionär ausgelöst hatte, zum Vorsitzenden ihrer Arbeitsgruppe "Sicherheit im öffentlichen Raum".
In der von den Grünen beantragten Aktuellen Stunde bezeichneten SPD und Opposition das geltende Recht als ausreichend. Das Problem seien vielmehr Vollzugsdefizite. Abgeordnete von CDU und CSU verteidigten Koch und beharrten auf einer Verschärfung der Gesetze.
Der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Hans-Peter Uhl, kündigte an, alle von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) abgelehnten Vorschläge wieder einzubringen. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach sagte, es gebe Fälle, wo Erziehungsgespräche nichts nützten. Diese jugendlichen Straftäter müsse man "leider hinter Schloss und Riegel bringen".
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