Kommt jetzt die große Brexit-Wende?
Am Mittwoch könnte das Parlament Theresa May ins Abseits stellen. Doch ob der Aufstand gelingt, ist ungewiss.
Was sich derzeit fast täglich im Königreich abspielt, dürfte später einmal seinen Niederschlag in den britischen Geschichtsbüchern finden. Denn nicht nur der Brexit ist historisch, auch das politische Chaos hat eben solche Dimensionen angenommen. Und nun folgt ein neues Kapitel im großen Drama. Es muss unter dem Titel „Aufstand des Parlaments“ laufen, denn nichts anderes war am Montagabend passiert.
Die Rebellen feierten dabei zumindest einen Teilerfolg. Gegen den Willen der Premierministerin Theresa May beschlossen sie, selbst nach einer mehrheitsfähigen Alternative für das zwischen Brüssel und London verhandelte Austrittsabkommen zu suchen. Der Deal wurde bereits zwei Mal abgelehnt und auch wenn May mit bemerkenswertem – manche reden von realitätsfremdem – Optimismus noch immer darauf hofft, dass er beim dritten Versuch vom Unterhaus gebilligt wird, stehen die Chancen schlecht. Sie ist so einsam und geschwächt wie nie. Vielleicht hilft es in solchen Situationen, daran zu erinnern, dass das Königreich eigentlich am Freitag aus der Staatengemeinschaft scheiden wollte. Daraus wird zum Leidwesen zahlreicher Brexit-Anhänger nichts.
Sicher ist: Der Austritt wird verschoben
Selbst mit der gewährten Verlängerung der EU treten die Briten erst am 22. Mai aus – unter der Bedingung, dass May den Deal, der einen geordneten Brexit sichert, doch noch durchs Unterhaus bekommt. Fällt er wieder durch, hat London lediglich bis zum 12. April Zeit, der EU einen Alternativ-Plan zu präsentieren.
Welche Option aber wird von einer Mehrheit der Abgeordneten favorisiert? In einer Art Ausschlussverfahren – noch ist nicht klar, in welchem Modus votiert wird – will das Unterhaus an diesem Mittwoch eine Lösung finden. Auf dem Tisch liegen mehrere Optionen. Soll die Bevölkerung noch einmal mittels eines Referendums befragt werden, wie rund eine Million Protestler am vergangenen Wochenende in London gefordert hatten? Es scheint unwahrscheinlich, bislang gibt es im Parlament keine Mehrheit dafür. Oder könnte der Brexit gar komplett abgeblasen werden?
Fast sechs Millionen Menschen unterzeichneten bis Dienstagnachmittag eine entsprechende Petition, doch auch wenn dies ein starkes Signal aussendet, ist diese Option auf der in der Europafrage tief gespaltenen Insel politisch kaum durchsetzbar. Der härteste Bruch, ohne Deal und Übergangsphase aus der EU zu krachen, wurde dagegen erst kürzlich schon vom Parlament bei einem Votum abgelehnt. Daneben stehen weichere Szenarien eines Austritts zur Wahl, etwa eine engere Anbindung an die EU, ein Verbleib des Landes in der Zollunion oder gar im gemeinsamen Binnenmarkt. Da die oppositionelle Labour-Partei eine „umfassende Zollunion“ wünscht, könnte sich am Ende ein Weg in diese Richtung abzeichnen.
Auch bei den Tories ist die Geduld mit May am Ende
Auch wenn die Ergebnisse dieser sogenannten richtungsweisenden Abstimmungen („indicative votes“) juristisch keineswegs bindend sind, kann May diese politisch unmöglich ignorieren. Zu gering ist mittlerweile die Unterstützung für die Premierministerin in den eigenen Reihen der Tories. Gleich 30 Parteikollegen votierten am Montag für den Antrag und damit gegen die Regierung, darunter drei Staatssekretäre, die damit auch ihren Rücktritt erklärten.
Folgt May ihrem Beispiel? Oder wird sie per Misstrauensvotum gestürzt? Folgen Neuwahlen? Paradoxerweise könnte die „demütigende Niederlage“, wie Brexit-Schattenminister Keir Starmer das Votum von Montag nannte, der Regierungschefin sogar helfen. Sollte sich das Parlament nicht auf eine Alternative einigen, dürfte May diesen Fakt nutzen, um triumphierend mit ihrem Deal zu wedeln, erklärt Politikwissenschaftler Anand Menon. Sollte sich dagegen der Großteil der Abgeordneten für eine softere Brexit-Alternative aussprechen, würde das die europaskeptischen Hardliner bei den Tories nervös machen. „Die Angst, am Ende mit einer weicheren Version oder gar ohne EU-Austritt dazustehen, könnte sie überzeugen, doch noch für Mays Abkommen zu stimmen“, so Menon. Der Brexit ist nicht nur historisch, sondern auch kompliziert.
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Die Diskussion ist geschlossen.
Kommt jetzt ein (Teil-) Exit aus dem Brexit?
Jedenfalls waren die Chancen dafür niemals so groß wie heute.
Eine solche Entwicklung wäre wünschenswert - vor allem für das Vereinigte Königreich und ganz besonders auch für Deutschland!