Mays letzter Versuch
Die Regierungschefin will den Brexit und sich selbst retten
Die britische Premierministerin Theresa May hatte es mal wieder spannend gemacht. Ein „kühnes Angebot“ hatte sie in einem Gastbeitrag der Sunday Times angekündigt. Am Dienstagabend dann unterbreitete sie ihren Vorschlag: Sie stellt eine Abstimmung des Parlaments in London über ein mögliches zweites Brexit-Referendum in Aussicht. Voraussetzung dafür sei aber, dass die Abgeordneten den Gesetzesentwurf zum Abkommen für einen EU-Austritt Großbritanniens in zweiter Lesung durchwinken. May hofft, durch Änderungen genug Unterstützung zu bekommen, um den Brexit-Deal doch noch über die Ziellinie zu bringen. Anfang April hatten die Abgeordneten ein zweites Referendum bei einer Abstimmung über Alternativen zum Brexit-Deal – wie alle anderen Optionen – jedoch abgelehnt, wenn auch nur knapp. Sie werde nun einen „neuen“ Deal vorlegen, um einen breiten Konsens über Parteigrenzen hinweg schaffen zu können, sagte die Regierungschefin. Das sei die letzte Chance, das Resultat des Brexit-Referendums von 2016 umzusetzen, sagte May. Andernfalls drohe eine Neuwahl oder eine Abkehr vom EU-Austritt. Sie gestand dabei ein, dass es auch ohne ihr Zutun noch zu einem zweiten Referendum kommen könnte.
Die Opposition reagierte kühl auf Mays Avancen. „Was die Premierministerin ihren neuen Brexit-Deal nennt, ist in Wirklichkeit nur der gleiche alte, schlechte Deal in neuer Hülle“, sagte Labour-Chef Jeremy Corbyn. Seine Partei werde das nicht unterstützen. Auch Parteifreunde Mays zeigten sich teilweise befremdet von dem Vorstoß. Neben Zugeständnissen für die Brexit-Hardliner in ihrer Partei und die Verbündeten der nordirisch-protestantischen DUP stellt May außerdem noch eine Abstimmung über eine dauerhafte Zollunion in Aussicht. Zudem soll das Parlament bei den Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU ein größeres Mitspracherecht bekommen. Arbeitnehmerrechte und Umweltstandards sollen nicht hinter die der EU zurückfallen. Der Handel zwischen Großbritannien und der EU solle so reibungslos wie möglich gestaltet werden, sagte May.
Die Regierungschefin hatte sich kürzlich bereit erklärt, nach der Abstimmung im Juni einen Zeitplan für ihren Rücktritt zu vereinbaren. Ob sie damit die Chancen auf einen Erfolg erhöht hat, gilt aber als zweifelhaft. Das Rennen um ihre Nachfolge ist längst im Gang. Zugeständnisse Mays für eine engere Anbindung an die Staatengemeinschaft, wie Labour sie fordert, könnten von Mays Nachfolger wieder rückgängig gemacht werden, so die Befürchtung.
Als aussichtsreicher Kandidat gilt Ex-Außenminister Boris Johnson, der bislang einen EU-Austritt ohne Abkommen aus der EU befürwortet. Eigentlich hätte Großbritannien die EU bereits am 29. März verlassen sollen. Die Frist für den EU-Austritt wurde inzwischen bis zum 31. Oktober verlängert. Notgedrungen muss Großbritannien deshalb an der Wahl zum Europaparlament am 23. Mai teilnehmen. (dpa)
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