Wenn der Doktorhut zu groß ist
Koch-Mehrin wehrt sich gegen den Titel-Entzug, ihr Parteifreund Chatzimarkakis würde zur Not eine weitere Arbeit vorlegen
Augsburg Frau Dr. Mathiopoulos, Frau Dr. Koch-Mehrin, Herr Dr. Chatzimarkakis, Herr Dr. Althusmann, Frau Dr. Veronika Saß, Herr Dr. zu Guttenberg – spätestens jetzt wird deutlich, was diese unvollständige Reihung von Namen ausmacht: der Titel. Entweder er ist schon weg oder er droht, aberkannt zu werden.
Ein ehemaliger Verteidigungsminister ist dabei, der Präsident der deutschen Kultusministerkonferenz und einige politische Hoffnungsträger. Und höchstwahrscheinlich werden es noch mehr werden. Mit Karl-Theodor zu Guttenberg fing vor Monaten alles an. Ihm wurde vorgeworfen, weite Passagen seiner Doktorarbeit abgeschrieben beziehungsweise nicht sauber zitiert zu haben. Die Internet-Plattform GuttenPlag arbeitete akribisch heraus, wie viel der Arbeit zweifelhafter Natur waren. Die Universität Bayreuth erkannte Guttenberg nach einem Prüfverfahren den Titel ab.
Aber das war nur der Anfang: Die Tochter des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, Veronica Saß, wurde als Abschreiberin entlarvt. Und nach ihr benennen sich die Plagiatsjäger, die die Akademiker in den Reihen der Politiker aufs Korn nehmen: „VroniPlag“. Mittlerweile haben die Aktivisten noch eine Reihe von Volltreffern gelandet: Matthias Pröfrock (CDU), Silvana Koch-Mehrin (FDP), Jorgo Chatzimarkakis (FDP), Bijan Djir-Sarai (FDP), Uwe Brinkmann (SPD), Margarita Mathiopoulos und Bernd Althusmann (CDU).
Nicht alle reagieren auf die Plagiatsvorwürfe so gereizt und massiv wie die Europapolitikerin Koch- Mehrin. Zuerst hatte die FDP-Politikerin versucht, der Uni die Schuld in die Schuhe zu schieben. Schließlich habe der Promotionsausschuss ihr 2000 „in voller Kenntnis aller eklatanten Schwächen meiner Arbeit den Doktortitel verliehen“. Nun hat sie gegen den Titelentzug Widerspruch eingereicht.
Bei der Politikwissenschaftlerin und Honorarprofessorin Margarita Mathiopoulos hatte der Spiegel bereits Ende der achtziger Jahre Zweifel angemeldet. Heute wollen die Plagiatsjäger herausgefunden haben, dass die Hälfte der Arbeit abgeschrieben ist. Die Uni Bonn prüft. Mathiopoulos hält sich derzeit noch mit Reaktionen auf die Vorwürfe zurück.
Jorgo Chatzimarkakis, ein FDP-Mann mit deutscher Mutter und griechischem Vater, erzählte einmal, dass er seine Doktorarbeit voller Stolz seinem Großvater ins Grab gelegt habe und sich erst mit diesem Titel voll integriert und akzeptiert gefühlt habe. Nun, da die Universität Bonn ihm den Titel aberkannt hat, kündigte er an, eine neue Arbeit schreiben zu wollen. Nach unbestätigten Gerüchten soll auch Karl-Theodor zu Guttenberg eine neue Arbeit planen.
Warum liegt den Politikern so viel an einem Titel? Der SPD-Politiker Dieter Wiefelspütz glaubt, dass der Doktor zu einer Art „Adelstitel für Bürgerliche“ geworden sei. Die Versuchung sei sehr groß, ein bisschen nachzuhelfen, um den Status aufzubessern.
Etwa 25000 Promotionsarbeiten werden jährlich an deutschen Universitäten abgegeben. In den meisten steckt jahrelange Forschungs- und Fleißarbeit. In kaum einem anderen Industrieland ist der Doktortitel so beliebt. In vielen naturwissenschaftlichen Studiengängen gilt eine erfolgreiche Promotion als Voraussetzung für eine Karriere in Lehre und Forschung. Bei Ärzten ist der Doktor die Berufsbezeichnung – promoviert oder nicht.
Mit Blick auf die Plagiatsaffäre will jetzt die Grünen-Bundestagsfraktion den „Dr.“-Zusatz vor dem Namen nicht mehr in Ausweis und Pass als Namensbestandteil eintragen lassen. Die Grüne Christa Sager sagte: „Offenkundig tut es der Wissenschaft nicht gut, wenn der Dr.-Grad zu oft für gesellschaftliche Eitelkeiten genutzt werden kann.“
Der Deutsche Hochschulverband spricht von reiner Symbolpolitik. Ein solcher Schritt sei nicht angetan, „tatsächliche oder vermeintliche Karrierehengste davon abzuhalten, einen akademischen Titel als Qualifikationsmerkmal auf dem Briefbogen prangen zu lassen“. (mit dpa)
Die Diskussion ist geschlossen.